Eine Analyse von Marinko Učur
“In Belgrad wird es keinen Maidan geben”, sagte der serbische Präsident Aleksandar Vučić letzte Woche den Anführern der Oppositionsproteste, die in den letzten Tagen in der serbischen Hauptstadt stattgefunden hatten. Zugleich kündigte Vučić außerordentliche Wahlen an – wie er sagte “spätestens im September”.
Es war eine Art Anspielung auf den Maidan in Kiew und die darauffolgenden Ereignisse in der Ukraine.
Anscheinend reichte das aus, um in der ukrainischen Botschaft in Belgrad die “Geister zu wecken”, wonach sich die Diplomaten dieses Landes berufen und eingeladen fühlen, sich zu Wort zu melden, um diesmal auch Serbien eine Lektion zu erteilen.
In einigen anderen Ländern wurden wir schon Zeugen derartigen Verhaltens, wenn etwa in Deutschland der damalige ukrainische Botschafter in Berlin, der für seine Verherrlichung von Stepan Bandera bekannt ist, den Deutschen vorwarf, sie würden nur “im Schneckentempo” endlich Waffen an sein Land liefern.
Nun wird auch die Führung in Belgrad, und zwar nicht zum ersten Mal, wegen ihrer prinzipiellen Haltung in Bezug auf die spezielle Militäroperation Russlands in der Ukraine angegriffen, weil sie sich den antirussischen Sanktionen noch immer nicht angeschlossen hat. Schon zuvor wurde das offizielle Belgrad “gerügt” – von ukrainischen Diplomaten sowie einigen Mitgliedern des ukrainischen Parlaments, die sich in dem abtrünnigen selbsternannten “Staat” Kosovo offen auf die Seite der Albaner stellten. Sogar durfte ein Abgeordneter der Werchowna Rada, Alexei Gontscharenko, im Parlament in Kiew offiziell einen Entschließungsantrag einbringen, wonach Kiew die Unabhängigkeit von Priština anerkennen solle, und er bezeichnete Serbien als “Putins Trojanisches Pferd” auf dem Balkan. Zur Erinnerung: Auch im März 2022 forderte die Botschaft der Ukraine in Belgrad bereits die serbischen Behörden auf, den Buchstaben “Z”, der angeblich eine feindselige Haltung gegenüber Ukrainern zum Ausdruck bringt, aus dem öffentlichen Raum zu entfernen und das ukrainische Volk öffentlich zu verteidigen.
So sandte die ukrainische Botschaft in Belgrad auch bei dieser Gelegenheit eine klare und eher undiplomatische Botschaft. “Versuche, sich in die inneren Angelegenheiten unseres Landes einzumischen, sind unzulässig, insbesondere die Erwähnung des Maidan in einem negativen Licht”, verkündeten die Ukrainer entrüstet, ohne dabei ausdrücklich den Namen Aleksandar Vučić zu erwähnen. Der hatte nämlich den Maidan im Zusammenhang mit den Ereignissen in seinem eigenen Land und der Absicht der serbischen Opposition erwähnt, “durch die Hintertür” die Macht an sich reißen zu wollen.
In der Erklärung der Botschaft der Ukraine heißt es weiter: “Der Ukrainische Staat mischt sich in keiner Weise in die innenpolitische Lage Serbiens ein und hält Versuche irgendwelcher ausländischer Beamter, sich in die inneren Angelegenheiten der Ukraine einzumischen, und insbesondere öffentliche negative Bewertungen der bewussten europäischen Entscheidung des ukrainischen Volkes für unzulässig.”
Die ukrainischen Diplomaten fügten ihren serbischen Gastgebern außerdem noch unmissverständlich hinzu, dass “den Ereignissen in ihrem Land in Serbien oft eine negative Bedeutung beigemessen wird, und sie erinnern daran, dass das, was manchmal versucht wird, in einem negativen Kontext als ‘ukrainisches Szenario’ darzustellen, in Wirklichkeit der Kampf um die Rechte des ukrainischen Volkes gegen eine korrupte und totalitäre Regierung ist, und dass es die europäische Entscheidung der Mehrheit der Ukrainer ist, für die sie einen hohen Preis bezahlt haben und zahlen. Jede Bewertung dieser Wahl, ob positiv oder negativ, ist ausschließlich Sache des ukrainischen Volkes”.
“Die Ukraine erwartet von Serbien nicht, dass es die europäische Entscheidung des ukrainischen Volkes öffentlich verurteilt, sondern dass es die brutale Aggression der Russischen Föderation verurteilt, und weist darauf hin, dass dank des Maidan, der in der Ukraine stattfand, die Tentakel des russischen totalitären Systems abgeschnitten wurden.”
Was die Antwort auf diese ungewöhnliche, vorerst einseitige diplomatische Korrespondenz sein wird, konnten wir vonseiten der offiziellen Vertreter der Behörden in Belgrad, die normalerweise die territoriale Integrität der Ukraine anerkennen, noch nicht erfahren. Serbien erwies sich als humaner und guter Gastgeber für viele ukrainische Flüchtlinge. Bis Ende Februar dieses Jahres meldeten bis zu 26.000 Ukrainer ihren Aufenthalt in diesem Balkanland an.
Offenbar will man in Belgrad dieses Mal eigene übereilte Reaktionen auf die Nervosität der ukrainischen Seite vermeiden und auf diese Weise Reife und Engagement für den Frieden und die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen mit allen Konfliktparteien zeigen.
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