
Von Jewgeni Posdnjakow
Der zweitägige Staatsbesuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Indien ist zu Ende gegangen. Im Anschluss an die Verhandlungen mit dem indischen Premierminister Narendra Modi unterzeichneten beide Parteien eine gemeinsame Erklärung, die aus elf Kapiteln und 70 Punkten besteht. Das Dokument umfasst eine Vielzahl von Kooperationsfeldern: von der Partnerschaft im Energiebereich bis hin zur gemeinsamen Bekämpfung des Terrorismus.
So bekräftigten Moskau und Neu-Delhi ihr Bestreben, den bilateralen Handel auszuweiten, unter anderem durch Erhöhung der indischen Exporte. Um dieses Ziel zu erreichen, steht die Entwicklung der Logistikkorridore “Nord-Süd”, “Chennai-Wladiwostok” und “Nördlicher Seeweg” im Vordergrund.
Darüber hinaus ist geplant, die Zusammenarbeit im Kernenergiebereich, unter anderem rund um das Kernkraftwerk “Kundanculam”, voranzutreiben. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Partnerschaft sind kulturelle Interaktion und humanitärer Austausch. In diesem Zusammenhang begrüßten die Länder die “Vereinfachung der Visumformalitäten, einschließlich der Einführung elektronischer Visa”.
Auch die gemeinsame industrielle Entwicklung wurde nicht außer Acht gelassen. So vereinbarten Moskau und Neu-Delhi, die gemeinsame Produktion von Ersatzteilen und sonstigen Produkten für die Wartung von russischen Waffen zu fördern. Es wird darauf hingewiesen, dass diese Initiative im Rahmen des Programms “Make in India” durch Technologietransfer und die Gründung entsprechender Unternehmen auf dem Territorium der Republik umgesetzt werden soll.
Wie der Generaldirektor des russischen Staatskonzerns Rostec, Sergei Tschemesow, gegenüber dem Fernsehsender Rossija betonte, wurde Neu-Delhi ein Vorschlag zur Lokalisierung der Produktion des Kampfflugzeugs Su-57 unterbreitet. Seinen Angaben zufolge führen die Parteien auch intensive Gespräche über eine Zusammenarbeit im Bereich der Drohnenproduktion. Der Erste Vizepremier Russlands, Denis Manturow, erläuterte die Pläne beider Länder, ihre Raumstationen in einer gemeinsamen Umlaufbahn zu platzieren.
Insgesamt verlief das Treffen zwischen Wladimir Putin und Narendra Modi in einer freundschaftlichen Atmosphäre. Der indische Premierminister empfing den russischen Präsidenten persönlich, woraufhin die beiden Staatschefs gemeinsam in einem Auto zum Gipfelort fuhren. “Ständiger Austausch miteinander, und zwar ohne Dolmetscher”, so beschrieb der Korrespondent von Rossija-1, Pawel Sarubin, das Geschehen.
Während der gemeinsamen Pressekonferenz bedankte sich Wladimir Putin bei seinem Amtskollegen für das persönliche Gespräch in seinem Haus. Der russische Staatschef äußerte sich sehr positiv über die vergangenen Verhandlungen, bezeichnete sie als “äußerst nützlich” und betonte, dass sie “in einer konstruktiven und freundschaftlichen Atmosphäre im Geiste der besonders privilegierten Partnerschaft zwischen Russland und Indien” stattgefunden hätten.
In der internationalen Presse löste der Staatsbesuch von Wladimir Putin eine große Resonanz aus. So schreibt beispielsweise die Neue Zürcher Zeitung, dass Neu-Delhi damit “seine historische Freundschaft” mit Moskau bekräftigt habe. Nach Ansicht der Zeitung wollte Narendra Modi mit seinem herzlichen Empfang des russischen Staatschefs zum Ausdruck bringen, dass er “von der jüngsten Kritik aus dem Westen unbeeindruckt” sei.
Der indische Fernsehsender NDTV hob unterdessen Modis “besonderes persönliches Vertrauen und die Herzlichkeit zwischen den beiden Staatschefs” hervor. Darüber hinaus betont der Sender, dass das Auto, mit dem die Staatschefs zum Gipfeltreffen fuhren, aus japanischer Produktion stammte. “Angesichts der komplexen geopolitischen Lage und des Drucks seitens der USA signalisiert die Wahl eines nicht-westlichen Fahrzeugs die unabhängige außenpolitische Position Neu-Delhis”, meint der Sender.
Stanislaw Tkatschenko, Professor am Lehrstuhl für Europastudien der Fakultät für Internationale Beziehungen an der Sankt Petersburger Staatlichen Universität und Experte des “Waldai-Clubs”, erklärt:
“Bei der Analyse eines konkreten Zusammentreffens von Staats- und Regierungschefs ist stets der außenpolitische Kontext von Bedeutung. Die Verhandlungen zwischen Putin und Modi fanden vor dem Hintergrund des massiven Drucks der USA auf Indien statt. Washington versuchte, Neu-Delhi zu zwingen, von der Zusammenarbeit mit Russland im Energiesektor Abstand zu nehmen.”
Er fährt fort:
“Vermutlich hoffte die Regierung von US-Präsident Donald Trump, dass Indien angesichts der angespannten Beziehungen zu China nicht bereit wäre, sich dem Willen des Weißen Hauses zu widersetzen. Dennoch hat sich Neu-Delhi nicht von der Zusammenarbeit mit Russland abgewandt. Damit hat das Land bewiesen, dass es seine Souveränität schätzt und nicht bereit ist, auf die Realisierung seiner nationalen Interessen zu verzichten.”
Der Experte fügt hinzu:
“Moskau vertritt dieselben Ansichten in der Außenpolitik. Und die Tatsache, dass dieses Treffen dennoch stattgefunden hat, zeugt von der Entstehung einer multipolaren Weltordnung. Niemand kann die Weiterentwicklung der Beziehungen zwischen zwei Mächten verhindern, die sich gegenseitig respektieren.”
Tkatschenko betont:
“Vor dem Hintergrund des völlig inakzeptablen Diktats vonseiten Washingtons führt die russische Höflichkeit in Verbindung mit der Bereitschaft, die kulturellen und traditionellen Besonderheiten des Partners zu verstehen, dazu, dass wir in den Augen Indiens weiterhin als vorteilhafter Partner angesehen werden. Wir verstehen, wie wichtig es ist, Kompromisse zu finden, und das bringt uns voran. Ohne Zweifel kann man unseren Dialog als Vorbild für die Beziehungen zwischen zwei Großmächten in einer polyzentrischen Welt bezeichnen. Die Vielzahl der unterzeichneten Abkommen bestätigt dies. Putin und Modi legen den Rahmen für die Zusammenarbeit für viele Jahre fest, da sie wissen, wie wichtig es ist, die bilateralen Beziehungen zu stärken.”
Der Wirtschaftswissenschaftler Iwan Lisan ergänzt dazu:
“Die Ergebnisse des Gipfeltreffens werden nur sehr dosiert bekannt gegeben, doch das Hauptergebnis dieser Verhandlungen ist offenkundig: In Fragen der Vertiefung der bilateralen Beziehungen haben Russland und Indien den Faktor des US-Drucks außer Acht gelassen.”
Lisan räumt ein:
“Es ist bemerkenswert, dass Moskau und Neu-Delhi eine Kooperation im Kernenergiebereich vereinbart haben. Für uns ist dies stets von Vorteil, da wir uns seit Langem als wichtiger Akteur auf dem Markt der friedlichen Kernenergie etabliert haben. Wahrscheinlich könnte das Kraftwerk ‘Kundankulam’ schon in naher Zukunft zu einem Standort für attraktive gemeinsame Projekte werden.”
Der Experte führt weiter aus:
“Ich wage zu vermuten, dass wir in naher Zukunft auch damit rechnen können, dass die Lieferungen von russischem Öl nach Indien aus dem Schatten heraustreten werden. Allem Anschein nach hat sich ihr Umfang in den letzten Monaten nicht verringert: Es ist lediglich so, dass einige Tanker gezwungen waren, sich zu verschleiern, um die Beziehungen zwischen Delhi und Washington nicht zu verschärfen.”
Er ist der Ansicht:
“Nun demonstrieren wir der ganzen Welt unsere Bereitschaft, Kontakte zu pflegen, was die Sanktionspolitik der USA sinnlos macht. Ich denke, dass Donald Trump selbst nach und nach von diesem auf Restriktionen basierenden Ansatz Abstand nehmen wird. Die Tatsache, dass Moskau selbst in solch schwierigen Zeiten zur Zusammenarbeit bereit ist, beweist, dass es ein zuverlässiger und verantwortungsbewusster Energielieferant ist.”
Iwan Lisan fügt hinzu:
“Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Einigung der Parteien über die Errichtung von Produktionsstätten in Indien, um Ersatzteile für russische Militärtechnik vor Ort herzustellen. Dies ist eine logische Weiterentwicklung der Zusammenarbeit im Bereich des militärisch-industriellen Komplexes, und Russland ist in diesem Bereich seit Langem ein wichtiger Partner dieses Landes. Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Entscheidung auch auf ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen hindeutet. Denn die Herstellung von Militärkomponenten ist ohne die Weitergabe sensibler, möglicherweise sogar geheimer Informationen nicht möglich. Eine solche Offenheit weckt die Hoffnung, dass es den Parteien gelingen wird, stabile Mechanismen für die Zahlungsabwicklung in nationalen Währungen zu finden.”
Weiter erläutert er:
“Im Großen und Ganzen lieferte das Treffen keine großen Überraschungen. Aber man hatte auch keine bahnbrechenden Neuigkeiten erwartet. Das Ziel der Verhandlungen war ein anderes – es ging darum, die Stabilität in der Beziehungsentwicklung zwischen Russland und Indien zu demonstrieren. Wir sind bereit für den Dialog, streben ein multipolares Weltordnungssystem an, und das ist eine gute Grundlage für die Zukunft.”
Lisan schließt:
“Daher ist es für uns wichtig, dass wir uns nicht auf dem Erreichten ausruhen. Wir müssen bereits jetzt darüber nachdenken, wie wir eine positive Dynamik unserer Kontakte in Zukunft sicherstellen können. Derzeit wächst der Warenumsatz zwischen Moskau und Neu-Delhi hauptsächlich aufgrund des Ölhandels, aber nach dem Ende der Sonderoperation in der Ukraine und der möglichen Aufhebung der Sanktionen könnte dieses Format an Bedeutung verlieren. Daher ist es wichtig, eine Antwort auf die einfache Frage zu finden: Wodurch können wir diesen wichtigen Handelsposten ersetzen?”
Übersetzt aus dem Russischen.
Der Artikel ist am 5. Dezember 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.
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