Von Nikolai Storoschenko
Während das Kiewer Regime im letzten Sommer mit einer “Gegenoffensive” beschäftigt war, liegen die Prioritäten in diesem Jahr woanders: Die ukrainische Staatsführung bereitet den großangelegten Verkauf der Restbestände von Staatseigentum vor. Unter anderem wurde angekündigt, etwa 20 staatliche Unternehmen versteigern zu wollen.
Gesamtliste, bitte
Dazu gehören das Hotel “Ukraina” in Kreschtschatik, ein Einkaufszentrum in Kiew (höchstwahrscheinlich handelt es sich um das Einkaufszentrum “Ocean Plaza”, das von Arkadi Rotenberg beschlagnahmt wurde), das Vereinigte Bergbau- und Chemieunternehmen (UMCC Titanium, eine Titan-Holdinggesellschaft, die früher Dmitri Firtasch gehörte), das Hafenwerk in Odessa, “Zentrenergo”, “Indar” (ein Insulinhersteller), das Bergbau- und Aufbereitungskombinat Demurinskij und die Umaner Brennerei. Auf diese Weise will das Regime seine finanzielle Lage verbessern und Geld für die Fortsetzung des Krieges auftreiben.
Das Haushaltsdefizit der Ukraine in diesem Jahr ist beeindruckend – fünf Milliarden US-Dollar. In Wirklichkeit sind es 42 Milliarden US-Dollar, aber der größte Teil dieses Betrags wurde von den ukrainischen Verbündeten übernommen. Weitere fünf Milliarden US-Dollar müssen aus anderen Quellen beschafft werden. Dies soll unter anderem durch den Verkauf von Vermögenswerten geschehen. Ist es möglich, sie aus Privatisierungen zu gewinnen? Das kann man leicht überschlagen.
Der Startpreis für das Hotel “Ukraina” beträgt 25 Millionen US-Dollar. Für das “Ocean Plaza” sollen 40 bis 41 Millionen US-Dollar erzielt werden. Das UMCC Titanium wird höher veranschlagt: Der Staatliche Eigentumsfonds will allein dafür rund 100 Millionen US-Dollar. Ebenso viel erhoffen sich die ukrainischen Beamten von der Privatisierung im Jahr 2024, das heißt, allein durch den Verkauf dieser Titan-Holdinggesellschaft könnten die angestrebten Zahlen erreicht werden.
Der geplante Verkauf von “Zentrenergo” muss gesondert betrachtet werden. Das Wärmekraftwerk Uglegorsk, das Teil seiner Unternehmensstruktur ist, befindet sich seit Juli 2022 unter russischer Kontrolle. Und die Wärmekraftwerke Zmiewskaja und Tripolskaja wurden durch Militärschläge der russischen Streitkräfte im Frühjahr 2024 zerstört. Ähnlich verhält es sich mit dem Hafenwerk Odessa, einem “Veteranen” der ukrainischen Privatisierung. Erstmals wurde während der Präsidentschaft von Wiktor Juschtschenko versucht, das Werk zu verkaufen. Seither bemühte sich auch jeder darauffolgende Präsident der Ukraine, dies zu tun. Doch bisher wurde das Werk von niemandem aufgegeben. Während der Präsidentschaft von Poroschenko wurde es auf 54 Millionen US-Dollar geschätzt, konnte aber nicht verkauft werden.
Das Problem ist, dass das Werk durch die Abtrennung von den russischen Gaslieferungen und der Ammoniak-Pipeline Toljatti – Gorlowka – Odessa nur noch von geringem Interesse ist. Nicht zuletzt deshalb, weil es in Europa viele geschlossene oder kaum noch existierende Chemiewerke gibt, die aus den gleichen Gründen ihren Betrieb eingestellt haben.
“Indar” ist ein weiterer “Veteran” der ukrainischen Privatisierung. Das Unternehmen stellt eine Reihe von medizinischen Produkten her und produziert mehr als die Hälfte des in der Ukraine verkauften Insulins. Macht es für jemanden aus dem Ausland Sinn, das Unternehmen zu kaufen? Nur dann, wenn das Unternehmen in Konkurs gehen und vom Markt verschwinden würde.
Die Umaner Brennerei ist kein ernst zu nehmender Aktivposten. In den 2000er-Jahren war sie zweimal bankrott, in den 2010er-Jahren acht Jahre lang stillgelegt. Heute stellt sie angesichts des verbliebenen Patriotismus alkoholische Produkte mit militärischen Slogans her und hält sich damit über Wasser.
Titan-Geschichte
Es ist sinnvoll, das Bergbau- und Aufbereitungskombinat Demurinskij in Verbindung mit UMCC Titanium zu betrachten, da ihre Produkte (Ilmenit, Rutil, Zirkon) ähnlich sind. Dies gilt umso mehr, als im vergangenen Jahr geplant war, sie als Gesamtpaket zu einem Preis von 112 bis 115 Millionen US-Dollar zum Verkauf anzubieten.
Das Bergbau- und Aufbereitungskombinat Demurinskij und UMCC Titanium waren in der Vergangenheit eng mit Russland verbunden. Ersteres gehörte Michail Schelkow, einem Anteilseigner des weltweit größten Titanherstellers VSMPO-AVISMA Corporation. UMCC Titanium wiederum arbeitete eng mit VSMPO-AVISMA zusammen und belieferte es mit Titanschwamm und Titanerzen
Diese Aktiva von Michail Schelkow wurden vom Kiewer Regime im Jahr 2023 beschlagnahmt. In der Amtszeit von Präsident Poroschenko verlor Firtasch UMCC Titanium. Nach Aussagen ukrainischer Journalisten wurden die Lieferungen von ukrainischem Titanerz für den Bedarf von VSMPO-AVISMA jedoch nicht nur während der Poroschenko-Präsidentschaft, sondern sogar noch im Jahr 2023 (über eine Kette von Zwischenhändlern) fortgesetzt – aus dem einfachen Grund, dass es in der Nähe keine anderen geeigneten Abnehmer gibt.
Im Jahr 2020 lieferten die ukrainischen Titanabbau- und -aufbereitungsbetriebe 80 Prozent des Rohmaterials an VSMPO-AVISMA. Heute ist der Anteil der Ukraine offiziell auf null gesunken (wenn überhaupt, werden die Lieferungen über Zwischenhändler abgewickelt, und die Rohstoffe stammen offiziell nicht aus der Ukraine). Wurde das russische Unternehmen dadurch beeinträchtigt?
Dem Experten Leonid Chasanow zufolge ist das Unternehmen “dazu übergegangen, Titankonzentrat in anderen Ländern zu kaufen: Mosambik, Indien, irgendwo auf der Welt, Sri Lanka usw. … Es kann überall auf der Welt Titan-Rohstoffe kaufen, und sie werden ihm ohne Probleme verkauft, trotz der USA und der EU.”
Die EU kann in diesem Fall jedoch nirgendwo hingehen. Bisher ist es der EU nicht gelungen, einen Ersatz für das russische Titan zu finden. Und sie musste sich sogar vor Kanada demütigen und um Lockerungen und Ausnahmen für Airbus bitten.
Somit sind die Titan-Aktiva die einzigen, die in dieser Liste lohnenswert sind. Ihr Verkauf ermöglicht, die angestrebten Preisvorgaben vollständig zu erfüllen. Höchstwahrscheinlich stellen sie also den Grund für die ganze Privatisierungsgeschichte dar. Alles andere ist Unsinn und Verschleierungstaktik.
Selbst der Verkauf der Titanbergbau- und Titanaufbereitungskombinate sowie der Vorkommen samt Aufbereitungs-Aktiva (“Titan-Magnesium-Kombinat Saporischschja”) zielt nicht auf die Schließung des Haushaltsdefizits ab, sondern auf die Erzielung von lächerlichen 100 Millionen US-Dollar. Bedauerlich, denn die Titanreserven der Ukraine machen etwa 20 Prozent der Weltreserven aus.
Nach dem Bericht der Beratungsgesellschaft Ernst&Young ist von den 40 ukrainischen Titanlagerstätten ein Vorkommen einzigartig, 13 weitere sind groß und zehn mittelgroß. Und die Gewinnung von Titanerzen hat in der Ukraine noch nicht einmal richtig begonnen, sie erfolgt heute im Tagebau aus verschiedenen Lagerstätten: “Die Hauptressourcen an Titanerzen sind in den Primärlagerstätten konzentriert. Diese können über einen langen Zeitraum für die Tätigkeit der Unternehmen zur Gewinnung von Titanerzen ausreichen.”
“Das Hauptproblem bei der Erschließung dieser Mineralvorkommen besteht darin, dass ihre Nutzung erhebliche Kapitalinvestitionen erfordert.”
Mit anderen Worten: Falls die Privatisierung tatsächlich vollzogen wird, ist sie eine Vorleistung für die Zukunft, um die Kontrolle über die einzigartige “Titan-Sparbüchse” der Ukraine zu erlangen. Und dabei geht es gar nicht um das Haushaltsdefizit. Wahrscheinlicher ist, dass man die Ukrainer dazu zwingt, diese Aktiva aufzugeben, bevor man ihnen Kredite ohne Unterbrechung gewährt.
Privatisierung um der Garantien willen
Interessanterweise sagte US-Senator Lindsey Graham vor Kurzem fast das Gleiche: “[Die Ukrainer] verfügen über kritisch wichtige Bodenschätze im Wert von zehn bis zwölf Billionen Dollar. Sie könnten das reichste Land in ganz Europa sein. Und das sind Aktiva, welche Putin mit China teilen will. Wenn wir der Ukraine jetzt helfen, könnten sie [unser] bester Geschäftspartner werden.”
Dabei geht es natürlich nicht nur um Titan, sondern auch um die für die Energiewende notwendigen Seltenerdmetalle. Deren Gewinnung und Produktion konzentriert sich heute hauptsächlich in China, und Lieferungen aus der Ukraine wären für den Westen sehr nützlich. Nach UN-Schätzungen verfügt die Ukraine über rund fünf Prozent der weltweiten Reserven an sogenannten kritischen Rohstoffen (unter den 30 wichtigsten Stoffen und Elementen sind Borate, Chrom, Kokskohle, Magnesit, Phosphorite, Metalle der Platingruppe, schwere und leichte Seltene Erden). Davon könnten 21 Elemente in der Ukraine abgebaut werden.
Nach einer aktuellen Schätzung des Pentagon-Chefs Lloyd Austin lieferten die NATO-Mitglieder seit 2022 Waffen, Munition und Ausrüstung im Wert von 98 Milliarden US-Dollar an die Ukraine. Logischerweise möchte der Westen seine “Investitionen” irgendwie absichern. Und die Bodenschätze der Ukraine wären dafür hervorragend geeignet.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 14. Juni 2024 zuerst in der Zeitung Wsgljad erschienen.
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