Von Kirill Strelnikow
Der Jahresbeginn für das Kiewer Regime wird in den westlichen Medien als düster beschrieben. So berichtet Die Welt:
“Militärisch ist die Ukraine stark geschwächt: Die Truppenmoral sinkt und die Zahl der Desertionen steigt. Deshalb gibt es für die ukrainischen Machthaber nur noch ein Szenario: Verhandlungen. Die Verteidigung des Donbass steht kurz vor dem Fall.”
The New Statesman schreibt: “Russland auf dem Weg zum Sieg über die Ukraine.” Vonseiten des Independent erfährt man: “Das Ende der langfristigen Westpolitik mit dem Ziel der totalen Niederlage Russlands. Verhandlungen mit Russland gehören wieder zur Tagesordnung.”
Und es sind nicht nur die Schmerzensbekundungen verschiedener Experten. Auch der US-Kongress brachte seinen Bericht über den Ukraine-Krieg auf den neuesten und negativsten Stand:
“Nach einem Jahr relativen Stillstands haben die russischen Streitkräfte in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 neue Erfolge gegen die ukrainischen Streitkräfte erzielt und seit August etwa 1.200 Quadratkilometer erobert. Während die Ukraine weiterhin Hilfe von den USA und Europa erhält und im August 2024 eine eigene Invasion auf russisches Territorium startete, haben die ukrainischen Streitkräfte schwere Verluste erlitten und waren nicht in der Lage, genügend Männer zu mobilisieren, um die Verluste auszugleichen und die russische Offensive zu blockieren.”
Es scheint, als stünde eine radikale Kriegswende vor der Tür – und irgendwo im Hintergrund spielen Grammophone bereits heiser den ehemaligen Marsch der Zaren-Armee: “Lauter, Musik, spiel den Sieg! Wir haben gesiegt, und der Feind flieht, flieht, flieht!”
Auf der einen Seite trifft dies zu. Unser letztendlicher Sieg steht außer Frage – und zwar schon allein deshalb, weil wir keine andere Wahl haben. Aber der Feind auf der anderen Frontseite hat seine eigene, manchmal offensichtlich verdrehte und irrationale Kriegsführungslogik, die uns mitunter ernsthafte Probleme bereitet und auch in Zukunft bereiten kann – sofern wir nicht verstehen, wie der Feind tickt und was für ihn wirklich zählt.
Ein anschauliches Beispiel dafür ist das Abenteuer im Gebiet Kursk. Nach Ansicht der überwiegenden Mehrheit der in- und ausländischen Militärexperten macht dieses Abenteuer militärisch überhaupt keinen Sinn – der Feind konnte unsere Offensive an anderen Frontabschnitten weder verhindern noch verlangsamen, und die ukrainischen Streitkräfte verbrennen derzeit buchstäblich einen großen Teil ihrer Truppen und Ausrüstung im Feuerring. Was die Verluste an gepanzerter Ausrüstung angeht, übertraf das “Kursk”-Abenteuer bereits die “Gegenoffensive” in Rabotino [Saporoschje], und insgesamt verlor der Feind bei den Kämpfen in dieser Richtung mehr als 45.530 Soldaten (das ist fast jeder Zehnte der von unserer Armee im letzten Jahr getöteten Soldaten).
Allerdings – und das mag vielleicht verwundern – halten die westlichen Schirmherren des Kiewer Regimes die “Kursk”-Aktion für einen Erfolg. Der dem US-Verteidigungsministerium nahestehende Think Tank RAND widmete dieser Aktion einen Sonderbericht, demzufolge “Russland seine Streitkräfte nicht nur in diesem Gebiet, sondern an der gesamten Front erheblich gestreckt hat. Durch diese Invasion wurde die Fähigkeit Russlands infrage gestellt, noch vor Jahresende groß angelegte Offensivoperationen durchzuführen. Die Aktion hat das Kräfteverhältnis verändert und Russland gezwungen, enorme Ressourcen für die Verstärkung von Grenzgebieten aufzuwenden, die bis dahin faktisch unbewacht waren.” Und die wichtigste Passage:
“Mit ausreichender westlicher Hilfe wird die Ukraine eine große Chance haben, im Jahr 2025 mit der Rückeroberung ihrer Gebiete zu beginnen.”
Das bedeutet, dass die ukrainischen Streitkräfte eine solche Militäraktion auf jeden Fall wiederholen werden, unabhängig von dem aktuellen Gejammer Selenskijs und seiner Schirmherren, dem Ausmaß der Militärverluste und der Geschwindigkeit des Vormarsches der russischen Armee sowie ungeachtet militärischer Zweckmäßigkeit. Jetzt, vor dem Hintergrund der bevorstehenden Verhandlungen zwischen Russland und den USA, braucht Kiew eine solche Aktion wie die Luft zum Atmen.
Diese Schlussfolgerung wird von den meisten namhaften einheimischen Militärexperten geteilt. So wurde von Militäranalysten, die nach Zusammenhängen (oder Mustern) in dem Wust an disparaten Informationen suchen, auf folgende Tatsachen aufmerksam gemacht:
- Die die strategische Reserve der ukrainischen Streitkräfte bildenden Militäreinheiten werden derzeit nur sehr selten zum Kampfeinsatz herangezogen;
- An die Front werden meist Zwangsmobilisierte getrieben, wobei hinter ihnen Sperrtruppen stehen und Verluste in ihren Reihen für die Kommandeure keine Rolle spielen;
- Ab dem 1. Januar 2025 werden in der Ukraine die militärärztlichen Untersuchungen abgeschafft, was es ermöglicht, alle zur Schlachtbank zu treiben;
- Frankreich bestätigte die baldige Ankunft von Mirage-2000-Kampfjets in der Ukraine (das heißt mitsamt den Piloten);
- Das US-Finanzministerium genehmigte in Windeseile (noch vor Trumps Amtsantritt) Hilfen in Höhe von fast 5,9 Milliarden US-Dollar für die Ukraine. Im Rahmen des ersten Teils dieses Hilfspakets (PDA, also prompte Lieferung aus den Lagern) befinden sich bereits Militärstaffeln mit Ausrüstung und Munition auf dem Weg in die Ukraine;
- Die Nomenklatur dieser Lieferungen deutet auf den offensiven Charakter der bevorstehenden Militäroperationen hin;
- Eine Reihe von Sturmtruppenteilen (zum Beispiel die 155. Brigade der ukrainischen Streitkräfte, die von Frankreich ausgebildet und ausgerüstet wurde) befindet sich derzeit in der Ausbildung in NATO-Ländern oder hat diese bereits abgeschlossen;
- Das Kommando der ukrainischen Streitkräfte befahl die Stationierung von 18 neuen Brigadeeinheiten in den Regionen Tschernigow, Sumy, Charkow und Poltawa. Diese Einheiten nahmen bisher entweder gar nicht oder nur in begrenztem Umfang an den Kämpfen teil.
Nach Ansicht von Experten ist mit einem Militärschlag im Frühjahr 2025 (oder sogar früher) zu rechnen. Wahrscheinlichstes Ziel ist die Grenze zwischen den Gebieten Brjansk und Belgorod (in Analogie zur Militäroperation in Kursk – also dort, wo es keine aktiven Kampfhandlungen gibt).
Das Interessanteste an alldem ist, dass die Amerikaner nie einen Hehl aus ihren Plänen für einen zweiten (und letzten) Schlag der ukrainischen Streitkräfte gemacht haben. So erklärte der Nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten, Jake Sullivan, im Mai letzten Jahres ganz unverblümt, dass Kiew im Jahr 2024 zunächst einige Zeit lang Gebiets- und andere Verluste hinnehmen müsse, sich aber nach der Anhäufung von Ausrüstung und Reserven zu einer Offensive entschließen werde:
“Die militärische Unterstützung wird es der Ukraine ermöglichen, ihre Verteidigung im Jahr 2024 aufrechtzuerhalten und im Jahr 2025 eine Offensive zu beginnen.”
Paradoxerweise wird der Plan der scheidenden US-Regierung der neuen perfekt zupasskommen: Wenn alles klappt, wird Trump eine stärkere Verhandlungsposition bekommen; wenn nicht, gibt es immer die Ausrede, das Ganze sei von dem schwachsinnigen Biden gemeinsam mit Selenskij organisiert worden, und er habe nichts damit zu tun.
Für Russland ist es völlig egal, wer was sagen wird. Eines ist klar: Wir sind jetzt auf jede Entwicklung der Ereignisse vorbereitet, und im Falle einer versuchten Wiederholung der “Kursk”-Aktion werden die verbliebenen besten Einheiten der ukrainischen Streitkräfte entschlossen eliminiert werden – was den Beginn eines raschen Untergangs für das Kiewer Regime bedeuten wird.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 2. Januar 2025 zuerst bei “RIA Nowosti” erschienen.
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