Von Felicitas Rabe
Menschenwürdige Renten für Alle – wie in Österreich! Das fordern die Organisatoren der Veranstaltung Rentenforum mit dem Titel “Unsere Rente – Kein Spielball für BlackRock und Co!”, die am Samstag im Kiezraum Berlin stattfand.
Gemeinsam mit der Initiative BlackRock-Tribunal veranstalteten die Organisationen RentenZukunft e. V., Arbeitskreis Internationalismus (AKI) der IG Metall (IGM) Berlin und der Arbeitskreis gegen Deregulierung und Privatisierung, Berlin, diese Fachveranstaltung zum Thema Rentenentwicklung in Deutschland, insbesondere im Verhältnis zur Rentenentwicklung in Österreich.
Als größter Vermögensverwalter der Welt über die sogenannte Schattenbank BlackRock (Finanzvolumen z. Zt. ca. 9 Billionen US-Dollar), immer mehr politische Macht aus. BlackRock & Co. könnten sich dadurch immer einfacher “neue lukrative Geschäftsfelder bei öffentlichen Systemen erschließen”, liest man im Flyer zum Rentenforum. Aktuell sollen öffentliche Rentensysteme in eine sogenannte “kapitalbasierte Rente” umgebaut werden. Kritische Organisationen erklären dagegen:
“Ohne eine gründliche Rentenreform wird es kein würdevolles Leben im Alter geben”, so die Broschüre des Vereins RentenZukunft e. V. – für Jung, für Alt, für Alle.
Rund 60 Teilnehmer hörten die Fachvorträge der Referenten aus Deutschland und Österreich. Als erste erklärte Ursula Klingmüller, eine ehemalige Referatsleiterin aus dem Brandenburger Arbeitsministerium, den Teilnehmern den Hintergrund und den Werdegang der privaten Rentenversicherer in Deutschland. Hierzulande liege die Mehrzahl der ausgezahlten gesetzlichen Renten unterhalb der Armutsgrenze. Das werde sowohl von der Regierung als auch von den Leitmedien verschwiegen. Insbesondere, so Klingmüller, sparen auch gewerkschaftliche und linke Kreise das Thema Altersarmut aus. Im Jahr 2024 werde die neue EU-Verordnung für das Paneuropäische private Pensionsprodukt (PEPP) gesetzlich verankert. Zum Nachteil der Rentner gebe es bei diesem “Finanzprodukt” ausdrücklich keine zwingende Garantie, dass die angesparte Summe tatsächlich vollständig als Rente ausgezahlt werde. Außerdem müsse die Rente nach der PEPP-Verordnung nicht bis zum Lebensende ausgezahlt werden.
Das hundertjährige deutsche Sozialversicherungssystem galt weltweit als Vorreiter
Der Ingenieur Reiner Heyse, der sich unter anderem auch im Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall engagiert, verschaffte einen Einblick in die Sozialhaushalte der 36 OECD-Mitgliedsländer (OECD = Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit). Deren Bruttosozialprodukt betrage 74 Billionen Dollar, davon werden 15 Billionen Dollar für den Sozialhaushalt und davon wiederum sechs Billionen für Renten ausgegeben. Sozialausgaben seien bislang als Rückgrat eines Wohlfahrtsstaats angesehen worden. Aber jetzt sehen Finanzakteure Sozialausgaben als Geld an, das “ihnen entzogen” werde. Und damit ihnen kein potenzieller Profit entgehe, lobbyieren deren Vertreter für private Rentenversicherungen, erläuterte Heyse den Paradigmenwechsel eines öffentlichen Sozialversicherungssystems.
Das deutsche Sozialversicherungssystem wurde vor gut einem Jahrhundert von den Bergleuten des Ruhrgebiets erkämpft: Krankenversicherung, Urlaub und Rentenversicherung. Damit wurde Deutschland zum weltweiten Vorreiter für Sozialversicherungssysteme und soziale Absicherung von Arbeitern. Am 19. Juli 1911 wurde die Reichsversicherungsordnung als gesetzliche Grundlage des Sozialstaates in Deutschland verabschiedet. Das Recht auf Arbeiterkrankenversicherung, das Unfallversicherungsrecht und das Invaliditäts- und Altersversicherungsrecht wurden in einem Gesetz zusammengefasst.
Testfeld für private Renten in Chile ab 1973
Den Rückbau des Sozialstaats habe die herrschende Elite 1973 in Chile per Gewalt eingeläutet, erinnerte Heyse die Zuhörer. Nach dem Putsch vom 11. September 1973, vor 50 Jahren, haben die “Chicago-Boys” und Schüler von Milton Friedman, dem Papst der Neoliberalen, in Chile die vollständige Privatisierung des staatlichen chilenischen Rentensystems etabliert. Von den 15 Millionen Einwohnern in Chile, seien 2017 2 Millionen Menschen gegen Altersarmut auf die Straße gegangen, weil die privaten Rentenfonds ihnen keine angemessenen Renten auszahlten. Im Jahr 2016 habe die durchschnittliche Monatsrente in Chile umgerechnet 200 Euro betragen.
In Deutschland seien Rentner noch nie so billig gewesen wie heute. Das Rentenniveau liege aktuell auf dem Niveau von 1984, also auf dem Niveau wie vor rund 40 Jahren. Um den Wettcharakter der privaten Rentenversicherung zu verschleiern, bezeichne man diese nicht als “Aktienrente”, sondern als “Generationenkapital”, so der Ingenieur. Falls die Wette nicht aufginge, und die Aktien anstelle von Gewinnen Verluste brächten, solle dies im neuen Rentenmodell vom Steuerzahler ausgeglichen werden. In Deutschland würden sich die Arbeitgeber bei diesem Rentenmodell nicht beteiligen.
Tricks bei der Berechnung der Lebenserwartungen senken die monatliche Rentenauszahlung
Schließlich erläuterte Heyse noch den Betrug am Rentner, der mittels unrealistischer Alterserwartungen durchgeführt werde. Die monatliche Auszahlungssumme werde nämlich an der zu erwartenden Lebenszeit berechnet. Es seien Fälle bekannt geworden, denen die Versicherungen eine Lebenserwartung bis zu 100 Jahren, in Einzelfällen sogar noch darüber hinaus, zugrunde legten. Zusammenfassend stellte Heyse fest:
“Die Aktienversicherung ist riskant,
sie muss ausschließlich vom Arbeitnehmer bezahlt werden und bei der Auszahlungssumme wird mit der Lebenserwartung getrickst.”
Im noch folgenden 2. Teil des Berichts über das Rentenforum, wird unter anderem der Betrug in Bezug auf die Demografie-Erklärung aufgedeckt (Referat von Dr. Werner Rügemer). Josef Woess von der Arbeiterkammer Berlin erläutert zum Thema “Eine gesetzliche Rente ist möglich”, warum es in Österreich nicht zu so einer dramatischen Rentenkürzung und Altersarmut gekommen ist. Vorgestellt werden auch Lösungsansätze für eine Rentenreform und Aktionen.
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