Von Andrei Restschikow
Diese Woche stimmte der stellvertretende russische Außenminister Sergei Rjabkow der Aussage zu, dass die Ära des Nationalpopulismus und Expansionismus unter US-Präsident Donald Trump als “Donroe-Doktrin” bezeichnet werden könnte. Demnach markiert Trumps Amtsantritt den Beginn einer neuen Ära in der US-amerikanischen Außenpolitik.
Die “Donroe-Doktrin”, so Rjabkow, “erinnert an die Monroe-Doktrin”, die 1823 von US-Präsident James Monroe formuliert wurde. Diese Doktrin rechtfertigte die Führungsrolle der USA in der westlichen Hemisphäre sowie den Expansionismus und die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder. Die Vereinigten Staaten erklärten ihre Abkehr von der Monroe-Doktrin erst im Jahr 2013, nachdem der damalige US-Außenminister John Kerry sie als einen Fehler bezeichnet hatte.
Die US-amerikanische Zeitung New York Post war eine der ersten, die zu Beginn des Jahres den Begriff der sogenannten “Donroe-Doktrin” aufgriff. Auf der Titelseite wurden Trumps Drohungen genannt, wirtschaftlichen Druck auszuüben, um Kanada zum 51. US-Bundesstaat zu machen, Grönland zu kaufen und die Kontrolle über den von den USA gebauten Panamakanal zurückzugewinnen, der unter US-Präsident Jimmy Carter verkauft wurde. Offenbar gefiel Trump selbst der Begriff der “Donroe-Doktrin”, denn er postete die Titelseite der New York Post für Millionen seiner Anhänger in den sozialen Netzwerken Truth Social und Facebook.
Rjabkow fügte hinzu, dass die “Donroe-Doktrin” auch eine gewaltsame Geopolitik ohne humanitäre und geschlechtsspezifische Komponenten beinhalten könnte. Der stellvertretende Außenminister vertrat die Ansicht, dass sich unter Trump ein kleines Fenster der Gelegenheit für die Verbesserung der Beziehungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten öffne. “Verglichen mit der Hoffnungslosigkeit der vorherigen US-Regierung gibt es ein Fenster der Gelegenheit, wenn auch ein kleines”, betonte Rjabkow.
Nach Ansicht des stellvertretenden Außenministers wird die kommende Periode der Beziehungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten ein hohes Maß an Unberechenbarkeit mit sich bringen. “Ich denke, wir werden in den internationalen Beziehungen mit einem erhöhten Tempo an Veränderungen und Herausforderungen konfrontiert sein”, schloss Rjabkow.
Aus der Sicht einiger Experten ist die Donroe-Doktrin nicht nur ein gelungenes Wortspiel, sondern auch eine neue Realität, mit der die anderen Akteure auf der Weltbühne rechnen müssen. Gleichzeitig sind sie der Meinung, dass Russland, das seine eigene Interessensphäre in Eurasien hat, ein Gegengewicht zur Donroe-Doktrin schaffen sollte.
“Die neue Doktrin spricht vom Anspruch der Vereinigten Staaten auf absolut alles, woran sie interessiert sind. Die ‘Donroe-Doktrin’ steht im Einklang mit der MAGA-Politik (Make America Great Again)”, meint der Politikwissenschaftler und Amerikanist Rafael Orduchanjan.
Nun gelte es, sich darauf vorzubereiten, nicht nach den Normen des Völkerrechts zu leben, sondern “nach Auffassungen”. “Das Völkerrecht gibt es nicht mehr, was übrigbleibt, sind Doktrinen, Etiketten, Abgrenzungen, Auffassungen und alles, was dazugehört. Es ist die Lebensauffassung eines Diebes – ich nehme mir mit Gewalt, was ich will, sei es finanziell, militärisch oder wirtschaftlich. Das ist Trumps Definition von Interessensphären, das heißt, er spricht konkret von der Inbesitznahme bestimmter Territorien”, erklärt Orduchanjan.
Der Amerikanist Dmitri Drobnizki unterstreicht, dass Trumps Forderungen ernst genommen werden sollten. “Es ist offensichtlich, dass die Welt auf die eine oder andere Weise zum Konzept der großen Regionen zurückkehrt. … Die USA müssen, wenn sie eine Großmacht und nicht ein Förderer der globalen liberalen Demokratie werden wollen, Zugang zu Ressourcen, Handelswegen und Hebeln haben, um in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft für Ordnung zu sorgen. In diesem Sinne sind Trumps Ansichten über Kanada, Grönland, Mexiko und den Panamakanal kein Populismus, sondern Geopolitik”, meint der Experte.
“In der Geopolitik geht es heute um Handelswege, Ressourcen, nationale Interessen- und Einflusszonen und die Gewährleistung von Sicherheit.” Alles, was Trump gesagt hat, entspricht dem Verständnis der multipolaren Welt in ihrer ungeschminkten Pracht. In dieser Welt sind die Vereinigten Staaten seiner Meinung nach die mächtigsten. ‘Wenn ihr mit uns Handel treiben wollt, treibt Handel mit uns, und wenn ihr nicht mit uns Handel treiben wollt, hier sind die Zölle in Höhe von 100 Prozent, und überlebt, wie ihr wollt.’ Diesen Ansatz kann man anprangern, oder man kann ihn in den neuen Realitäten vernünftig bewerten und akzeptieren”, stellt Drobnizki fest.
Russland werde im Bereich seiner traditionellen Interessen auch die Konsequenzen berücksichtigen müssen, zu denen die “Donroe-Doktrin” führen wird, betont Orduchanjan und fügt hinzu: “Unser Land wurde über Jahrhunderte geformt, es muss geschützt werden. Trump hat das erkannt, und er tut es im Falle der Vereinigten Staaten.”
Gleichzeitig bezweifelt Drobnizki, dass die neue US-Regierung mehr Verständnis für Russlands Position zur Verteidigung seiner Einflusssphären haben werde. Seiner Meinung nach bestehe die Hauptaufgabe darin, das außenpolitische Paradigma zu ändern, da das Vertrauen in die UN-Institutionen nicht mit der Multipolarität vereinbar ist.
“Die Verteidigung von Positionen wird durch Maßnahmen ausgedrückt, die nicht unbedingt gewaltsam sein müssen. Es kann kultureller und diplomatischer Einfluss sein, Druck im Bereich des Handels. Auf diese Instrumente kann man nicht verzichten. Der rhetorische Apparat des Völkerrechts ist nicht geeignet, um die eigenen Rechte auf irgendetwas geltend zu machen. Souveräne Gleichheit ist nur denjenigen vorbehalten, die bereit sind, ihre Souveränität zu verteidigen”, mahnt der Politikwissenschaftler.
Auf die eine oder andere Weise versucht Trump, den Einflussbereich der USA in der westlichen Hemisphäre zu maximieren, sagt Stanislaw Tkatschenko, Professor am Lehrstuhl für Europastudien der Fakultät für Internationale Beziehungen der Staatlichen Universität Sankt Petersburg und Experte des Waldai-Clubs. Der Experte betont: “Er handelt auf der Grundlage der politischen und wirtschaftlichen Interessen Washingtons.”
“Der Panamakanal, Kanada, Grönland – all dies sind die Umrisse einer einzigen Region, in der Trump die unbestreitbare Verwirklichung US-amerikanischer Interessen voll und ganz spüren möchte. Man kann sagen, dass der Republikaner versucht, eine Zone des garantierten Einflusses des Weißen Hauses aufzubauen. Vor dem Hintergrund des wachsenden Wettbewerbs zwischen den Großmächten ist das logisch”, meint Tkatschenko.
“Doch ob es Trump gelingen wird, solche ehrgeizigen Pläne zu verwirklichen, ist unklar. Schließlich umfasst der vom neuen US-Präsidenten beschriebene Umkreis souveräne Staaten, die an ein hohes Maß an Unabhängigkeit vom Weißen Haus gewöhnt sind. Daher werden die Ansprüche des Republikaners höchstwahrscheinlich nur teilweise erfüllt werden”, meint der Waldai-Experte und fügt hinzu:
“Allerdings ist Trumps Versuch, eine Zone des garantierten Einflusses abzugrenzen, schon an sich interessant. In diesem Zusammenhang sind seine Worte, dass er die Gefühle Russlands bezüglich der NATO-Mitgliedschaft Kiews versteht, bezeichnend. Und nach einer Weile drohte er uns mit neuen Sanktionen für den Fall einer Ablehnung seines Ukraine-Deals. Das wirft die Frage auf: Wenn Washington Exklusivrechte für bestimmte Gebiete in der westlichen Hemisphäre beanspruchen will, kann Moskau dann das Gleiche mit dem postsowjetischen Raum tun und wird dies Gegenstand eines Abkommens sein?”
“Natürlich ist das Denken in großen Konstrukten im Sinne einer klaren Festlegung von Verantwortungs- und Einflusssphären ganz in Trumps Sinne. Aber Russland zu verstehen und seine Interessen anzuerkennen, ist etwas völlig Anderes. Außerdem gibt es neben ihm ein ganzes US-Außenministerium und zahlreiche Eliten, die eindeutig nicht von der Idee begeistert sind, eine so große Einflusszone für Moskau anzuerkennen”, schließt Tkatschenko.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 23. Januar 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.
Andrei Restschikow ist Analyst bei der Zeitung Wsgljad.
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