Von Pjotr Akopow
Ist der Dritte Weltkrieg unvermeidlich? Im Westen hält die Mehrheit einen Weltkrieg in den nächsten fünf bis zehn Jahren für sehr wahrscheinlich – das geht aus einer Meinungsumfrage von YouGov hervor.
Von den sechs westlichen Ländern, in denen die Umfrage durchgeführt wurde, ist in vier (USA, Frankreich, Italien, Spanien) eine Mehrheit davon überzeugt. Nur in zwei Ländern (Großbritannien und Deutschland) liegt die Zahl der Pessimisten gleichauf mit der der Optimisten, ohne sie jedoch zu übertreffen. Dabei glaubt überall die absolute Mehrheit, dass ein Weltkrieg nuklear verlaufen und ihre Länder darin verwickelt sein würden.
Gleichzeitig hält die absolute Mehrheit in vier Ländern ihre Armeen für unfähig, ihnen Schutz zu bieten. Nur in Amerika sieht es genau umgekehrt aus, und die Franzosen sind in dieser Frage in zwei fast gleichgroße Lager gespalten. Das Umfrageergebnis ist zugegebenermaßen überraschend – es ist eine seltene Kombination aus Pessimismus und Hoffnungslosigkeit: Zwischen einem Viertel und 44 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die Mehrheit der Weltbevölkerung in diesem Krieg ums Leben kommen wird. Für uns liegt die wichtigste Erkenntnis dieser Umfrage jedoch eine andere.
Westeuropäer wurden gefragt, was die größte Bedrohung für den Frieden in Europa darstellt. Auch wenn es keinen direkten Zusammenhang mit der Frage nach einem Dritten Weltkrieg gab, ist der Kontext dennoch klar. Dass Russland von der Mehrheit genannt wurde, ist nicht überraschend – auch wenn die Antwort in Form einer Option “Spannungen zwischen Europa und Russland” formuliert wurde. Die Propaganda zeigt ihre Wirkung. Dass Russland nicht nur eine Bedrohung für den europäischen Frieden sei, sondern ihn bereits verletzt habe, wird bereits seit drei Jahren behauptet – begleitet von Diskussionen darüber, wann unser Land zu einem Angriff auf die NATO bereit sein werde: in fünf Jahren, in drei Jahren oder noch früher?
Die geringste Anzahl derjenigen, die “Russland als Auslöser” betrachten, gibt es derzeit in den USA – “nur” 69 Prozent. Den höchsten Anteil gibt es in Großbritannien – 82 Prozent. Das ist nicht überraschend, denn dieser Inselstaat nutzte schon immer (oder provozierte sogar) europäische Konflikte, um seine Ziele zu erreichen. Und dann beschuldigte er andere, Kriege angezettelt zu haben. In den kontinentaleuropäischen Ländern stellen ebenfalls mehr als 70 Prozent die “Spannungen mit Russland” an erste Stelle.
An zweiter Stelle folgt jedoch mit geringem Abstand der “islamistische Terrorismus” – eine Angst, an die Europa sich bereits gewöhnt hat. Neu hinzugekommen ist ein dritter Angstfaktor: die angespannten Beziehungen zu den USA. Zwar gilt Amerika schon seit Jahrzehnten als Bedrohung für die europäische Sicherheit, doch betraf dies bislang nur einige Länder, beispielsweise Deutschland. Heute teilen diese Ansicht nicht nur die Deutschen, sondern auch mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Frankreich, Spanien und, in geringerem Maße, Italien. Das bedeutet, dass zusätzlich zur Angst vor Russland die Angst vor den USA zugenommen hat, und wenn man noch das Bild des “inneren Feindes” hinzufügt (denn was sonst ist “islamistischer Terrorismus”?), dann gibt es in Europa wirklich nichts zu beneiden.
Lassen wir die Ursachen aller Ängste Europas beiseite und betrachten wir die wichtigste, die mit Russland zusammenhängt. Russophobie hat im Westen tiefe Wurzeln, die von religiösen bis zu geopolitischen Motiven reichen. Für die Europäer sind wir – wenn die Emotionen ihren Höhepunkt erreichen – “gefährliche, aggressive Barbaren aus dem Osten”. “Die Russen werden kommen und euch alles wegnehmen” – damit werden die Europäer schon seit mehreren Jahrhunderten erschreckt (besonders aktiv sind dabei die Angelsachsen, die sich selbst nicht als Europäer betrachten). Und die Europäer glauben daran – schließlich gibt es dafür Belege aus verschiedenen Jahrhunderten und sogar aus der jüngsten Vergangenheit: Noch ist kein halbes Jahrhundert vergangen, seit Osteuropa wieder unter westliche Herrschaft gebracht wurde. In der europäischen Vorstellung erscheint diese Sichtweise schlüssig – bis auf eine Nuance.
Der Einzug der Russen nach Europa kam als Gegenreaktion auf den Besuch ungebetener Gäste in ihrem eigenen Haus. Während wir uns unter Peter dem Großen noch auf die Verteidigung und Streitigkeiten zwischen den Slawen beschränkten (wobei Polen gleichzeitig die Rolle Europas spielte), wurden wir später in die europäischen Konfliktherde hineingezogen. Wir wurden Teil des europäischen Schauplatzes von dynastischen und militärischen Machtkämpfen – mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Die Annexion der deutsch beeinflussten baltischen Staaten sowie die Teilung Polens zwischen uns und zwei deutschen Monarchien waren keine Aggression Russlands, sondern eine logische Folge der immer intensiveren Interaktion und Vertiefung der Beziehungen zwischen den beiden größten europäischen Völkern (den Russen und den Deutschen).
Aber sobald Europa begann, nach Vereinigung zu streben, erklärte es uns sofort zu seiner größten Herausforderung, was es jedes Mal zu den Gedanken veranlasste, Russland besiegen zu müssen. Napoleon, Hitler, jetzt die Europäische Union – ja, die ersten beiden kamen mit dem Schwert zu uns, und der Dritte nutzte die Spaltung unseres Landes aus, aber das ändert nichts: Jedes Mal dringt Europa in unser Haus ein und schreit, dass es nur die “russische Aggression” verhindern wolle. Das Ende ist jedes Mal dasselbe.
Doch die Russen selbst hatten nie Anspruch auf europäische Gebiete erhoben – es war die EU, die nun die Ukraine, also den westlichen Teil des historischen Russlands, zu Europa erklärte. Der geopolitische Aggressor war und ist der Westen – er war es, der die “Spannungen mit Russland” schürte, aus denen nun die Angst vor einem Atomkrieg resultiert. In einem solchen Krieg könnte sich Europa weder verteidigen noch könnte es siegen, setzt aber dennoch hartnäckig auf dieses Spiel und klammert sich an den westlichen Rand der “russischen Welt” fest.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 8. Mai 2025 zuerst bei RIA Nowosti erschienen.
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