Von Dagmar Henn
Derzeit scheint es Meldungen zu hageln, die eine Eskalation in der Ukraine begünstigen. Da gibt es die harmlosen, wie die martialische Durchsuchung eines Schüttgutfrachters im Nord-Ostsee-Kanal, mit einer Durchsuchung, die an die zwanzig Stunden dauerte; die Märchenstunde von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über ihr angeblich gestörtes GPS; den angeblichen russischen Bombenangriff auf Rentner und zuletzt noch die russischen Drohnen, die in Polen abgeschossen wurden.
Ach ja, und da war noch etwas, was zu dem Zeitpunkt, als die Meldung veröffentlicht wurde, etwas unlogisch schien – der ehemalige polnische Präsident Andrzej Duda erklärte, Kiew habe im Herbst 2022, als eine russische Rakete in Polen eingeschlagen sein soll, darauf gedrängt, er solle doch Artikel 5 des NATO-Statuts aktivieren.
Das ist gerade einmal eine Woche her, und zu diesem Zeitpunkt wunderte man sich, warum Duda diese alte Geschichte überhaupt wieder ins Spiel brachte. Damals hieß es anfänglich, es sei eine russische Rakete gewesen, die bei einem polnischen Getreidespeicher einen Mann getötet hat, bis dann Fotos der Überreste der Rakete sie eindeutig als das erste Modell einer S-300-Luftabwehrrakete identifizierten.
Was Duda nicht gesagt hat, aber im Zusammenhang mit diesem alten Ereignis damals entscheidend war, ist, dass nie geklärt wurde, ob nicht die Ukraine diese Rakete absichtlich auf polnisches Gebiet geschossen hat. Es gab Indizien dafür, die eigentlich genauer hätten untersucht werden können – wenn irgendjemand im Westen Interesse gehabt hätte, diese Frage zu klären. Die Rakete vom Typ 5V55K hätte jederzeit per Funk zerstört werden können, sobald klar war, dass sie sich auf polnisches Gebiet zubewegt, was aber nicht geschah. Und die Tatsache, dass sie überhaupt am Boden und nicht noch in der Luft explodierte, legt außerdem nahe, dass dieses konkrete Exemplar manipuliert war.
Während also damals die ganze Medienmaschinerie hochfuhr, um “die Russen” zu beschuldigen, Polen mit einer Rakete beschossen zu haben, wäre die wirkliche Frage gewesen, ob es sich dabei um eine gezielte Provokation handelte, deren Ziel darin bestand, die NATO unmittelbar in den Krieg zu involvieren. Genau diese ungeklärte Frage wurde durch Dudas Äußerungen wieder ins Gedächtnis gerufen.
Was eine starke Resonanz zu den russischen Drohnen über Polen erzeugt. Die Aussagen des weißrussischen Militärs klingen plausibel; viele Drohnen fliegen ihren Zielort nicht direkt an, sondern “von hinten”, also im Falle von Lwow, das das Ziel gewesen sein soll, aus Richtung Polen; die Möglichkeit, den Kurs in Richtung Polen abzulenken, ist also durchaus gegeben. Dass Mittel der elektronischen Kriegsführung den Kurs von Drohnen beeinflussen können, konnte man in den Informationen von der Front schon vielfach lesen – der neuere Drohnentyp, der über Glasfaser gesteuert wird, ist eine direkte Reaktion darauf, dass funkgesteuerte Drohnen auch vom Gegner übernommen werden können.

Die Frage, die man sich stellen muss, ist nun, ob es sich nur um eine Ablenkung handelte, also der Kurs beeinflusst, aber nicht kontrolliert wurde; oder um eine Übernahme, also ob die Drohnen von ukrainischen Piloten, die sie gekapert haben, gezielt auf Polen gesteuert worden sein können. Auch das ließe sich vermutlich anhand der genauen Radaraufzeichnungen klären, da das “Abbringen vom Kurs” im Gegensatz zu einer Übernahme einer Linie folgen müsste. Aber diese Daten sind noch nicht öffentlich, und werden es womöglich nie werden. Das sollte aber nicht davon abhalten, darüber nachzudenken. Wenn man allerdings das Bild nimmt, das Kiew Insider dazu veröffentlichte, sieht das eher nach Übernahme als nach Ablenkung aus.
Schon die Inszenierung mit den vermeintlich angegriffenen Rentnern in Jarowaja hatte etwas von einer Verzweiflungstat.

Eigentlich genügt da schon ein Screenshot aus dem Video, das Selenskij selbst dazu veröffentlicht hat. Wie man sehen kann, sind bei dem Postauto, das das Ziel des vermeintlichen russischen Angriffs gewesen sein soll, die Frontscheibe und die linke Seitenscheibe intakt. Wäre in der Nähe dieses Fahrzeugs tatsächlich auch nur eine FAB 250 (die gibt es bis zur FAB 3.000) explodiert, mit hundert Kilogramm Sprengstoff, fände sich im ganzen Fahrzeug keine vollständige Scheibe mehr; es stünde auch nicht mehr so ordentlich da.
Es gäbe auch einen tiefen Krater. Unter der Humusschicht besteht der Untergrund im Donbass vor allem aus Kalkstein (der Grund, warum das ganze Gebiet vergleichsweise trocken ist und die Sowjetunion zur Wasserversorgung Kanäle gebaut hat), weshalb das Fehlen eines entsprechenden Sprengtrichters sehr auffällig ist.
Nun, es gab schon eine Reihe von Vorfällen, in denen Kiew einen Angriff vorgetäuscht hat, man denke nur an die Totschka-U auf den Busbahnhof in Kramatorsk, bei der dann dummerweise die Raketenreste von einem italienischen Fotografen in die Welt versendet wurden, weshalb Kramatorsk sehr schnell aus den Medien verschwand. Es wäre also nicht wirklich überraschend, wenn sich auch Jarowaja als derartige Inszenierung erweist – umso mehr, als wir hier immer noch von Donbassbewohnern reden, die einmal für die Unabhängigkeit gestimmt haben, was für die russische Haltung ihnen gegenüber eine große Rolle spielt.
Aber zurück zu den Drohnen. Oder, genauer, zu den Gedanken rundherum. Es ist vergleichsweise ungewöhnlich, dass so viele Motive der Propaganda zusammentreffen. Was sollte von der Leyens GPS-Geschichte, die sogar den französischen Hersteller ihres Flugzeugs verärgerte (weil es für die Navigation nicht von GPS-Signalen abhängig ist)? Diese ungeheuer aufwendige Durchsuchung des Schüttgutfrachters Scanlark, die eigentlich nur mit der russischen Besatzung begründet wurde (ein Grund, aus dem man die Hälfte aller Schiffe, die auf der Ostsee unterwegs sind, durchsuchen müsste)?
Ja, und dann gab es noch etwas Seltsames. Bei diesem Stromausfall in Berlin hätte ich nur darauf gewartet, dass wieder das Lied von der russischen Sabotage angestimmt wird – das wurde zuletzt schließlich auch mit Brandanschlägen auf Bahnkabel versucht, die von Klimaterroristen attackiert wurden. Dummerweise gab es ein Bekennerschreiben auf Indymedia. Seltsamerweise wurde es dann wieder gelöscht – als hätte der V-Mann, der diese Gruppe betreut, nicht aufgepasst und von seinen Chefs eins auf die Mütze bekommen, weil er die ganze schöne Russensabotagenummer verpudelt hat, und als hätte er dann versucht, das noch zu kitten.
Üblicherweise kommen solche Motive einzeln. Man kann schließlich aus einer einzelnen Drohne über einem langweiligen Ort wie Brunsbüttel auch drei Tage lang Schlagzeilen ziehen, wenn man nur genug “Experten” herbeiholt, die wiederholen, wie gefährlich das ist und dass ganz bestimmt die Russen dahinterstecken (im Fall von Brunsbüttel erwies sich das letztlich doch als unschuldiger Anwohner mit Technikmacke). Und die Erfahrung der letzten Jahre besagt eigentlich, dass jedes einzelne Motiv bespielt wird, bis alles herausgeholt ist und es in der Versenkung verschwindet.
Die Durchsuchung der Scanlark folgte auch noch dem Rollatorputsch-Muster, sprich, es wurde ungeheuer viel Personal eingesetzt, damit es auf jeden Fall gefährlich wirkt; ein bisschen so, als würde man wegen Falschparkens das SEK schicken – die Umstehenden sind dann sicher überzeugt, dass Falschparken gar nicht der Anlass gewesen sein kann. Auch das ist eine Masche, die immer beliebter wird, da muss man nur an die Hausdurchsuchungen wegen Facebook-Beiträgen erinnern, morgens um sechs.
In Summe erweckt das Bündel, wenn man auch noch Dudas Aussage mitberücksichtigt, den Eindruck, als wären da einige bemüht, auf Teufel komm raus noch eine Eskalation herbeizubiegen. Klar, die ukrainische Lage an der Front ist schlecht, und alle bisherigen Wunderwaffen haben sich als Enttäuschung erwiesen. Viele EU-Politiker wären bereit, fast alles zu tun, um die USA mithilfe der Ukraine in Europa festzunageln, vor allem, nachdem gerade ein Entwurf für eine neue Militärdoktrin vorgelegt wurde, die den Schwerpunkt der US-Strategie auf den amerikanischen Kontinent selbst legen will. Mindestens die französische und die britische Regierung sind so bankrott wie gescheitert, und von der Leyen sucht nach wie vor nach dem Ring, um alle zu knechten.
Es gibt also genug Akteure, die ein Motiv hätten, während womöglich andere mehr oder weniger subtil versuchen, dagegenzuhalten (wobei es etwas überraschend ist, ausgerechnet Duda in der zweiten Gruppe zu finden). Auf jeden Fall sollte man diesem propagandistischen Dauerfeuer mit noch mehr Misstrauen begegnen als üblich – man scheint derzeit aus dem Vollen schöpfen zu wollen, und es sieht aus, als wäre es mit angeblich sabotierten Unterseekabeln nicht mehr getan. Mal sehen, was in den kommenden Tagen sonst noch aufgetischt wird.
Nicht zu vergessen: Gerade findet in der und um die Ostsee das NATO-Manöver “Northern Coasts” statt, als Teil des Großprogramms Quadriga 2025; kein Zeitpunkt, an dem man derartige Spielchen sehen möchte.
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