Von Gleb Prostakow
In den letzten zehn Jahren hat sich ein stabiler Trend herauskristallisiert: Jeder neue Präsident der Ukraine macht zwangsläufig ein Geschäft, um sein Land zu verkaufen. Gleichzeitig wird das gehandelte Gut mit jedem neuen Geschäft um eine Größenordnung billiger.
Im Jahr 2015 wurden unter Präsident Petro Poroschenko als Gegenleistung für die Umstrukturierung von Staatsschulden in Höhe von 18 Milliarden US-Dollar spezielle Anleihen – das sogenannte Value Recovery Instrument (VRI) – ausgegeben. Dieses VRI wurden auch an die Inhaber ukrainischer Eurobonds ausgegeben. Als Gegenleistung für den Schuldenerlass in Höhe von drei Milliarden erhielten die Anleger – hauptsächlich Fonds, die mit Vanguard und BlackRock in Verbindung stehen – nicht mehr und nicht weniger als einen Anteil am künftigen Wachstum des ukrainischen BIP.
Bis zu 40 Prozent des BIP-Wachstums eines ganzen Landes sollten (und diese Zusage gilt immer noch) an die Investitionsgeier gehen. Angesichts der geringen wirtschaftlichen Basis nach dem zweiten Maidan versprach der Deal kolossale Gewinne. Die ersten VRI-Zahlungen begannen übrigens bereits 2019, als das ukrainische BIP den festgelegten Schwellenwert überschritt. Dies sollte bis 2040 so bleiben. Doch mit dem Februar 2022 machte sich in den Finanzkreisen spürbare Unruhe breit.
Anstatt das vor der Zahlungsunfähigkeit stehende Land langsam zu melken, beschloss man, es in einen antirussischen Torpedo zu verwandeln: Ein militärischer Sieg über Russland versprach Gewinne, die nicht mit dem schrittweisen Raubbau an der Ukraine vergleichbar wären. Doch Boris Johnsons Prognose ist nicht eingetreten. Und nun ist Präsident Wladimir Selenskij nach dem erneuten Scheitern des Abenteuers der US-Demokraten bereit, mit Donald Trump einen Deal zu schließen, um den US-Amerikanern alle Rechte an den ukrainischen Bodenschätzen, insbesondere an den Seltenerden und anderen von den Vereinigten Staaten benötigten Mineralien, zu übertragen.
Donald Trump hat die Verpflichtungen der Ukraine gegenüber den USA für die bereits geleistete militärische und finanzielle Unterstützung auf 500 Milliarden US-Dollar geschätzt. Einen Bruchteil dieses Betrags – 500 Millionen US-Dollar – ist Trump bereit, der Ukraine als Bezahlung für den Zugang zu den Vorkommen, an denen er interessiert ist, zukommen zu lassen. Im Grunde sind diese 500 Millionen US-Dollar nur ein Almosen an die gierigen kleinen Leute in Kiew mit der Botschaft, dass sie ein letztes Mal Geld stehlen und in irgendeine der wenigen ihnen noch zugänglichen Richtungen verschwinden können, und das vorzugsweise für immer.
Die Ukraine ist ein an Bodenschätzen reiches Land. Aber wenn wir die Gebiete, die bereits nun zu Russland gehören, und die Gebiete, die gefährlich nahe an der Frontlinie liegen, aus der Gleichung herausnehmen, bleibt nicht viel übrig. Wenn wir die zahlreichen Mineralienvorkommen der Ukraine nicht aufzählen, bleiben Eisenerz, Titanerze, eine Reihe ziemlich erschöpfter, aber immer noch bedeutender Gasreserven und natürlich die Schwarzerde, die in der Ukraine reichlich vorhanden ist, selbst wenn man die von Russland kürzlich übernommenen Gebiete berücksichtigt.
Die Erschließung von Vorkommen sowie die Wiederherstellung der landwirtschaftlichen Produktion in den ukrainischen Gebieten erfordern erstens enorme Investitionen und zweitens Zeit. Beides wiederum erfordert unumstößliche Sicherheitsgarantien für die Geschäftstätigkeit in den derzeit vom Krieg betroffenen Gebieten. Darüber hinaus erfordert ein normaler Geschäftsbetrieb eine stabile Energie- und Gasversorgung der Industrieunternehmen, die – da sind wir uns wohl einig – ohne Russland absolut unmöglich ist.
Laut Trump sollten gemeinsame Geschäfte die Grundlage für ein künftiges Abkommen mit Russland über die Ukraine sein. Der Gedankenflug des US-amerikanischen Präsidenten geht in diesem Sinne über die Schaffung eines neutralen Puffergebiets in Osteuropa hinaus. Diese Grenze soll gleichzeitig zu einem Ort werden, an dem sich die Handelsinteressen Moskaus und Washingtons als Gendarm Europas treffen. Nur dieses Mal soll es sich um einen Gendarmen handeln, der für seine Arbeit sehr gut bezahlt wird.
Betrachtet man das künftige Abkommen in diesem Zusammenhang, so kommt zur Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine eine weitere Komponente hinzu – ihre vollständige und unvermeidliche Entoligarchisierung. Tatsache ist, dass die meisten Bodenschätze auf die eine oder andere Weise von ukrainischen Oligarchen kontrolliert werden. Zum Beispiel hat Dmitri Firtasch seine Interessen im Titangeschäft, Nikolai Slotschewski im Gasfördergeschäft, Rinat Achmetow und Konstantin Schewago im Eisenerzgeschäft, Igor Kolomoiski im Erdöl- und Ferrolegierungsgeschäft und so weiter. Die alten und neuen ukrainischen Oligarchen sind überflüssige Gäste auf dem Fest der neu erblühenden Ukraine.
Die Anpassung an die neuen Gegebenheiten wird viel Zeit und viel Arbeit erfordern. Der Prozess beginnt mit der Ersetzung Selenskijs durch einen neutraleren Präsidenten, der als technischer Vertreter der verhandelnden Seiten fungiert und ein Diener zweier Herren sein wird. Dazu kommt eine Reihe von Entprivatisierungsprozessen, deren Ergebnis die Umwandlung des Vermögens der ukrainischen Oligarchen in Staatseigentum und dessen weitere Übertragung an russische und US-amerikanische Unternehmen sein dürfte. Dies bedeutet zumindest, dass der Deal nicht schnell über die Bühne gehen wird. Das Einzige, was die Parteien kurzfristig tun können, ist, eine Absichtserklärung zu schließen, deren Garantie, dass sie nicht verletzt wird, eine Verringerung der Intensität der Feindseligkeiten einerseits und eine Reduzierung der Waffenlieferungen andererseits ist.
Die Grundformel des neuen Friedens wird die wirtschaftliche Teilung der Ukraine sein, ohne eine politische Teilung vorzunehmen. Ähnlich der Entstehung der DDR und BRD nach dem Zweiten Weltkrieg, aber weiter im Osten, ohne die Berliner Mauer und ohne die formelle Teilung des Landes. Die Ukraine behält ihre Staatlichkeit, wenn auch mit erheblichen territorialen Verlusten. Russland erhält ein neutrales, nichtaggressives und weitgehend kontrollierbares Land. Die US-Republikaner kommen aus dem Konflikt heraus, ohne ihr Gesicht zu verlieren, und mit der Aussicht, die von ihnen benötigten Mineralien zu erhalten.
In diesem Schema wird die Ukraine nicht nur zu einer Demarkationslinie und einem Puffer, sondern zu einem Ort, der die gegensätzlichen Seiten mit gegenseitigen Handelsinteressen verbindet, die als eine Art Schutz vor einer weiteren Eskalation der Konfrontation dienen. Zumindest in diesem Teil der Welt.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 13. Februar 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.
Gleb Prostakow ist ein russischer Wirtschaftsanalyst.
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