Von Dmitri Jewstafjew
Die Verhandlungen zwischen Delegationen der USA und der Ukraine in Dschidda haben der gesamten Welt den wirklichen Wert der “unnachgiebigen Position” des Kiewer Regimes gezeigt, dessen Vertreter ihren Standpunkt fast zum Gegenteil änderten. Dies kommt natürlich nicht nur von Kiews völliger Abhängigkeit von der Unterstützung der USA, vor allem im militärischen Bereich, sondern auch von Erfolgen der russischen Streitkräfte. Doch es scheint methodologisch korrekter, die Geschehnisse weniger aus einem politisch-diplomatischen Standpunkt zu bewerten, als aus einem informationspolitischen. Dies wird durch die Aktionen westlicher Vertreter, vor allem der europäischen Eliten, bestätigt, die gleich nach dem Ende der Gespräche in Dschidda begonnen haben, Informationsdruck auszuüben. In gewisser Hinsicht versuchten die Europäer, Washington zu überbieten, ohne zu verstehen, wie erfahren Menschen in Russland im Bereich von informationspolitischen Technologien sind.
Der Hauptgedanke der unbeholfenen Medienkampagne unter dem Namen “Der Ball ist auf Russlands Seite” ist einfach: Russland solle dem von Washington vorgeschlagenen Plan eines “Einfrierens des Konflikts” zustimmen, andernfalls werde es seinen Friedensunwillen demonstrieren. Hierbei wird das manipulative Wesen der westlichen Politik sehr deutlich. Einerseits wird ein “Einfrieren” gefordert, das Kiew ermöglichen soll, sich nach den schmerzhaften Niederlagen zu “erholen”. Dieses Einfrieren wird für Frieden ausgegeben. Es scheint, als würde man im Westen aufrichtig glauben, dass Russland aus den vergangenen Versuchen, einen Frieden auszuhandeln, nichts gelernt habe. Es sei angemerkt, dass sogar Europa beginnt, Kiews Unaufrichtigkeit zu verstehen. Insbesondere schreibt Bild, eine der größten antirussischen Zeitungen Deutschlands, direkt, dass Selenskij versuchen werde, den Friedensprozess zu sabotieren, sobald er die Kampffähigkeit seiner Truppen wiederherstellt.
Andererseits werden Russlands Sicherheitsinteressen und Vorschläge zu einer friedlichen Regulierung demonstrativ ignoriert. In diesem Fall kommt unter anderem die koloniale politische Mentalität des Westens insgesamt und der europäischen Staaten insbesondere zum Vorschein. Sie verstehen einfach nicht, dass sie in Russland mit der Regierung eines souveränen Landes zu tun haben, die vom Schutz der nationalen Interessen, und nicht vom Erhalt augenblicklicher informationeller oder PR-Profite ausgeht. Ein solches Unverständnis ist die Folge des eigenen nicht souveränen Status der europäischen Eliten.
Doch sind europäische Staatschefs in ihrer Unterstützung der gegenwärtigen Politik von Washington wirklich so aufrichtig? Schließlich traten noch vor Kurzem die bedeutendsten Politiker des heutigen Europas – von Keir Starmer bis Emmanuel Macron – für eine Fortsetzung des Krieges gegen Russland ein und lehnten sogar ein Einfrieren der Kämpfe kategorisch ab. Mehr noch, sie sprachen auch in deutlichen Worten über den US-Präsidenten Donald Trump selbst und nannten ihn fast schon einen Verräter der Demokratie. Die gegenwärtige propagandistische Kehrtwende könnte als ein klassisches Umschwenken der europäischen “Wendehälse” angesehen werden, die längst weder von der Gesellschaft noch von der Wirtschaft unterstützt werden und sich auf die USA orientieren.
Doch die Lage ist nicht so einfach: Die Hauptidee der euroatlantischen Eliten zu beiden Seiten des Atlantiks besteht darin, Trump gegen Russland aufzubringen. Dabei greifen sie sogar auf primitivste Manipulationen zurück. Dies ist das wichtigste Element der Strategie zur politischen Isolation des charismatischen US-Präsidenten.
Freilich steht Donald Trump noch ganz am Anfang seiner zweiten und nach geltender Gesetzgebung letzten Präsidialamtszeit. Doch schon in den nächsten Monaten wird die Frage über seine realen Leistungen im Amt des Präsidenten aufkommen, und dabei wird Trumps Selbstbewerbung kaum so wirksam sein wie jetzt. Gerade dann wird der Vorwurf aufkommen, dass er nicht nur daran gescheitert sei, den Ukraine-Konflikt zum Vorteil des Westens zu lösen, sondern auch den gesamten Euroatlantik gegen sich aufgebracht und praktisch alles zerstört habe, was seit fast 80 Jahren aufgebaut wurde. Dazu – so wird es dargestellt werden – habe er im Oval Office Wladimir Selenskij beschimpft, der, wenn nicht schon zum Führer, so doch zumindest zum Symbol der “freien Welt” deklariert wurde.
Euroatlantiker glauben, dass Trump für Schmeichelei anfällig wäre und nicht sehen würde, wie heuchlerisch ihre Unterstützung ist.
Sie glauben, dass sie kurzsichtige antirussische Schritte und Ankündigungen einiger Mitglieder von Trumps Team unterstützen und den US-Staatschef “in ihren Umarmungen erwürgen”, und dann mit Unterstützung der inneramerikanischen Front zuschlagen können. Betrachtet man die ständigen PR-Kehrtwenden des US-Präsidenten, erscheint dieser Plan zwar nicht besonders ausgeklügelt, aber durchaus funktionsfähig.
Außerdem benötigen die euroatlantischen Eliten, vor allem ihr europäischer Teil, nicht weniger als Kiew eine “Friedenspause”, während welcher sie Europas militärwirtschaftliche Komponente zum Funktionieren bringen können. Für diesen Zeitraum, bis 2026/2027, wäre es durchaus logisch, den Zustand “weder Frieden noch Krieg” um die Ukraine zu bewahren, vor allem aber die USA an der Spitze der Konfrontation mit Russland zu halten. Europa ist nicht bereit, die Bürde eines “großen europäischen Krieges” selbstständig zu tragen. Noch nicht.
Das Wichtigste, was die Eliten einzelner europäischer Staaten nicht verstehen und was die Eurobürokratie zu ahnen scheint, ist, dass eine neue Weltordnung, wie zerbrechlich sie auch sein mag, beim gegenwärtigen Kräfteverhältnis nur auf Ruinen des “einigen Europa” und auf seine Kosten gebaut werden kann. Auf ähnliche Weise versuchten radikale Euroatlantiker eine neue Weltordnung auf den Ruinen Russlands und auf seine Kosten zu bauen. Was die radikalen Euroatlantiker nicht sagten, ist, dass die neue Weltordnung der 2010er-Jahre mit dem Geld der USA gebaut werden sollte. Trump versucht, dieses “Geldfressen” umzukehren und wird damit für Euroatlantiker zu einem Todfeind, gegen den jedes Mittel recht ist.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RT am 13. März.
Dmitri Jewstafjew ist ein russischer Politologe und Amerikanist. Er ist Doktor der Politikwissenschaften und lehrt am Institut für Medien der Wirtschaftshochschule Moskau. Jewstafjews Spezialisierung sind militärpolitische Fragen der nationalen Sicherheit Russlands, der Außen- und der Militärpolitik der USA und der regionalen Probleme der Kernwaffen-Nichtverbreitung. Er ist Co-Autor wissenschaftlicher Monografien und zahlreicher Artikel.
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