
Bereits im Oktober dieses Jahres hatte der Görlitzer Kreistag ein Werbeverbot für die Bundeswehr mit den Stimmen von AfD, BSW und Freien Sachsen verhängt. Görlitz ist der Heimatlandkreis des AfD-Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla, der sich zusammen mit Alice Weidel auch die Leitung der Bundestagsfraktion teilt. Im Görlitzer Kreistag ist er als einfaches Mitglied vertreten. Der vom BSW und den Freien Wählern Zittau eingebrachte Antrag trug den Titel “Landkreis Görlitz – Landkreis des Friedens: Verzicht auf Werbung für Militärdienst und Rüstungsprodukte”.
Nachdem der Görlitzer Landrat Stephan Meyer (CDU) seinen Widerspruch gegen den Beschluss erhoben hatte, der jegliche militärische Werbung im Verantwortungsbereich des Landkreises untersagt hätte und sich für “die Werte des Friedens und der Verständigung” anstelle von Konfrontation und Militarisierung aussprach, erfolgte nun in der Dezembersitzung des Kreistages die Wiedervorlage des Antrages. Worauf der Friedensantrag vergangenen Mittwochnachmittag wiederum dank der Zustimmung von AfD und Freien Sachsen eine Mehrheit erhielt.
Das Abstimmungsverhalten der regionalen AfD-Fraktion blieb auch auf Bundesebene nicht unbeachtet. Schon im Oktober hatte der verteidigungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Rüdiger Lucassen, von einem “wohlfeilen Friedensgequatsche” linker Parteien gesprochen, von dem AfD-Politiker sich fernhalten sollten. Von dieser Kritik ließ sich sein Parteikollege Tino Chrupalla allerdings nicht abschrecken: War er bei der Oktoberabstimmung noch verhindert, stimmte er diese Woche nun für den BSW-Antrag. Nachdem Lucassen in seiner Rede zur Wehrdienstabstimmung im Bundestag das Friedenslager innerhalb der AfD in Gestalt von Björn Höcke vergangene Woche scharf attackiert hatte, verzichtete der AfD-Falke bisher auf eine erneute Kritik an seinen Görlitzer Parteikollegen. Auf X musste er für seine jüngste Attacke auf Höcke vor allem im rechten Lager viel Kritik einstecken.
Hajo Exner, der Vorsitzende der Görlitzer Kreistagsfraktion, begründete die Zusammenarbeit seiner Fraktion mit dem BSW damit, dass der Ukraine-Krieg viel Leid für die betroffenen Familien mit sich bringe. Deshalb stünden für die AfD-Fraktion “Deeskalation, Diplomatie und Frieden im Mittelpunkt”. Exners Fazit: “Eine Werbung für die Rüstungsindustrie ist daher ausgeschlossen.” Ohnehin sei das Geld bei der Bundeswehr besser in der Stärkung der Infrastruktur zur Landes- und Bündnisverteidigung angelegt, nicht in Werbemaßnahmen.
Jens Hentschel-Thöricht wiederum, der örtliche BSW/FWZ-Fraktionsvorsitzende, freute sich über den erneuten Abstimmungserfolg und sprach von einem starken Signal aus der Oberlausitz. Man lehne die Bundeswehr keineswegs pauschal ab, aber man wolle “keine Militarisierung des öffentlichen Raums”, sondern setze “auf demokratische Selbstbestimmung und gelebte Friedenskultur”.
Gegenüber der Berliner Zeitung rechtfertigte Bundespolitiker Tino Chrupalla sein Abstimmungsverhalten folgendermaßen: “Man sollte jedem Friedensantrag zustimmen, wenn man es ernst meint damit, für Frieden und Sicherheit einzustehen.” Man habe ein klares Zeichen setzen wollen. In Kriegszeiten dürfe man “Werbung für die Rüstungslobby” nicht auch noch öffentlich fördern. In dieser Frage stimme die AfD mit dem BSW überein: “Diplomatie und gute Beziehungen zu allen Staaten” seien der einzige Weg, “aktuelle Konflikte zu beenden und zukünftigen vorzubeugen”.
Ähnlich wie sein Parteikollege Exner argumentierte Chrupalla, es sei besser, “in die Landes- und Bündnisverteidigung” zu investieren “statt in Plakate an Rathäusern, in Bushaltestellen oder an Schulen”. Auffällig ist die Erwähnung der Bündnisverteidigung. Noch im Dezember vergangenen Jahres hatte Chrupalla die Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO infrage gestellt (RT DE berichtete).
Dagegen brachte der sächsische AfD-Landesvorsitzende Jörg Urban – zugleich Chef der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag – am heutigen Freitag einen möglichen NATO-Austritt der BRD ausführlich zur Sprache. Auf seinem Telegram-Kanal schrieb er in Reaktion auf die gestrigen bellizistischen Äußerungen von NATO-Generalsekretär Mark Rutte: “Das erklärte Ziel der deutschen NATO-Mitgliedschaft ist der Schutz unseres Landes. Doch in der Realität wird sie mehr und mehr zu einem Sicherheitsrisiko für Europa.” Wenn Kriegstreiber wie Rutte weiterhin den Takt für die europäischen Regierungen vorgäben, sei es nur eine Frage der Zeit, bis eine “Vorwärtsverteidigung” gegen Russland gefordert werde. Der sächsische Landespolitiker fordert deshalb ein neutrales und bündnisfreies Deutschland nach dem Vorbild der Nachbarländer Österreich und Schweiz.
Im Landkreis Görlitz wird der Streit um den Friedensantrag derweil weitergehen. Landrat Meyer kündigte an, gegen den aus seiner Sicht rechtswidrigen Beschluss weiter anzukämpfen. Daher wird nun die Rechtsaufsicht über die Landkreise über die Gültigkeit des Beschlusses entscheiden.
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