Im Mai des Vorjahres wurde Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen laut ARD–Meldung wegen des “Vorwurfs der Vetternwirtschaft” in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Bundesminister Robert Habeck teilte zudem mit, interne Prüfungen hätten “weitere Ungereimtheiten ergeben”, dies bezogen auf ministerielle Jobzusagen seitens des von den Medien als “Top-Mitarbeiter” im Wirtschaftsministerium betitelten Ex-Staatssekretärs. Zu Wochenbeginn informierte das ukrainische Staatsunternehmen Ukrenergo, dass Graichen jetzt eines von “vier neuen unabhängigen Mitgliedern des Aufsichtsrates” werden wird.
Der im Jahr 2023 auch als “umstrittener Vertrauter” von Wirtschaftsminister Habeck bezeichnete Graichen war final wegen seiner Beteiligung an der Auswahl seines Trauzeugen für den Chefposten der bundeseigenen Deutschen Energie-Agentur (Dena) hinterfragt worden. Nach breiter Kritik seitens Politik und Medien sah sich dann der aktuelle Kanzlerkandidat der Grünen gezwungen, seinen wichtigen Berater zu entlassen. Die Webseite Lobbycontrol kommentierte die damalige Ereigniskette mit der Feststellung:
“Graichens Beteiligung an einem Förderentscheid zugunsten des Landesverbands des BUND, dessen Vorstand seine Schwester angehört, war ein weiterer Fehler. Sie zeigt, dass der Umgang mit dieser Interessenkonstellation eben nicht korrekt war und die vom Ministerium behauptete sogenannte Brandmauer nicht funktioniert hat.”
Kritisch wahrgenommen wurde zudem die Tatsache, dass Graichen gut dotiert in die Zukunft schauen konnte, da ein “in den einstweiligen Ruhestand versetzter Beamter nach dem Bundesbesoldungsgesetz für den aktuellen und die folgenden drei Monate die Bezüge weiter erhält, die ihm am Tag vor der Versetzung zustanden”, so das BMWK-Ministerium nach Presseanfragen mitteilend. Für Graichen bedeutete das mindestens 15.000 Euro pro Monat. Danach stünden ihm laut Business Insider noch rund 11.000 Euro monatlich zu – für 17 Monate.
Am 27. November wurde nun in einer Pressemitteilung des ukrainischen Staatsunternehmens und Übertragungsnetzbetreibers NPC Ukrenergo darüber informiert, dass Graichen neben seiner deutschen Pension zukünftig noch eine neue ukrainische Einkommensquelle erfährt. Dazu heißt es:
“Das Ministerkabinett der Ukraine hat die Kandidaturen von vier neuen unabhängigen Mitgliedern des Aufsichtsrates der NPC Ukrenergo genehmigt. Es handelt sich um Patrick Roland Graichen, Luigi de Francisci, Jeppe Sebastian Kofod und Jan Henrik Montell. Alle Kandidaten verfügen über umfangreiche Erfahrung und beträchtliche internationale Autorität.
Die Zusammensetzung des Aufsichtsrates wurde demnach dahingehend ausgewählt, dass “die erforderlichen Kompetenzen vorhanden sind, um die aktuellen Herausforderungen des Unternehmens zu bewältigen und seine Strategie umzusetzen”, so die Mitteilung. Die Auswahl nach den “unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern” erfolgte laut Mitteilung über das Unternehmen Korn Ferry, “dem weltweit führenden Unternehmen für die Suche nach Führungskräften und die Entwicklung von Corporate Governance”, unter anderem mit Firmensitz in Berlin.
Zur Begründung von Graichens Nominierung heißt es:
“Patrick Roland Graichen ist ein bekannter europäischer Experte für Klima- und Energiefragen. Zuvor war er Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt und Klimaschutz, wo er eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung der nationalen Energiestrategien spielte.”
Zudem wird seine leitende Rolle als Chef des Unternehmens Agora Energiewende erwähnt. Zu den Kollegen von Graichen im Aufsichtsrat heißt es in der Mitteilung:
- Luigi de Francisci war bei TERNA, dem größten italienischen Netzbetreiber in Europa, für Regulierungsfragen zuständig.
- Jeppe Sebastian Kofod ist ein bekannter Europapolitiker und Experte für Energie- und Sicherheitsfragen (…) diente von 2018 bis 2022 als Außenminister von Dänemark
- Jan Henrik Montell kombinierte erfolgreich seine Erfahrung in der Unternehmensführung mit seinem Hintergrund als Finanzvorstand eines finnischen Stromübertragungsnetzbetreibers.
Zum Zeitpunkt von Graichens Entlassung im Mai 2023 tauchten dann noch erweiterte Plagiatsvorwürfe auf, bezogen auf seine Doktorarbeit mit dem Titel: “Kommunale Energiepolitik und die Umweltbewegung”, die mit einer “Rüge wegen des Verstoßes gegen die gute wissenschaftliche Praxis” seitens der Universität Heidelberg endeten.
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