Die Show im Weißen Haus vollendete die Unterwerfung Europas

Von Timofei Bordatschow

Für ein breites Publikum erweist sich die US-Politik stets als eine Art Show, hinter der sich jedoch fast immer Entscheidungen von großer Tragweite verbergen. Der Bereich der Außenpolitik stellt hier keine Ausnahme dar, obwohl es dabei offenbar um sehr ernste Angelegenheiten geht.

Im Vergleich zu seinen Vorgängern zeichnet sich US-Präsident Donald Trump vor allem dadurch aus, dass er diese Praxis, sich aufzuführen, zur Perfektion brachte, ohne dabei seine Ziele aus den Augen zu verlieren. Das bedeutet, dass man seine regelmäßigen Shows auf verschiedenen politischen Bühnen sehr ernst nehmen sollte.

Die jüngste Episode in den Beziehungen der USA zu ihren europäischen Verbündeten, deren Zeugen wir kürzlich geworden sind, könnte wesentliche Veränderungen innerhalb des sogenannten kollektiven Westens bedeuten. Denn die Diskussion über die Ukraine-Frage wurde von Washington zum Erreichen eines für ihn sehr wichtigen Ziels genutzt: der Konsolidierung seiner Ressourcen in einer Zeit grundlegender Veränderungen auf der internationalen Bühne. Und das Telefongespräch mit dem russischen Präsidenten nach diesem Treffen diente nicht nur der Beilegung der Ukraine-Krise, sondern war auch ein Zeichen dafür, dass die USA die Politik des gesamten Westens bestimmen.

Es ist ja nicht so, dass die Amerikaner früher besonders taktvoll mit ihren Verbündeten umgegangen wären. Die Geschichte kennt zahlreiche Beispiele, in denen US-Präsidenten selbst die grundlegendsten Interessen Berlins, Paris’ oder Londons demonstrativ, wenn auch auf höfliche Weise, ignorierten. Nun ist der Kontext anders: Angesichts der harten Konkurrenz durch China und der sinkenden Chancen, weiterhin von der gesamten Weltwirtschaft zu profitieren, kann sich Washington nicht einmal mehr ein Mindestmaß an Respekt gegenüber den von ihm abhängigen Staaten leisten.

Als einzige Alternative für die USA in dieser neuen Weltordnung wäre nur die Selbstisolierung denkbar. Doch dazu sind die Amerikaner nicht bereit, obwohl die Aufrufe, sich nicht in die Angelegenheiten des restlichen Teils der Welt einzumischen, bei den letzten Wahlen sehr beliebt waren. Es wäre leichtfertig zu glauben, dass die von Trump und seinen Vertrauten geäußerten Drohungen, sich vollständig aus Europa zurückzuziehen, ernst gemeint sind.

Im Gegenteil: Trotz ihrer Schwäche bietet Europa den USA die letzte Möglichkeit, ihren globalen Einfluss zu bewahren. Denn in allen anderen Regionen der Welt ist ihre Position nicht mehr so stark. Selbst die arabischen Monarchien im Nahen Osten zeigen trotz ihrer Abhängigkeit von den USA in Verteidigungsfragen eine gewisse Unabhängigkeit. Ganz zu schweigen von fast allen asiatischen Ländern, wo nur Japan und Südkorea vollständig den USA folgen. Und selbst diese versuchen, die USA zu täuschen, indem sie ihre Kontakte zu Russland in den letzten Jahren nicht abbrechen ließen.

Nun ist es für Washington wichtig, die Europäer endgültig zu unterwerfen und damit das “Werk” früherer US-Regierungen zu vollenden. Der neue US-Präsident tut dies lediglich auf seine eigene Art und Weise: Er setzt die Tradition der politischen Show fort, allerdings noch theatralischer und etwas hochtrabender. Dadurch wird Europa nicht nur auf praktischer, sondern auch auf symbolischer Ebene unterworfen, was noch demütigender wirkt. So soll bei künftigen Generationen europäischer Politiker nicht einmal der Gedanke aufkommen, dass es möglich wäre, sich in irgendetwas den Anweisungen ihrer Vorgesetzten im Weißen Haus zu widersetzen.

Was Europa betrifft, so ist man dort auf eine solche Entwicklung durchaus vorbereitet. Während des gesamten Verhandlungsprozesses über die Ukraine in den letzten sechs Monaten war es offensichtlich, dass das Hauptziel der Europäischen Union und Großbritanniens darin besteht, ihren Platz in der neuen US-Strategie zu finden. Die Versuche europäischer Politiker, den Friedensprozess zu bremsen, bedeuten nichts anderes als ein Feilschen um günstigere Kapitulationsbedingungen. Das Schicksal des Kiewer Regimes und der Ukraine selbst ist in diesem Zusammenhang lediglich eine Verhandlungsmasse. Die Ukraine hat für die USA und den gesamten Westen keine grundlegende Bedeutung, sondern dient lediglich als Instrument im militärisch-diplomatischen Kampf gegen Russland.

Im Weißen Haus versammelt, sollten die Staats- und Regierungschefs mehrerer europäischer Länder, darunter die wichtigsten – Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien –, öffentlich ihre Unterstützung für die Politik der USA in der für Europa wichtigsten außenpolitischen Frage bekunden. Mit dabei waren auch die EU- und NATO-Spitzen, die praktisch jedes Wort des US-Präsidenten begeistert bekräftigten. Mit anderen Worten: Wir wurden Zeugen eines Treueeides gegenüber den US-Interessen und einer vollständigen Abkehr von den eigenen. Jeder von ihnen musste seine eigenen Worte finden, um seine Unterwürfigkeit zum Ausdruck zu bringen. Und damit kamen die europäischen Spitzenvertreter grundsätzlich gut zurecht.

Daher sollte das, was im Weißen Haus wie eine fast absurde Inszenierung wirkte, sehr ernst genommen werden, auch aus Sicht der russischen Interessen.

Erstens bedeutet die vollständige Kontrolle der USA über Europa, dass es ziemlich unwahrscheinlich wird, dass die Europäer auch nur eine relative Unabhängigkeit erreichen können. Es sei daran erinnert, dass die Europäer nach dem Ende des Kalten Krieges ernsthaft darüber nachdachten und Deutschland und Frankreich sich im Jahr 2003 recht frech gegen die US-Invasion im Irak aussprachen. Für Russland und die Welt verliert Europa also seinen Status als eigenständiger politischer Akteur und wird zu einem Anhängsel der USA.

Zweitens erfordert die von Trump bewirkte endgültige Unterwerfung Europas eine grundlegende Korrektur vieler Aspekte der russischen Strategie gegenüber dem Westen. Es sei daran erinnert, dass unsere Politik jahrelang auf der Annahme beruhte, dass die Europäer zwar von den USA abhängig sind, aber in Einzelfällen unabhängig handeln und damit den Interessen Russlands dienen können. Diese Strategie basierte auf dem Umstand, dass alle Konflikte Russlands mit dem Westen in einer Zeit stattfanden, in der das Lager unserer Gegner gespalten war. Derzeit gibt es keine Gründe mehr für eine solche Spaltung, einfach weil Europa nun Teil eines riesigen Konzerns namens “USA” ist.

Schließlich geben diese als Show inszenierten Ereignisse Anlass zu ernsthaften Gesprächen zwischen Russland und China. Unsere chinesischen Freunde betrachten Europa nach wie vor als einen Partner, der in ihrem Konflikt mit den USA eine neutrale Position vertreten wird. Nachdem nun jedoch kein Zweifel mehr an der wahren Rolle Europas besteht, könnte sich dieser Ansatz nicht nur als sinnlos, sondern auch als gefährlich für die außenpolitischen Ziele Pekings und Moskaus erweisen.

Das Gleiche gilt für andere BRICS-Staaten, die weiterhin freundschaftliche Beziehungen zu Europa unterhalten. Indien betrachtet die Alte Welt als Partner für Investitionen und Technologien. Derzeit ist es für alle an der Zeit, die bisherige Sichtweise auf Europa vollständig zu überdenken.

Dabei behalten die USA selbst völlige Flexibilität in außenpolitischen Fragen. Nach mehreren Jahren aktiver Unterstützung Kiews, was wiederholt zu einer gefährlichen Eskalation führte, unternimmt die neue US-Regierung Schritte zur Lösung dieses Problems. Dies stellte auch Russlands Präsident Wladimir Putin in seinem Telefongespräch mit Donald Trump fest. Die Strategie der “Isolierung und strategischen Niederlage” Russlands ist in Washington nicht mehr aktuell, was auch das gesamte System der Beziehungen des Westens zur übrigen Welt verändert. Mit anderen Worten: Im Gegensatz zu Europa sind die Amerikaner in der Lage, sich an die sich verändernde Realität anzupassen, ohne dabei ihre auf Macht basierende Politik aufzugeben.

Auch wenn wir derzeit eine gewisse Belebung der Beziehungen zwischen Russland und den USA beobachten, werden diese in Zukunft dennoch kompliziert bleiben. Und der europäische Raum könnte – unter der technischen Führung seiner Eliten – zu einem Ort werden, an dem russische und US-amerikanische Interessen noch mehrmals aufeinanderprallen. Genau darin liegt die größte Gefahr: Die USA haben keinen Grund mehr, die Meinung Europas zu berücksichtigen, geschweige denn, es wie ihr eigenes Territorium zu verteidigen.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 19. August 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.

Timofei Bordatschow ist der Programmdirektor des Waldai-Clubs.

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