Im Schatten der Ereignisse in Nahost und daher mit nur geringem Medienecho fand der EU-US-Gipfel statt. Auf ihm zeigten sich erneut grundlegende Differenzen in Handelsfragen, die auf einen immer tiefergehenden Riss in den Beziehungen zwischen der EU und den USA hindeuten. Das Treffen in Washington verlief ergebnislos.
Die Zölle auf Stahl bleiben weiterhin ein Thema. Joe Bidens Vorgänger im Präsidentenamt, Donald Trump, hatte 2018 Strafzölle auf die Einfuhr von Stahl und Aluminium aus der EU verhängt. Unter Biden wurden die Zölle zwar teilweise aufgehoben. Für ein festgelegtes Kontingent müssen keine Strafzölle entrichtet werden. Alles, was darüber hinaus importiert wird, wird dann jedoch wieder mit Strafzoll belegt. Die Regelung ist darüber hinaus befristet. Die Hoffnung, die US-Regierung werde die Regelung verlängern oder sogar ganz auslaufen lassen, hat sich zerschlagen. Wie der Blog German-Foreign-Policy berichtet, verlangten die USA im Gegenzug für Erleichterungen, dass die EU ohne weitere Begründung Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf den Import von Stahl aus China verhängt.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sei dazu bereit gewesen, obwohl der Schritt klar gegen die Regeln der WTO verstoßen würde, habe sich aber nicht durchsetzen können. Stattdessen sucht die Kommission nun nach einer rechtssicheren Begründung. Damit dürfte die EU vor einem neuen Handelskonflikt mit China stehen.
Die EU hat vor Kurzem bereits ein Verfahren gegen China eingeleitet, um chinesische Elektroautos künftig mit Zöllen belegen zu können. China wird vorgeworfen, chinesische Hersteller verdeckt zu subventionieren. Diese könnten deshalb ihre Produkte günstiger als die Hersteller von Elektroautos in der EU anbieten und schädigten damit die heimische Industrie, lautet der Vorwurf. Viel spricht jedoch dafür, dass der Preisvorteil vor allem auf einen technischen Vorsprung chinesischer Hersteller zurückzuführen ist.
Europäische Produzenten sind von der Idee, China zu sanktionieren, entgegen der Erwartung nicht begeistert. Der Grund dafür liegt in der Abhängigkeit von chinesischem Know-how. Insbesondere in der Akkutechnologie sind die Hersteller in der EU und in Deutschland auf China angewiesen. Sie hinken in der technologischen Entwicklung um Jahre hinterher. Es wird angenommen, dass China Strafzölle auf seine Produkte nicht einfach hinnehmen, sondern zum Nachteil der Produzenten in der EU reagieren wird.
Elektroautos sind auch ein zentrales Thema im Handelsstreit mit den USA. Der Inflation Reduction Act subventioniert in den USA den Kauf eines Elektroautos – allerdings nur dann, wenn die Akkus zumindest zum Teil in den USA hergestellt wurden. Der vorgeschriebene Anteil steigt dabei im Zeitverlauf. Damit sollen die Produktion in den USA und die Rückverlagerung von Arbeitsplätzen aus dem Ausland gefördert werden.
Das allerdings benachteiligt europäische Hersteller. Ein Abkommen, das auch europäischen Herstellern von Elektroautos zum US-Markt garantieren soll, sieht jedoch hohe arbeitsrechtliche Standards für die Produktion der Batterien vor. Damit müsste die EU wiederum Ländern, aus denen sie Rohstoffe bezieht, arbeitsrechtliche Vorschriften machen und auch fähig sein, diese zu kontrollieren. Im Falle von Verstößen drohen die USA mit Sanktionen gegen die EU. Die EU lehnt dies vehement ab.
Pikant daran ist, dass erst kürzlich ein Freihandelsabkommen mit den Staaten des Mercosur gescheitert war, weil die EU darauf bestanden hatte, bei einem Verstoß gegen europäische Nachhaltigkeitsziele Sanktionen gegen das entsprechende lateinamerikanische Land zu verhängen. Wie auch die USA gegenüber der EU fühlte sich Brüssel im Recht, Vorschriften zu machen.
Der Handelsstreit kommt für die EU zu einem ausgesprochen ungünstigen Zeitpunkt. Durch die Russland-Sanktionen, den Anschlag auf Nord Stream und den damit verbundenen Anstieg der Energiekosten hat die EU massiv an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Insbesondere Deutschland wurde von den Rückwirkungen der Sanktionen hart und im Kern seiner Wirtschaft getroffen. Gleichzeitig eskaliert der Handelskrieg mit China.
Brüssel schließt sich bisher Washington an und setzt dessen Vorgaben auch in der EU um. Während Frankreich auf eine eigenständige, von den USA unabhängige China-Politik drängt, ist es vor allem Deutschland, das auch gegen die eigenen wirtschaftlichen Interessen bereit ist, Washington bedingungslos und unter Inkaufnahme von Nachteilen für die eigene Bevölkerung zu folgen. Die EU kämpft damit immer deutlicher erkennbar einen wirtschaftlichen Dreifrontenkrieg: gegen Russland, gegen China und auch gegen die USA.
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