Ein Skandal erschüttert aktuell Armenien: Ein armenischer Politiker, immerhin vor einiger Zeit Sprecher des armenischen Verteidigungsministeriums und nach wie vor hochrangiger Offizier der armenischen Streitkräfte, hat im örtlichen öffentlich-rechtlichen Fernsehen die These verkündet, dass der Sieg Nazideutschlands im Zweiten Weltkrieg allgemein und in der Schlacht von Stalingrad im Besonderen für Armenien und die Armenier “nützlich” und wünschenswert gewesen wäre.
Laut Artsrun Howhannisjan, wie der Hitler-Apologet heißt, habe die Niederlage in der Schlacht von Stalingrad Deutschland daran gehindert, “Armenien von der Sowjetunion zu befreien” und zusammen mit “armenischen Legionen” in die Türkei einzumarschieren und damit ein geeintes Armenien zu schaffen.
O-Ton Howhannisjan, der in Militäruniform im Studio seine Sicht auf den Zweiten Weltkrieg referierte:
“Einer der schwersten und für uns interessantesten Mythen [über den Zweiten Weltkrieg] ist, dass die Schlacht von Stalingrad angeblich Armenien vor der türkischen Invasion gerettet hat. […] Deutschland hatte einen Plan namens ‘Unternehmen Gertrud’, nach dem angenommen wurde, dass, wenn Deutschland nach Stalingrad in den Kaukasus einmarschiert und ihn erobert, bestimmte Divisionen und Bodentruppen, einschließlich derer aus dem unabhängigen Armenien, von dort und von Bulgarien aus [in die Türkei] einmarschieren würden. Armenische Legionen unter der Führung von Garegin Nschdeh und Drastamat Kanajan, die mit Nazideutschland zusammenarbeiteten, um armenische Legionen aus armenischen Kriegsgefangenen zu schaffen… Wenn dies geschehen wäre, wären die Deutschen aus Armenien und Bulgarien in die Türkei eingedrungen und hätten sie erobert, und dieses Programm sah auch die Schaffung eines vereinten historischen Armeniens vor.”
Auf den Einwand des Moderators, dass die Türkei ein Verbündeter Deutschlands war, entgegnete Howhannisjan, dass es zwar tatsächlich einen Nichtangriffspakt zwischen Hitlerdeutschland und der Türkei gab, welcher Letztere zur Neutralität und zu Rohstofflieferungen verpflichtete, Hitler aber mit Ankara gehadert habe, weil die Türkei über keine Kräfte verfügte, um die Sowjetunion im Kaukasus anzugreifen.
Mitglieder des armenischen Parlaments forderten inzwischen als Reaktion auf die Hitler-Weißwaschung die lokale Generalstaatsanwaltschaft auf, die Äußerung von Howhannisjan rechtlich zu bewerten. Ihrer Meinung nach verzerren solche Äußerungen die Geschichte und dienen als Versuch, Nazideutschland zu rechtfertigen.
Armenische Politologen stellen fest, dass Howhannisjans Äußerung im staatlichen Fernsehsender ein weiterer Bestandteil der antirussischen Propaganda der armenischen Behörden ist. Kritisch äußerte sich beispielsweise der Politikwissenschaftler Artur Chatschikjan:
“Offen gesagt ist es ziemlich seltsam, dass ein solches Thema ausgerechnet in den Tagen des 80. Jahrestages des Sieges angesprochen wird. Zunächst einmal ist dies eine der Komponenten der antirussischen Propaganda. Das Ziel ist es, die historische Erinnerung mit allen Mitteln auszulöschen. Wir sollen vergessen, dass die Russen unsere Brüder sind, dass wir brüderliche Völker sind. Man will uns die Erinnerung an den Völkermord und Stalingrad nehmen, man will uns unseren Sieg nehmen. Denn es ist der Sieg unseres Volkes. Der Krieg hat 300.000 Armeniern das Leben gekostet.”
Planspiele mit der Bezeichnung “Unternehmen Gertrud” hat es im Generalstab der deutschen Wehrmacht im Jahr 1942 tatsächlich gegeben, da Hitler einen Seitenwechsel der Türkei befürchtete. Diese Planung kam ihm nach Darstellung einiger Historiker im Sommer des Jahres, anderen Angaben zufolge aber bereits Anfang 1941 in den Sinn, ging jedoch offensichtlich nie über höchst theoretische Ausarbeitungen hinaus. Pläne Hitlers im Zusammenhang mit einem “Großarmenien” sind hingegen nicht überliefert: Wahrscheinlich handelt es sich dabei um Wunschdenken der armenisch-nationalistischen Kollaboranten.
Garegin Nschdeh, den Howhannisjan neben anderen armenischen Nazis und Hitler-Kollaborateuren erwähnt, wird von einem Teil der Armenier in der Tat als “Befreiungskämpfer” verehrt. Die Situation ist in diesem Punkt der Bandera-Verehrung in der Ukraine nicht unähnlich.
Während des Zweiten Weltkriegs versuchte Nschdeh, um Unterstützung für das Deutsche Reich in der armenischen Diaspora zu werben. Dabei betonte er gegenüber deutschen Stellen die indogermanische Herkunft der Armenier, um sie als “arisch” und nicht als “semitisch” darzustellen – ein Argument, das innerhalb der NS-Führung genutzt wurde, um die Armenier von rassischer Diskriminierung auszunehmen. Dies führte dazu, dass ab 1942 sowjetische Kriegsgefangene armenischer Herkunft der Armenischen Legion beitreten konnten. Gerichtsfest erwiesen ist, dass Nschdeh mehrmals Reden vor armenischen Kriegsgefangenen gehalten hat, in denen er zum bewaffneten Kampf gegen die Sowjetunion aufrief und dabei gesagt haben soll: “Wer für Deutschland stirbt, stirbt auch für Armenien.”
Im Mai 2016 wurde im Zentrum der armenischen Hauptstadt Jerewan ein Denkmal zu seinen Ehren errichtet. Russland protestierte damals vergeblich dagegen.
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