In einem ausführlichen Beitrag auf den NachDenkSeiten zeichnet die Journalistin Karin Leukefeld die Argumentation des Auswärtigen Amtes zu Syrien nach. Schon vor dem Erdbeben lagen dem Auswärtigen Amt verlässliche Berichte über die verheerenden Auswirkungen des Sanktionsregimes auf die Zivilbevölkerung vor. Das Auswärtige Amt weigert sich, diese Berichte angemessen zu würdigen und die Sanktionspolitik zu hinterfragen. Es leugnet beispielsweise einen Bericht der UN-Sonderberichterstatterin für die Auswirkungen einseitiger Maßnahmen, Alena Douhan, der zu dem Schluss kommt, dass die Auswirkungen der Sanktionen einem Kriegsverbrechen gleichkämen.
Das Auswärtige Amt stellt die vor Ort gewonnene Erkenntnis der Sonderberichterstatterin infrage, zieht ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel und sieht die Schuld für das Elend der syrischen Bevölkerung einzig aufseiten des “Assad-Regimes”.
Dabei decken sich die Schilderungen der UN-Sonderberichterstatterin mit den Eindrücken, die auch Leukefeld auf ihren Reisen in Syrien gewinnt. Die Argumentation des Auswärtigen Amtes wirkt daher wenig glaubwürdig und getragen von Zynismus.
Jetzt, nach dem Erdbeben, fordert das Auswärtige Amt die Öffnung eines Grenzübergangs zur Türkei, der unter Kontrolle islamistischer Kräfte steht. Die Forderung wirkt politisch motiviert und gegen die rechtmäßige Regierung in Damaskus gerichtet. Die bisherigen Hilfen der Bundesrepublik für Syrien kommen vor allem einseitig dem Nordwesten des Landes zugute.
Leukefeld schreibt in diesem Zusammenhang:
“Die Bundesregierung, die sich immer wieder rühmt, dass Deutschland zweitgrößter Geber für die notleidende syrische Bevölkerung sei, sucht sich mit den Menschen im Nordwesten Syriens diejenigen aus, denen Hilfe zuteilwerden soll. Die syrischen Opfer – allein in Aleppo sind mehr als 100.000 Menschen obdachlos geworden – werden gespalten. Die Not wird benutzt, um den politischen Druck auf die syrische Regierung zu verschärfen.”
Dabei sind Hilfslieferungen auch ohne die Öffnung des besagten Grenzübergangs möglich, wie Leukefeld nachweist. Unmittelbar nach dem Erdbeben begannen sowohl der Libanon als auch Iran mit Unterstützungsleistungen. Über die intakten Flughäfen des Landes kommen zudem Hilfsgüter und Helfer an, schreibt Leukefeld:
“Am Mittwoch landeten Flugzeuge aus Indien, Irak und Algerien mit Helfern, Suchtrupps und Hilfsgütern auf den Flughäfen von Damaskus und Latakia. Hilfsgüter kamen auch aus Ägypten und Jordanien per Flugzeug an. Der Oman kündigte eine Luftbrücke an, auch Armenien sagte Hilfe zu. Die Vereinigten Arabischen Emirate wollen ein Feldlazarett errichten und ein Rettungsteam schicken. Russland sandte Rettungsteams, die halfen, Überlebende und Tote in Aleppo zu bergen.”
Das zeigt, dass die Bundesregierung das Erbeben zu politischen Zwecken instrumentalisieren will. Die syrische Bevölkerung nimmt das sehr wohl zur Kenntnis und ist bitter enttäuscht, wie Leukefeld schreibt. Die Journalistin lässt syrische Stimmen zu Wort kommen, die einen Glaubwürdigkeitsverlust Deutschlands vor allem hinsichtlich des eigenen moralischen Anspruchs deutlich machen.
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