Von Alex Männer
Nun schon seit mehr als dreieinhalb Jahren führt die Ukraine einen sehr verlustreichen Krieg gegen einen übermächtigen Gegner und ist dabei vor allem auf die umfangreiche Finanzunterstützung aus dem kollektiven Westen angewiesen. Und ungeachtet der vergangenen militärischen Niederlagen Kiews sowie der politischen Skandale rund um die ukrainische Führung im Zusammenhang mit der sogenannten Antikorruptionsbehörde NABU ist die Bereitschaft der westlichen Staaten, sowohl die Waffenlieferungen aufrechtzuerhalten als auch den ukrainischen Haushalt mitzufinanzieren, scheinbar ungebrochen.
Dies ist ein Schlüsselaspekt in diesem Konflikt, denn das Ausbleiben der westlichen Hilfsgelder würde mit hoher Wahrscheinlichkeit einen wirtschaftlichen Kollaps auslösen und im weiteren Verlauf eine militärische Niederlage der Ukraine besiegeln. Immerhin garantieren die seit März 2022 in das Krisenland fließenden Finanzmittel, die bislang hauptsächlich mit US-amerikanischen und europäischen Steuergeldern sowie dem im Westen beschlagnahmten russischen Finanzvermögen finanziert wurden, nicht nur die Fortführung der Kampfhandlungen, sondern auch – durch die Auszahlung von Gehältern, Renten oder Sozialleistungen an die ukrainischen Bürger – das Funktionieren des Staates.
Dafür setzen sich vor allem die Europäer ein und stellen der ukrainischen Regierung seit 2023 unter anderem ein Hilfspaket in Höhe von 50 Milliarden Euro bereit, das auf mehrere Jahre ausgelegt ist. Von deutscher Seite etwa wurden den Ukrainern in diesem Jahr bereits 9,5 Milliarden Euro bereitgestellt. Die gleiche Summe hat Berlin Kiew auch für das kommende Jahr zugesichert.
Angesichts solcher Zahlungen ist es natürlich kein Geheimnis, dass der ukrainische Staatshaushalt heute größtenteils aus westlichen Geldern besteht. Diesbezüglich hat etwa der Vorsitzende des Finanzausschusses des ukrainischen Parlaments, Danil Getmanzew, erklärt, dass die Gehälter von Beamten, die Sozialleistungen und die Subventionen für ukrainische Unternehmen vollständig durch “Vorzugskredite” des Westens gedeckt werden.
Dennoch reicht die heutige Finanzunterstützung offenbar nicht aus, um das Funktionieren von Staat und Wirtschaft in der Ukraine auch im kommenden Jahr zu gewährleisten. Dazu hatte die Agentur Reuters unter Verweis auf einen ukrainischen Think Tank bereits im Sommer berichtet, dass Kiew aufgrund der finanziellen Engpässe noch mehr Hilfszahlungen in Milliardenhöhe benötigen werde. Ohne diese zusätzliche Unterstützung drohe der Ukraine 2026 nämlich ein immenses Haushaltsdefizit, das sich voraussichtlich auf etwa 60 Milliarden US-Dollar belaufen werde.
Wie die russische Zeitung Komsomolskaja Prawda nun schreibt, könnte die Haushaltslücke von 60 Milliarden Dollar weitaus größer ausfallen. Da die Beschaffung von Waffen aus US-Beständen im Rahmen des vor wenigen Wochen ins Leben gerufenen Programms “Priority Ukraine Requirements List” (PURL) von der ukrainischen Seite bei ihren Prognosen nicht berücksichtigt worden sein soll. Die Kosten für diese Waffenkäufe werden der Zeitung zufolge auf etwa 1 bis 2 Milliarden Dollar pro Monat geschätzt. Dadurch könnten 2026 bis zu 24 Milliarden Dollar an Verteidigungskosten hinzukommen, sodass auch das ukrainische Haushaltsdefizit noch weiter steigen und am Ende sogar mehr als 80 Milliarden Dollar betragen könnte.
Dies verdeutlicht im Übrigen, dass einer der Hauptgründe für die enormen Finanzprobleme der Ukraine die immer weiter wachsenden Militärausgaben sind. So benötigt man für die Verteidigung des Landes im kommenden Jahr laut ukrainischen Regierungsangaben etwa 120 Milliarden Dollar und damit doppelt so viel wie im laufenden Jahr. Diese Finanzierung sei entscheidend für die Fortführung der Kampfhandlungen und die Produktion von noch mehr Waffen, heißt es in Kiew.
Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 sind die Verteidigungsausgaben der Ukraine erheblich gestiegen und sollen mit inzwischen 63 Milliarden Dollar etwa 60 Prozent des Gesamtbudgets beziehungsweise mehr als 30 Prozent des ukrainischen Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Folglich wuchs auch das Haushaltsloch der Ukraine in den vergangenen Jahren kräftig – auf 30 Milliarden Dollar im Jahr 2023 und 45 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr.
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