Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock will weiter Druck auf Georgien ausüben, um die georgische Regierung dazu zu drängen, für das Land nachteilige Entscheidungen zu treffen. Baerbock fordert, die Regierungspartei Georgischer Traum müsse den Annäherungsprozess an die EU fortsetzen. Sie beruft sich dabei auf eine angebliche Mehrheit in der georgischen Bevölkerung.
“Die Mehrheit der Menschen in Georgien wünscht sich die Fortsetzung des europäischen Wegs ihres Landes. Sie tragen Europa im Herzen, die pro-europäischen Proteste sind ihre Stimme”, schreibt Baerbock in einer Pressemitteilung.
Tatsächlich hat die Regierungspartei bei den vergangenen Parlamentswahlen 54 Prozent der Stimmen und damit die absolute Mehrheit erzielt. Im Anschluss kam es zu Vorwürfen der Wahlfälschung. Eine Überprüfung von Stichproben der Wahlzettel zeigte jedoch keine signifikante Abweichung vom Ergebnis. Der Aufforderung, ihre Behauptung zu belegen, es sei zu umfassender Wahlfälschung gekommen, kam Georgiens Präsidentin Salome Surabischwili nicht nach. Surabischwili setzt sich für eine Annäherung an die EU ein und unterstützt die Proteste gegen die Regierung.
Baerbock ignoriert diese Fakten. Sie behauptet, der Georgische Traum verfolge eine “autoritäre Politik”. Sie fordert, nun müsse die EU ihrerseits den Beitrittsprozess aussetzen und Sanktionen gegen das Land verhängen.
“In der EU sollten wir aufgrund der immer autoritäreren Politik des ‘Georgischen Traums’ nun auch über eine förmliche Suspendierung des georgischen Beitrittsprozesses beraten.”
Auch die Partnerschaft mit Deutschland sei in Gefahr, warnt Baerbock. Berlin habe bereits die Zusammenarbeit mit den georgischen Behörden eingeschränkt. Zudem seien Projekte zur Unterstützung Georgiens ausgesetzt worden. In der EU werde außerdem über weitere Maßnahmen beraten.
“Gleichzeitig beraten wir mit unseren EU-Partnern über weitere Maßnahmen von der Rücknahme der Visafreiheit für georgische Verantwortungsträger bis hin zu gezielten Sanktionen.”
Baerbock befürwortet autoritäre Maßnahmen gegen Georgien. Georgien ist ähnlich wie die Ukraine als Nachbarland Russlands von strategischer Bedeutung.
Zuvor war bereits der Koordinator für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit dem südlichen Kaukasus, Robin Wagener, nach Georgien gereist. Er behauptet, das Land habe sich von der Demokratie abgewandt.
“Der georgischen Bevölkerung wurde eine europäische Zukunft versprochen. Kurz danach hat sich der ‘Georgische Traum’ endgültig von demokratischen Werten und Europa abgewandt.”
Die EU fordert eine Wiederholung der Wahl.
Die Partei Georgischer Traum verfolgt einen pragmatischen politischen Ansatz. Das Land kooperiert wirtschaftlich unter anderem mit Russland und auch mit China. China baut vor der georgischen Schwarzmeerküste einen Tiefseehafen. Das Land soll Warenumschlagplatz im Rahmen der chinesischen “One Belt One Road Initiative” werden. Russland ist Georgiens wichtigster Handelspartner. Das Land erzielt dadurch hohe Wachstumsraten. In diesem Jahr soll das BIP um 7 Prozent zulegen. Mit einer weiteren Annäherung an die EU müsste Georgien den wirtschaftlich erfolgreichen Kurs aufgeben und die Sanktionen gegen Russland umsetzen sowie sich am Handelskrieg der Europäischen Union gegen China beteiligen.
Die Amtszeit von Präsidentin Salome Surabischwili läuft morgen ab. Am 29. Dezember muss sie aus dem Präsidentenpalast ausziehen. Ihr Nachfolger Micheil Kawelaschwili zieht dann ein. Surabischwili erkennt die Ergebnisse sowohl der Parlaments- als auch der Präsidentschaftswahl nicht an. Sie fordert eine Fortsetzung des Annäherungsprozesses an die EU und sieht sich als die einzige rechtmäßige Vertreterin Georgiens. Für Sonntag ist daher erneut mit Ausschreitungen zu rechnen.
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