Bei seinem Pressebriefing am Sonntag hat der georgische Premierminister Irakli Kobachidse die anhaltenden Proteste gegen seine Regierung verurteilt. Nachdem die Bereitschaftspolizei in der vergangenen Nacht den dritten Tag in Folge eine Protestdemo in der Hauptstadt Tiflis mit Tränengas und Wasserwerfern aufgelöst hatte, dankte der Politiker den Sicherheitskräften für ihre Geduld. Der Einsatz sei nach höchsten Standards verlaufen. Seinen Gegnern warf er Gewalt gegen die Polizei vor.
“Die Protestierenden haben die Polizeibeamten absichtlich provoziert. Sie haben sehr schwere Gewalt angewendet – einschließlich der Versuche, das Parlamentsgebäude zu stürmen.”
Kobachidse bemängelte die bislang ausbleibende Verurteilung der systematischen Gewalt gegen die Sicherheitskräfte durch die EU. Dies unterminiere das Vertrauen des georgischen Volkes in die EU-Institutionen. Zugleich versprach der Politiker die Aufklärung jener Fälle, in denen Polizeibeamte ihre Befugnisse überschritten haben sollen.
Am Samstagabend waren Tausende Georgier in Tiflis auf die Straße gegangen, um gegen den weiteren Aufschub der EU-Beitrittsverhandlungen zu protestieren. Vor dem Parlament schwenkten sie Fahnen ihres Landes und der EU. Zudem errichteten sie Barrikaden und legten Feuer. Einige Demonstranten blendeten die Bereitschaftspolizei mit Laserpointern. In den sozialen Medien verbreitete sich ein Video, in dem zu sehen ist, wie Randalierer Polizeibeamte mit Feuerwerkskörpern beschießen, wofür sie eine Art selbst gebastelten Raketenwerfer einsetzten.
💥Los manifestantes están indignados por la decisión del Gobierno de congelar hasta 2028 las negociaciones para adherirse a la UE pic.twitter.com/TqZHoKtH4f
— Sepa Más (@Sepa_mass) November 30, 2024
Ferner warf Kobachidse Brüssel Ungerechtigkeit gegenüber Georgien vor. Diese zeige sich unter anderem darin, dass die EU-Institutionen die im Oktober in der südkaukasischen Republik durchgeführte Parlamentswahl trotz eines positiven Gutachtens des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bislang nicht offiziell anerkannt hätten. Außerdem verbreite die EU Lügen, wonach Tiflis den Beitrittsprozess auf Eis gelegt habe.
“Ich will dem EU-Botschafter Paweł Herczyński sagen: Legen Sie das Dokument für den Beginn der Verhandlungen über Georgiens Mitgliedschaft in der EU auf den Tisch – und ich werde es heute noch unterzeichnen.”
Der Premierminister kommentierte auch die Entscheidung der USA, die strategische Partnerschaft mit Georgien wegen der “exzessiven Gewalt” gegen Protestierende zu suspendieren.
“Die scheidende US-Regierung will der neuen US-Regierung ein schweres Erbe hinterlassen. Dies wird nicht nur in Bezug auf Georgien getan, sondern auch in Bezug auf die Ukraine.”
Der Beschluss der USA spiele allerdings keine grundsätzliche Rolle, da er nur vorübergehend sei. Die georgische Regierung werde nach dem Amtsantritt von Donald Trump über alle bilateralen Angelegenheiten sprechen, kündigte Kobachidse an.
Auch auf die Ankündigung der georgischen Präsidentin Salome Surabischwili, dass sie das neue Parlament für illegitim halte und trotz der für den 14. Dezember anberaumten Präsidentenwahl weiterhin im Amt bleiben werde, reagierte der Premier gelassen.
“Ich kann ihren emotionalen Zustand nachvollziehen, aber sie wird natürlich am 29. Dezember ihre Residenz verlassen und dieses Gebäude dem legitim gewählten Staatsoberhaupt überlassen müssen.”
Im Einklang mit dem im Jahr 2017 beschlossenen Wahlverfahren soll das Staatsoberhaupt erstmals nicht mehr direkt vom Volk, sondern von einer 300-köpfigen Wahlversammlung aus 150 Parlamentsabgeordneten sowie Regionalvertretern bestimmt werden.
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