In einem offenen Brief an die wichtigsten EU-Institutionen haben ehemalige europäische Botschafter zu Maßnahmen gegen die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen aufgefordert. Das am Montag veröffentlichte Schreiben wurde von 27 Diplomaten unterzeichnet. Sie alle vertraten einst die EU in einer Reihe von Nahostländern. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Geoffrey Barrett aus Großbritannien, Alexander Baum aus Deutschland, Androulla Kaminara aus Zypern und Dominique Dellicour aus Belgien.
Die Geschehnisse vom 7. Oktober 2023, der Tod hunderter unschuldiger israelischer Zivilisten und die Geiselnahme durch die Hamas seien nicht zu rechtfertigen, hieß es in dem Brief. Diese Verbrechen verurteilen die Verfasser aufs Schärfste.
Israels Reaktion auf den 7. Oktober sei jedoch wahllos und völlig unverhältnismäßig gewesen. Die israelische Militäroperation habe binnen der letzten 21 Monate zum Tod oder zu schweren Verletzungen zehntausender Palästinenser geführt ‒ die überwiegende Mehrheit davon unschuldige Zivilisten, darunter eine alarmierend hohe Zahl von Kindern. Wohnhäuser, medizinische Einrichtungen, Schulen, Lebensmittelverteilungszentren und die Infrastruktur des Gazastreifens seien in erschreckendem Ausmaß zerstört worden. Die früheren Botschafter wiesen darauf hin, dass der Internationale Gerichtshof in Den Haag im vergangenen Jahr ein plausibles Risiko eines Völkermords festgestellt habe.
Deswegen sollten hochrangige EU-Beamte, darunter der Ratspräsident António Costa, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, die Außenbeauftragte Kaja Kallas und die Kommissarin Dubravka Šuica, konkrete Schritte unternehmen, um den Frieden im Gazastreifen zu gewährleisten.
Unter anderem könne die EU-Kommission das Handelsabkommen mit Israel stoppen, forderten die Unterzeichner. Brüssel solle seine Bereitschaft, den Druck auf die israelische Regierung aufrechtzuerhalten, deutlich zeigen, bis sie ihre Waffen schweigen lasse und auf Diplomatie statt Aggression setze. Wenn die Mitgliedsstaaten keinen Konsens über eine vollständige Aussetzung erzielen können, sollte die EU zumindest Teile des Abkommens aussetzen.
Ohne wirksame Maßnahmen würde die Außenpolitik der EU im Nahen Osten und in der Welt weiter an Glaubwürdigkeit einbüßen, warnten die Botschafter. Hierbei hoben sie die Doppelmoral der EU hervor: Brüssel habe zwar eine prinzipielle und eindeutige Haltung zum Ukraine-Konflikt, wolle aber das Vorgehen Israels kaum sanktionieren.
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