Der Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil mahnt seine Kabinettskollegen in einem Rundbrief zur fiskalischen Disziplin. In dem Schreiben, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, fordert er von ihnen eine “gemeinsame Kraftanstrengung”. Der Brief wird auch als “Spar-Ultimatum” bezeichnet.
Dabei schließt der Vizekanzler nicht aus, dass zum Stopfen der gewaltigen Finanzierungslücke auch Gesetze geändert und bisherige Ansprüche gestrichen werden müssen.
Klingbeil will demnach schon im September mit der Aufstellung des schwierigen Bundeshaushalts für 2027 beginnen. Normalerweise würden die Beratungen erst im kommenden Frühjahr starten. Nun sollen sich die Staatssekretäre der einzelnen Ministerien bereits in der ersten Septemberhälfte treffen, um die weiteren Schritte zu besprechen.
Dem Schreiben zufolge klafft in den Etatplänen für 2027 eine Lücke von mehr als 30 Milliarden Euro. “Ich erwarte von allen Ressorts substanzielle Vorschläge zur Konsolidierung des Bundeshaushalts in ihren jeweiligen Einzelplänen”, betont der SPD-Chef. Das gelte auch für “nicht disponible Mittel, deren Nutzung einen zusätzlichen möglichen gesetzgeberischen Handlungsbedarf auslösen”.
Das erhoffte Wirtschaftswachstum und bisher vereinbarte Einsparungen bei Verwaltung und Förderprogrammen reichten nicht aus, macht Klingbeil in dem Schreiben klar. “Angesichts der großen Herausforderungen müssen auch unsere Antworten größer ausfallen.” Jetzt müssten Prioritäten gesetzt werden, nicht alles Wünschenswerte könne auch finanziert werden.
Offenbar gehört mittlerweile auch der mögliche Bundeswehr-Einsatz in der Ukraine zu diesen Prioritäten. Am Haushalt dürfe jedenfalls der “deutsche Beitrag zu Sicherheitsgarantien für die Ukraine” nicht scheitern, sagte Klingbeil etwas umschreibend im aktuellen Interview mit den Zeitungen der Funke-Gruppe.
Noch vor sechs Tagen antwortete Klingbeil ausweichend auf die Frage, ob Deutschland Truppen in die Ukraine entsenden soll. “Natürlich müssen wir auch eine Verantwortung übernehmen als Europäer, wenn es um Sicherheitsgarantien geht”, sagte er im ZDF-Sommerinterview. Ob es dabei um Truppen, die Ausbildung der ukrainischen Armee, finanzielle Hilfen oder andere Fragen gehe, “muss alles jetzt in den nächsten Tagen geklärt werden”.
Anscheinend ist die Situation aktuell insoweit “geklärt”, dass Klingbeil die gleiche Frage etwas eindeutiger beantwortet. Auf die Frage “Können Sie sich deutsche Soldaten in der Ukraine vorstellen?”, sagte der Vizekanzler: “Deutschland wird Verantwortung tragen, um eine Friedenslösung abzusichern”, auch wenn es noch zu früh sei, konkrete Entscheidungen zu treffen. Man arbeite intensiv an der Abstimmung von Sicherheitsgarantien, um auf jedes Szenario vorbereitet zu sein. Die zuvor ablehnende Haltung der SPD scheint damit schon am Bröckeln zu sein.
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