Von Pjotr Akopow
Die Putin-Ära dauert nun schon ein Vierteljahrhundert. Sie begann am 31. Dezember 1999, als der damalige Staatsführer Boris Jelzin am Silvesterabend seine achtjährige Regierungszeit mit einer Entscheidung beendete, die zumindest teilweise seine vielen schwerwiegenden Fehlentscheidungen und Fehleinschätzungen gutmachte: Er traf nicht nur die richtige, sondern eine historische Entscheidung – er übergab die Macht an Wladimir Putin.
Zu diesem Zeitpunkt konnte niemand die Zeitdauer und das Ausmaß von Putins Epoche einschätzen – vielmehr war es damals kaum vorstellbar, dass seine Präsidentschaft als Epoche in die russische Geschichte eingehen würde. Doch Putin trat nicht nur ernsthaft und für eine lange Zeit an – er schaffte es auch, zwei entscheidende Aufgaben zu erfüllen.
Er musste den weiteren Landeszerfall verhindern, denn die Chancen für eine weitere Desintegration des bereits “kleinen Russlands”, das heißt der Russischen Föderation, blieben sehr hoch. Und das lag nicht nur am Krieg im Nordkaukasus, sondern auch an den Ambitionen der in der Hauptstadt ansässigen Oligarchen und der allgemeinen Stimmung unter den regionalen Eliten. Während Erstere sich als die eigentliche Macht im Lande betrachteten und eine vollständige Unterwerfung des Staatsapparates unter ihren Einfluss anstrebten, wollten letztere sich von der in Abhängigkeit von den Oligarchen geratenen Staatsregierung stärker distanzieren und ihre Rechte und ihr Territorium vor Raubzügen der Oligarchen schützen.
Das Handeln dieser beiden Gruppen schwächte Russland im Inneren und hätte dazu führen können, dass sich das Land de facto in eine Konföderation verwandelt hätte, in der sich Selbstverwaltung und Autonomie der Regionen mit der Abhängigkeit der Regierung und des Kremls von der Oligarchenelite verbunden hätten. Dies hätte entweder zum Landeszerfall in mehrere Regionalblöcke oder zur Errichtung einer Oligarchendiktatur geführt, in der die wahren Herrscher des Landes durch Manipulation der öffentlichen Meinung Minister und Präsidenten austauschen würden.
Russland (als Ganzes und in Teilen) würde mit allen Mitteln in die westlichen Strukturen und in die Umlaufbahn des westlichen Einflusses hineingezogen werden – als Juniorpartner, der faktisch kein Stimmrecht hat. Denn die oligarchische Klasse war nicht nur kosmopolitisch, sondern überwiegend prowestlich orientiert.
Aber Putin schaffe es nicht nur, diesen Trend zu stoppen. Er wendete diesen künstlichen (weil den nationalen Interessen und den historischen Gegebenheiten widersprechenden) Lauf der Dinge um. Durch die Wiederherstellung der Machtvertikale und die Entziehung des politischen Einflusses der Oligarchie änderte er die Entwicklungsrichtung Russlands – und wendete damit die Gefahr des Landeszerfalls ab.
Aber die nach dem Zusammenbruch der UdSSR bestehenden Probleme und Herausforderungen dieses “Großrussland” sind nicht verschwunden, aber auch hier gelang es Putin, die Entwicklungsrichtung zu ändern. Russland stand vor zwei Herausforderungen: dem Verlust des postsowjetischen Raums im Allgemeinen und der Ukraine im Besonderen. Die Ukraine konnte keineswegs als eigenständiger Staat betrachtet werden – es handelte sich um zwei Staaten einer einzigen Nation. Und diese Staaten waren in der einen oder anderen Form auf eine Wiedervereinigung angewiesen, sei es nach dem Vorbild des Unionsstaates Russland-Weißrussland, der Eurasischen Union oder einer vollständigen Wiedervereinigung.
Aber sowohl die Politik des Westens als auch die Haltung der Mehrheit der ukrainischen Elite (die völlig oligarchisch ist) führten dazu, dass Russland die Ukraine nicht länger mit friedlichen Mitteln vor einer “Entführung durch Europa” bewahren konnte: Die Integration der Ukraine in die EU und dann in die NATO würde der Wiedervereinigung zweier Staaten desselben Volkes ein Ende setzen. All dies löste die Ereignisse auf der Krim und anschließend den Beginn einer speziellen Militäroperation in der Ukraine aus.
Doch der Kampf um die Ukraine erwies sich als härter und komplizierter als gedacht. Das lag unter anderem daran, dass die Ukraine zu diesem Zeitpunkt bereits teilweise zu einem Anti-Russland geworden war. Diese Tragödie – die in vielerlei Hinsicht ein Bruderkrieg darstellt und zur Freude und zum Nutzen sowie mit aktiver Unterstützung der Atlantiker erfolgt – ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Russland es sich nicht leisten konnte, auf die Ukraine zu verzichten. Es konnte nicht so tun, als gäbe es für es keine “ukrainische Frage” von Belang, es konnte sich nicht erlauben, es hopsgehen zu lassen und dem Westen zu sagen: “Wollt ihr die Ukraine? Ja, bitte sehr!” Das wäre eine Katastrophe für die gesamte Geschichte Russlands gewesen – eine Katastrophe, die noch größer wäre als die Tragödie im Jahr 1991. Und Putin ist keineswegs derjenige, der so etwas zulassen könnte.
Putin verdiente sich bereits einen bedeutsamen Platz in der russischen Geschichte, indem er den weiteren Zerfall des noch verbliebenen Landes nach 1991 verhinderte und damit begann, die verschleuderten Ländereien wieder zusammenzufügen. Doch sein Beitrag beschränkt sich nicht nur darauf – im Mittelpunkt steht seine Wahrnehmung Russlands als eigenständige Zivilisation, als Heimat des russischen Volkes, die gestärkt und entwickelt werden muss.
Aber die wirkliche Volkswahrung ist unmöglich beim Vorhandensein einer supranationalen, aber im Grunde genommen antinationalen Elite – oligarchischer, politischer oder kultureller Art. Die Befreiung Russlands von ihrer Macht hängt unmittelbar mit der Lösung der beiden Hauptaufgaben Putins zusammen, und dieser Prozess wird noch lange andauern, denn die Formierung einer neuen – wirklich nationalen – Elite ist gerade erst im Gange.
Ein Vierteljahrhundert ist zu kurz, um eine Bilanz zu ziehen. Aber nicht nur, weil Putin bis zum Jahr 2036 Präsident Russlands bleiben kann – seine Ära wird fortdauern, und zwar so lange, wie er nach Gottes Willen noch leben wird. Genauso viele Jahre wird sein Dienst für das Wohl Russlands dauern.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 29. Dezember 2024 zuerst auf RIA Nowosti erschienen.
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