
Von Dagmar Henn
War das ein kleines Weihnachtsgeschenk an die notleidenden Europäer? Fast könnte man es glauben. Auf jeden Fall geben die US-Sanktionen gegen einige der europäischen Zensurapostel irgendwie ein befriedigendes Gefühl, auch wenn das nur heißt, dass diese Personen erst einmal nicht mehr in die USA einreisen dürfen.
Außenminister Johann Wadephul hat natürlich gleich erklärt, die Sanktionen unter anderem gegen die Geschäftsführerinnen von HateAid, Anna-Lena von Hodenberg und Josephine Ballon (ja, die heißen wirklich so, das sind keine Namen, die besonders ausgesucht wurden, um den Eindruck der arroganten höheren Tochter zu erwecken) sowie gegen den ehemaligen EU-Kommissar Thierry Breton seien “nicht akzeptabel”. Und Ursula von der Leyen entdeckt auf einmal die EU als Hort der Meinungsfreiheit und postete auf X (bitte nicht den Keks verschlucken): “Redefreiheit ist das Fundament unserer starken und lebendigen europäischen Demokratie. Wir sind stolz auf sie. Wir werden sie schützen. Denn die EU-Kommission ist die Hüterin unserer Werte.”
Ja, das ist schon heftig. Anna-Lena von Hodenberg und von der Leyen als Hüterinnen der Meinungsfreiheit, da erhält der Spruch vom Bock als Gärtner eine ganz neue Qualität, und nicht nur deshalb, weil das in diesem Fall ja Ziegen wären. Der einzig verbliebene Bock in der Runde, Thierry Breton, hatte sich dafür ganz persönlich beim aktuellen US-Präsidenten unbeliebt gemacht. Immerhin hatte er anlässlich des Kamingesprächs zwischen Elon Musk und dem damaligen Kandidaten Donald Trump ein Erpressungsschreiben geschickt, in dem er mit Strafen der EU drohte, wenn dieses Gespräch auch für europäische Nutzer sichtbar wäre. Einige Monate später, bereits nicht mehr EU-Kommissar, raunte er davon, auch die deutschen Wahlen könnten annulliert werden wie die rumänischen, wenn das Ergebnis nicht passe…
HateAid ist übrigens eine Einrichtung, die seit 2018 vor allem mit deutschen Steuergeldern aufgebaut wurde, nämlich vom Bundesministerium für Justiz und dem Bundesministerium für Familie; außerdem von der Stiftung der Milliardärsfamilie Reimann und anderen Sponsoren. Die gemeinnützige GmbH gehört zu einem Drittel Campact, einem Drittel Frau von Hodenberg und einem Drittel dem Verein Fearless Democracy e.V., dessen Webseite gewartet wird, der aber schon seit 2017 am Thema “Hass im Netz” arbeitet, also schon weit im Vorlauf der heutigen Zensur. HateAid sitzt also tief im NGO-Sumpf, eine dieser scheinbar “zivilgesellschaftlichen” Organisationen, die staatlich finanziert werden, um dann Aufgaben zu erledigen, die der Staat selber diesmal nicht sichtbar ausführen will, wie die Überwachung unliebsamer Meinungen. Und entgegen der Wahlversprechen ist auch HateAid eine der NGOs, die weiter finanziert werden.
2024, so erklärt HateAid, habe es 1.877 Betroffene von “Hass im Netz” vertreten, 326 Strafanzeigen gestellt und 143 Abmahnungen und 49 Zivilklagen geführt. Das ist, wenn man es mit den Spitzenreitern unter beleidigten Politikern vergleicht, Robert Habeck, Friedrich Merz und Marie-Agnes Strack-Zimmermann, eher wenig, aber es sind solche Organisationen, die die Grundlagen auch für die Abmahngeschäfte gelegt haben, die heutzutage die öffentliche Zensur noch in private Nebeneinnahmen verwandeln.
Wobei man auf der technischen Ebene sagen muss, diese Läden waren überaus erfolgreich. Denn vor sieben, acht Jahren war das alles noch ein Randdiskurs, und kaum vorstellbar, dass sämtliche Mainstream-Medien alles als “Hass und Hetze” einsortieren, was nicht ihrer Linie entspricht; auch wenn nach 2015 die ersten Gräben schon gezogen worden waren (Kölner Silvesternacht beispielsweise).
Insofern trifft die Beschreibung in der Presseerklärung des US-Außenministeriums zur Sanktionierung durchaus: “Diese radikalen Aktivisten und politisch instrumentalisierten NGOs haben Zensurmaßnahmen ausländischer Staaten vorangetrieben – in allen Fällen richteten sie sich gegen amerikanische Sprecher und amerikanische Unternehmen.” Sie seien Teil des “globalen Zensur-Industriekomplexes”. “Präsident Trump hat unmissverständlich klargestellt, dass seine außenpolitische Strategie ‘America First’ Verletzungen der amerikanischen Souveränität zurückweist. Auch extraterritoriale Übergriffe ausländischer Zensoren, die sich gegen die freie Meinungsäußerung von Amerikanern richten, bilden dabei keine Ausnahme.”
Der französische Präsident Emmanuel Macron nannte diese Sanktionen Einschüchterung und Nötigung. Das bedarf schon einer gewissen Kühnheit, ebenso wie von der Leyens Trompeten über die Meinungsfreiheit als Fundament, oder einer völligen Gedächtnislosigkeit ‒ schließlich liegen die Sanktionen der EU gegen Jacques Baud nicht einmal zehn Tage zurück.
Sanktionen, die ebenso wenig auf einer strafbaren Handlung beruhen, aber wesentlich weiter gehen, denn während die beiden Damen von HateAid und Ex-Kommissar Breton nur auf US-Reisen verzichten müssen, sind die Sanktionen gegen Baud, der in Brüssel lebt, im Kern lebensbedrohlich und überschreiten selbst das Maß der Eingriffe in die persönliche Freiheit, das eine Haft darstellt. Wie Baud es sagte: “Ich kann mir nicht einmal ein Brot kaufen.” Ganz zu schweigen davon, dass der Sprecher des deutschen Außenministeriums auf der Bundespressekonferenz diese Sanktionierung für ein freudig zu wiederholendes Muster hielt: “Alle, die auf diesem Feld unterwegs sind, müssen damit rechnen, dass es auch ihnen passieren kann…”
Aber die Maßnahmen gegen diese ganz speziellen Helden der Demokratie, die Zensurmädels und den Wahlleugner Breton, die sind besonders schrecklich. Von wegen Meinungsfreiheit. Das ist eben der Unterschied zwischen jenen, die die EU-Linie schaffen, und jenen, die sie in Frage stellen. Nicht umsonst betreibt HateAid seit Langem ein Büro in Brüssel: Anna-Lena von Hodenberg hat bestimmt längst eine Karriere im Apparat der EU im Visier. In dieser Hinsicht ist ein Einreiseverbot für die USA natürlich schon ungünstig.
Der Medienanwalt Ralf Höcker kommentierte auf X die Truppe von HateAid als “ausgelagerte Staatsmacht ohne demokratische Kontrolle” und fügte hinzu: “Wer weltweit an der Verschiebung von Meinungsgrenzen mitwirkt und private Zensurmechanismen organisiert, betreibt Politik ‒ nicht bloß Hilfe für Betroffene. Staaten dürfen darauf reagieren.”
Das ist vermutlich der entscheidende Unterschied zwischen Baud und den Zensorinnen. Bauds Tätigkeit schädigt keine Dritten. Er legt nur eine Sicht dar und verfolgt niemanden. Die beiden höheren Töchter (die sich in ihren bekanntesten Fällen für Renate Künast und Luise Neubauer stark gemacht haben ‒ beides Personen, die wirklich nicht auf die Hilfe von NGOs angewiesen sind, um ihre Interessen zu vertreten) verbringen ihre Zeit mit nichts anderem als damit, andere zu verfolgen. Das ist der Kern ihrer Tätigkeit. Nicht, um zu überzeugen. Nein. Um den Debattenraum immer weiter zu verengen und als halbstaatliche Verfolgungsbehörde Hilfestellung dabei zu leisten, Meinungsäußerungen überhaupt erst zu Straftaten zu machen.
“Wir lassen uns von einer Regierung nicht einschüchtern, die Zensurvorwürfe instrumentalisiert, um diejenigen, die sich für Menschenrechte und Meinungsfreiheit einsetzen, mundtot zu machen”, erklärten die beiden Damen. Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Zensur ist Meinungsfreiheit. Da hat jemand seine Gedanken längst in einen Gordischen Knoten verwandelt.
Allerdings kratzen diese Sanktionen gerade mal an der Oberfläche, und sie könnten eine schärfere Auseinandersetzung zwischen den USA und der EU einleiten. Christopher Landau, Staatssekretär im US-Außenministerium, hat in diesem Zusammenhang auf X das dreiste Schreiben von Thierry Breton an Musk wieder hervorgekramt. “Mehr als jedes andere Dokument, das ich je gelesen habe, zeigt dieser Brief die Zähne des globalen Zensur-Industriekomplexes und macht deutlich, dass nicht gewählte Bürokraten in der EU bereit, willens und in der Lage sind, ihre regulatorische Reichweite zu nutzen, um Wahlen zu beeinflussen und den Ersten Verfassungszusatz in den USA faktisch auszuhebeln. […] Wenn die souveränen Staaten Europas zulassen, dass die EU grundlegende Freiheiten in den USA angreift, können dieselben Staaten nicht erwarten, dass die USA grundlegende Freiheiten in Europa verteidigen.”
Nun, die Bademantelkultur, zu deren Etablierung die jetzt Sanktionierten beigetragen haben, dürfte in den USA mit einer Mischung aus Erstaunen und Widerwillen betrachtet werden. Was sich nicht wesentlich von jenen Gefühlen unterscheiden dürfte, die auch viele Einheimische angesichts der “Schwachkopf”-Affäre und Ähnlichem empfinden. Es ist eine kleine Weihnachtsfreude über ausgleichende Gerechtigkeit. Allerdings mit zwei Unvollkommenheiten.
Die Erste ist, dass sich leider Sanktionen nicht gegenseitig aufheben, die Sanktionierung der EU-Zensurvertreter ihren Opfern, wie Jacques Baud, also leider gar nichts nützt, sondern diese atemberaubenden Ungerechtigkeiten bestehen bleiben. Und die Zweite ist, dass es noch nicht die Menschen in der EU sind, die diese Herrschaften sanktionieren.
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