Von Michail Kewchijew
“War in der Vergangenheit die Hauptangriffswaffe ein Schwert und der Schutz ein Schild, wurden inzwischen die Klingen durch FPV-Drohnen, und Schilder durch Eloka-Anlagen ersetzt”, sagt der Kämpfer mit dem Funknamen Starower (“Altgläubiger”), während er den nimmer schweigenden Drohnendetektor aufmerksam beobachtet. Starower ist Kommandeur der zweiten Kompanie und der Gruppe für radioelektronische Kampfführung (Eloka) der russischen Freiwilligenstaffel BARS-16.
Rettende Netze
In den Laderaum werden Antennen, zwei Plastikkoffer, Tarnnetze und einige Kabelrollen verladen. Den freiwilligen Kämpfern der Brigade “Kuban” des Truppenverbands Süd steht ein weiterer Einsatz bevor. Bald kommt die Morgendämmerung.
Zuerst soll die Eloka-Ausrüstung in Stellung gebracht, eingerichtet und eingeschaltet werden. Wir fahren an Feldern entlang, wo es weder Tarnnetze noch Bäume gibt, nur verbrannte Autos. Starower erklärt:
“Die Hauptgefahr sind sogenannte Warter. Ukrainische Militärs lassen die Drohnen absichtlich neben verbrannten Fahrzeugen landen, an denen man etwas bremsen muss, starten sie dann und greifen an. Besonders schwierig ist es hinter Waldstreifen, im offenen Gelände. Die ganze Hoffnung ruht auf dem Drohnendetektor und der Eloka-Anlage am Auto. Doch auch das ist keine Rettung, wenn die Kamikazedrohne über Glasfaserkabel gesteuert wird. Man muss ständig die Luft beobachten.”
In den Tarnnetzen, die an selbstgemachten Pfählen hängen, klaffen große Löcher, manchmal sind feststeckende Wrackteile von Drohnen zu sehen. Die Kämpfer berichten, dass die ukrainischen Soldaten die Zünder so einrichten, dass die Detonation bei kleinster Berührung erfolgt. Doch dank dem Netz erreichen die Hohlladungsstrahlen oder Splitter das Ziel nicht.
An der Stellung entladen die Kämpfer schnell, und das Auto rast sofort wieder los. Der Kompaniekommandeur und sein Stellvertreter werden zu Fuß über den durch erbitterte Kämpfe licht gewordenen Wald zurückkehren. Der Stellvertreter des Kommandeurs mit dem Funknamen Gawriil (“Gabriel”) erklärt:
“Bis zum Gegner sind es ungefähr drei Kilometer. Etwas weiter vorne ist unsere Infanterie, dann kommt die ‘Grauzone’. Dahinter sitzen auf den Hügeln um Sewersk ukrainische Soldaten. Wegen der Beschaffenheit des Geländes haben sie hier einen Vorteil – sowohl bei der Kommunikation, als auch beim Einsatz von radiogesteuerten Drohnen, für die die Höhe sehr wichtig ist.”
Die Schutzkuppel
Indessen bauen zwei Kämpfer die Ausrüstung auf – zwei unauffällige Köfferchen mit Antennen. Sie schließen das Kabel an und tarnen alles im Gras. Aus der Luft ist es selbst mit einer hochwertigen Kamera schwer zu erkennen. Gawriil fährt fort:
“Wir müssen einen Abschnitt von einigen hundert Quadratmetern Fläche abdecken und das Vorrücken der Verbände absichern, die Sewersk einkesseln. Zu dem im Voraus abgestimmten Zeitpunkt werden wir die Eloka-Anlage einschalten und sie erst wieder ausschalten, wenn wir einen weiteren Stützpunkt besetzen. In der Regel arbeiten wir stationär, doch manchmal rücken wir gemeinsam mit den Stoßtrupps mit einem Eloka-Satz im Ranzen aus.”
Somit neutralisieren die Kämpfer der zweiten Kompanie zumindest vorübergehend die Hauptbedrohung aus der Luft – ukrainische FPV-Drohnen. Starower erklärt:
“Ihre Operatoren nutzen gleich mehrere Frequenzen, und wechseln zwischen ihnen direkt im Flug. Deswegen arbeiten wir mit einer kuppelförmigen Eloka. Vor glasfaserkabelgesteuerten Drohnen schützt eine Flinte oder ein Sturmgewehr.”
Der Detektor warnt, dass sich eine Kamikazedrohne rasch nähert. In der Nähe ist erwartungsgemäß ein Knattern zu hören – Soldaten des Stoßtrupps versuchen, den “Gast” mit ihren Sturmgewehren abzuschießen.
Die Freiwilligen schalten das gerade erst aufgebaute Eloka-System ein. Der Operator versteckt sich in einem Unterstand, drückt einen Knopf, das Signal wird über Kabel zu den im Gebüsch versteckten Köfferchen übertragen. Nach einigen Sekunden wird der Detektor still.
Die Straße des Lebens
An einem anderen Teil des Sewersker Frontabschnitts sichern Starowers Kämpfer das Vorrücken von schweren Fahrzeugen, das Heranbringen von Munition und Lebensmitteln sowie die Rotation von Truppen ab. Auf dem Weg zu der Stellung erzählt Gawriil:
“Wir decken eine wichtige Transportader. Noch vor einem Jahr war es unmöglich, hier durchzukommen, die Kämpfer schleppten die ganze Ausrüstung auf dem eigenen Buckel über mehrere Kilometer. Jetzt ist es etwas leichter, doch ukrainische Soldaten schießen weiterhin aus Mörsern und Artillerie und setzen natürlich Drohnen ein. Manchmal kommen Sabotagetrupps und legen Fallen, unter anderem mit deutschen Panzerabwehrminen. Vor Kurzem haben unsere Kampfingenieure zwei solche ‘Geschenke’ entschärft.”
Der stellvertretende Kompaniekommandeur parkt geschickt im Schatten der Bäume neben einem ausgebrannten Geländewagen, der auf eine aus der Luft abgeworfene Mine gefahren ist. Vor dem halb zerstörten Einfamilienhaus werden die Kämpfer freudig von einem hinkenden Hund namens Tobik empfangen. Gawriil erklärt:
“Anscheinend ist jemand von den Einheimischen weggefahren und hat ihn hiergelassen, also kümmern wir uns um ihn. Vor Kurzem trat er auf eine Mine und verletzte sich am rechten Hinterbein. Die Wunde ist verheilt, aber jetzt hinkt er.”
In einem tiefen Keller leuchten mehrere Bildschirme, die Bilder aus der Luft übertragen. Die Operatoren sind bereit, jederzeit vor nahender Gefahr zu warnen. Der stellvertretende Kompaniekommandeur sagt:
“Das ist eine Abwehranlage für FPV-Drohnen vom Typ Sowa (‘Eule’). So fangen wir ihre Übertragung ab. Entsprechend verstehen wir, wohin das Vögelchen fliegt und können Gegenmaßnahmen ergreifen: die Kämpfer auf ihren Stellungen oder ihrem Weg warnen, oder die Eloka-Anlage an einem bestimmten Abschnitt einschalten.”
Die “Eule” fängt die Übertragung einer ukrainischen FPV-Drohne auf Zielsuche ab. Der am Bildschirm sitzende Kämpfer übermittelt die Koordinaten gleich an eine Eloka-Besatzung, die sich im Wirkungsbereich der Drohne befindet. Nach einigen Minuten beginnt das ohnehin schlechte Bild zu flimmern und verschwindet dann ganz – der moderne “Schild” hat erneut jemandem das Leben gerettet.
Unterdessen läuft der Vormarsch der russischen Armee am Frontabschnitt Donezk weiter. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums haben Kämpfer des Truppenverbands Süd drei ukrainische mechanisierte Brigaden und zwei Territorialverteidigungsbrigaden angegriffen, darunter auch im Umland von Sewersk.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 30. September bei “RIA Nowosti”.
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