Seit Montag darf in der Europäischen Union Mehlwurmpulver in Lebensmitteln wie Brot, Kuchen und Käseprodukten bis zu einem Anteil von vier Prozent verwendet werden.
Neben dem hohen Proteingehalt im Unterschied zu herkömmlichen Mehl soll das Mehlwurmpulver seinen herkömmlichen pflanzlichen Konkurrenten durch einen hohen Vitamin-D-Gehalt überlegen sein. Dieser entsteht demnach durch UV-Bestrahlung des Pulvers, das aus den Larven des Mehlkäfers (Tenebrio molitor) gewonnen wird.
Das französische Unternehmen Nutri’Earth hat in den nächsten fünf Jahren das alleinige Vertriebsrecht für das Mehlwurmpulver in der EU und verfügt somit über ein Monopol. Was vor dem Hintergrund eines möglichen Lobbyisten-Einflusses ein gewisses Geschmäckle hat, wie der Schwabe sagen würde.
Nutri’Earth bewirbt sein Pulver als weltweit einzige natürliche und nachhaltige Vitamin-D3-Quelle. Dem widerspricht Markus Herrmann vom Klinischen Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik der MedUni Graz. Mit Vitamin D3 angereicherte Lebensmittel durch UV-Bestrahlung seien längst etabliert. So würden Zuchtpilze wie Champignons bereits seit Jahren künstlichem UV-Licht ausgesetzt.
“Auch hier handelt es sich lediglich um eine Ergänzung, von einer echten Supplementierung kann keine Rede sein”, so Herrmann gegenüber der österreichischen Nachrichtenplattform Kurier.
Zudem lässt sich der Vitamin-D-Bedarf nur in begrenztem Maße über die Nahrung decken. Besonders fettreiche Fische wie Lachs oder Hering sind reichhaltige Quellen für das Vitamin, das der menschliche Körper selbst durch Sonneneinstrahlung produziert.
“Tatsächlich werden über die übliche Ernährung jedoch nur etwa 2 bis 4 Mikrogramm aufgenommen. Besonders in den Wintermonaten oder bei Menschen mit geringer Sonnenlichtexposition kann daher eine gezielte Supplementierung sinnvoll sein”, heißt es seitens der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (ÖGE).
Gefahr allergischer Reaktion
Neben zweifelhaften gesundheitlichen Vorteilen birgt das Mehlwurmpulver auch Risiken. Wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) feststellte, kann der Verzehr von Mehlwurmpulver allergische Reaktionen bei Menschen auslösen, die gegen Krebs- oder Weichtiere sowie Hausstaubmilben allergisch sind.
Zudem bestehe das Risiko, dass Allergene aus dem Futter der Insekten in das Endprodukt gelangen. Die Behörde empfiehlt daher, die “Allergenität von Mehlwurmpulver weiter zu erforschen, um potenzielle Gefahren besser einschätzen zu können.” Auf Produkten, die Mehlwurmpulver enthalten, muss daher ein Hinweis auf mögliche allergische Reaktionen angebracht werden.
Insekten bereits seit vier Jahren in der EU “genießbar”
Bereits vier Insekten sind in der EU seit 2021 als Lebensmittel zugelassen, die zumeist in pulverisierter Form Nahrungsmitteln zugesetzt werden. Wanderheuschrecken, Hausgrillen, gelbe Mehlwürmer und Larven des Getreideschimmelkäfers können nun auf den Tellern der Verbraucher landen. Die Palette an Lebensmitteln, bei denen das der Fall sein kann, ist lang: von Backwaren, Käse, Nudeln und Pizza über Müsli und Fleischprodukte bis hin zu Chips und Schokolade.
Wer weiterhin etwa sein Brot in veganer Form konsumieren will, muss sich die Zutatenliste aufmerksam durchlesen. Denn Insekten sind grundsätzlich kennzeichnungspflichtig, wobei sowohl der lateinische als auch der landessprachliche Namen der Kerbtiere aufgeführt werden muss. Zudem muss angegeben werden, in welche Form das Insekt in dem Produkt verwendet wurde.
Für Verbraucher, die sich nicht durch Zutatenlisten wühlen und es bequemer haben wollen, gibt es bereits eine Handy-App, mit der sich die Produkte auf Insekten-Befall scannen lassen können – wie folgendes Video zeigt.
Die neue EU-Verordnung zur Freigabe von Mehlwurmpulver in Lebensmitteln reiht sich ein in eine seit Jahren laufende Kampagne, den Europäern Insekten schmackhaft zu machen. Begründet wird das mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz, da Insekten als Protein-Quelle nicht nur kostengünstiger seien als herkömmliche Nutztiere wie Schweine, Rinder oder Geflügel, sondern auch weniger Treibhausgase produzieren.
Kritiker bemängeln, dass die Verbraucher im Namen einer “nachhaltigen Lösung” unfreiwillig als Versuchskaninchen dienen und ihnen Essgewohnheiten aufgezwungen werden sollen, die ihrer traditionellen Esskultur widersprechen.
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