Von Gert Ewen Ungar
Kann sich noch jemand an den “Wellenbrecher-Lockdown” erinnern? Er sollte zwei Wochen dauern, im November 2020 beginnen, die Welle steigender “Infektionszahlen” durch Isolation brechen und sicherstellen, dass dann alle gemeinsam und unbeschwert Weihnachten und Silvester zusammen feiern können. Er dauerte je nach Bundesland bis Ende Mai, Anfang Juni 2021. Es waren die längsten zwei Wochen in der Geschichte Deutschlands.
Deutschland ist eines der wenigen europäischen Länder, in denen das Tragen einer Maske im ÖPNV noch immer verpflichtend ist. Besonders absurd ist das Festhalten an einer Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske. In keinem anderen Land dieser Welt gibt es diese Maßnahme. Jedem Deutschen prangt das Symbol deutscher Korruption mitten im Gesicht. Eigentlich ein tolles Thema für guten Journalismus – nur findet das Thema hierzulande keinen Journalisten, der sich ihm annehmen möchte. Das muss an der umfassenden Freiheit der deutschen Presse liegen, möchte man hier ironisch kommentieren.
Kann sich noch jemand an die Diskussion um eine allgemeine Impfpflicht erinnern und mit welcher Heftigkeit sie ausgetragen wurde? Hochrangige Politiker, Minister und selbst der Kanzler wollten eine Impfpflicht mit Impfstoffen einführen, deren Schutzwirkung schon zum damaligen Zeitpunkt fragwürdig war und die obendrein nur über eine Notfallzulassung verfügen. Die Politik wollte mit Druck gegen jede Vernunft und auch gegen den Widerstand von Teilen der Bevölkerung den Zwang zum Impfen durchsetzen. In China gibt es übrigens keine Impfplicht.
Was angesichts des Fokus auf Impfquoten in EU-Ländern völlig unterblieb, war eine Diskussion darüber, dass Biontech einen messbaren Beitrag zum BIP leistete. Es handelte sich bei all dem Impfdruck eben auch um eine verdeckte Subvention. Das eigentlich wichtige und relevante Thema sucht man in deutschen Medien aber vergeblich: Sollten wir uns vor allem für die deutsche Wirtschaft und nicht für die Gesundheit impfen lassen?
Kann sich noch jemand an die Einführung einer Teilimpfpflicht erinnern? Sie soll jetzt auslaufen, denn sie ist wenig hilfreich angesichts eines ständig mutierenden Virus. Aber dennoch wurden die Beschäftigten vor allem im Gesundheitsbereich dazu gezwungen. Wer sich widersetzte, auf den wurde Druck ausgeübt, der musste sich unter Aufsicht täglich testen, wurde versetzt, mit Arbeitsplatzverlust bedroht.
Frisch ist sicher auch noch die Erinnerung an Begriffe wie “Covidioten” und “Corona-Leugner”. So wurden in Deutschland jene Menschen verunglimpft, die sich kritisch zur Corona-Politik der Bundesregierung äußerten und die drastische, repressive Maßnahmen wie eine Zero-Covid-Strategie ablehnten, wie sie von Teilen der Linken, vor allem aber der Grünen gefordert wurden. Die Parteivorsitzende der SPD, Saskia Esken, wurde beispielsweise nicht müde, all jene, die sich kritisch zur Corona-Politik äußerten, auf Twitter als Covidioten zu beschimpfen. Jetzt glaubt Deutschland, China gute Tipps im Umgang mit Protesten geben zu können. Angesichts dessen, was in Deutschland passiert ist, muss man zugeben: Das politische und mediale Establishment hat sich von jeder Fähigkeit zu Scham vollkommen befreit.
Auch Bundespräsident Steinmeier sprach in seiner Weihnachtsansprache von 2020 von denjenigen, welche die Gefahr des Virus angeblich leugnen. Sie seien in der Minderheit, in der Mehrheit seien die Vernünftigen, welche die Maßnahmen mittragen.
“Diejenigen, die die Gefahr des Virus leugnen, sind zwar oft besonders laut. Aber die Vernünftigen sind die große Mehrheit. Sie sorgen dafür, dass wir Menschenleben schützen und die Krise bewältigen können.
Das ist die gute Nachricht dieses Jahres. Und deshalb ist auch dieses Weihnachten ein Fest der Hoffnung! Die allermeisten Menschen in unserem Land handeln rücksichtsvoll und solidarisch – nicht, weil der Staat es ihnen befiehlt, sondern aus Vernunft, Mitgefühl und Verantwortung.”
Der Bundespräsident beteiligte sich an der Spaltung der deutschen Gesellschaft. Es ist übrigens der gleiche Bundespräsident, der sich jetzt Sorgen um chinesische Demonstranten macht, die in China gegen die Corona-Maßnahmen protestieren. Es wirkt vor dem Hintergrund dessen, was es an Gewalt gegen Demonstranten in Deutschland gegeben hat, angesichts der Diskriminierung von Maßnahmenkritikern, an der sich auch der Bundespräsident beteiligt hat, verlogen und völlig deplatziert, was Steinmeier in einem Interview gegenüber der Deutschen Welle äußert.
EXKLUSIV: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte in einem DW-Interview Verständnis für die Proteste gegen die strengen COVID-19-Lockdown-Regeln in China. pic.twitter.com/nwGJfe2pdZ
— DW Politik (@dw_politik) November 28, 2022
Vielleicht kann sich noch der ein oder andere an die Bilder von ausufernder Polizeigewalt auf Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen erinnern. Sie wurden im Mainstream selbstverständlich nicht gezeigt. Der hatte es sich zur Aufgabe gemacht, den Bürgern die Politik der Bundesregierung zu vermitteln und zu erklären. Seine kritische Distanz hatte er völlig aufgegeben und beteiligte sich daher an der diffamierenden Einordnung der Kritiker als Corona-Leugner, Spinner, rechte Verschwörungstheoretiker. Im Netz sind die Bilder dennoch auffindbar. Die Polizei ging auf derart brutale Weise gegen Demonstranten vor, dass sich der UN-Sondergesandte für Folter einmischte. Die Gewalt sei ein Zeichen von Systemversagen, stellte er fest. Geändert hat sich danach freilich nichts.
Steinmeier hat damals geschwiegen, und er sollte es angesichts seines damaligen Schweigens heute wieder tun. Seine Äußerungen sind unangemessen. Er hat sich damals um die deutsche Demokratie und Meinungsfreiheit keine Sorgen gemacht. Deshalb ist seine Sorge um die Demokratie und Meinungsfreiheit in China verlogen und geheuchelt.
Der Maßnahmen-Kritiker Stefan Homburg, der selbst zur Zielscheibe und zum Opfer von Verunglimpfung wurde, kommentierte in einem treffenden Tweet ironisch zuspitzend die chinesische Polizeigewalt und zeigte dazu Bilder aus Deutschland.
Diese Bilder habe ich aus dem chinesischen Staatsfunk. 😉 Sie zeigen die Graumsamkeit unseres westlichen “Rechtsstaats”.Ohne die Demos 2021 hätten wir hier ebenfalls chinesische Verhältnisse, wie vom “Expertenrat” um Drosten und Wieler (“Minimierung der Krankenlast”) gefordert. pic.twitter.com/itIIOze0XF
— Stefan Homburg (@SHomburg) November 28, 2022
Wer im Jahr 2021 seine begründeten Zweifel an einer Zero-Covid-Strategie öffentlich kundtat, wurde unmittelbar mit einem Shitstorm überzogen, der sich gewaschen hatte. Insbesondere in den sozialen Medien, allen voran auf Twitter dominierten die Maßnahmen-Befürworter die Diskussion und konterten in absolut unsachlicher Weise jede Form der Kritik. Schnell wurde man zum Massenmörder erklärt, dem soziale Kontakte, ein Restaurant-Besuch, der Genuss eines Bieres in einer Kneipe wichtiger sei als das Leben seiner Nachbarn, seiner Verwandten, seiner Kinder und Eltern. Die Diskussion in Deutschland wurde vor allem von den Freunden repressiver Maßnahmen in einer derart unsachlichen, hysterischen Weise geführt, dass die Gesellschaft gespalten und daran krank wurde.
Heute präsentierte die Tagesschau auf ihrer Titelseite gleich drei Beiträge, in denen sie die Maßnahmen in China kritisiert. Von derart kritischem Journalismus war die Tagesschau vor einem Jahr noch himmelweit entfernt. Da fragte sie noch, was der Staat gegen Telegram unternehmen könnte, denn Corona-Leugner würden den Messengerdienst nutzen. Zuvor waren die Kritiker der Regierungspolitik, wie man die Corona-Leugner ohne sie zu verunglimpfen auch bezeichnen könnte, auf anderen sozialen Netzwerken gesperrt und zensiert worden. Die Tagesschau warnte vor der Radikalisierung der Proteste angesichts der geplanten Einführung einer Impfpflicht.
Sorgen bereitete der Tagesschau auch die Anwesenheit von RT DE. Der Sender sei eine der wichtigsten Quellen für Corona-Leugner und Querdenker. Rückblickend hat RT DE einfach die Arbeit gemacht, der sich die Tagesschau verweigerte und ließ entgegen dem Mainstream auch jene Stimmen zu Wort kommen, die sich kritisch zu den Maßnahmen äußerten. Dies sorgte schon damals für Forderungen nach Zensur von RT DE. Von Meinungsfreiheit, die der deutsche Journalismus jetzt für China fordert, ist in Deutschland immer weniger vorhanden. Dieselben Journalisten, die mehr Meinungsfreiheit für China verlangen, fordern in Deutschland ihre Einschränkung.
Vielleicht können sich auch noch einige der Leser an diesen volksverhetzenden Kommentar erinnern, mit dem Sarah Frühauf vom MDR Menschen, die sie als “Impf-Gegner” bezeichnet, für so ziemlich alles verantwortlich macht und bekennt, sie habe diese Menschen satt. Das ZDF war nicht besser, es bediente sich der Sprache eines SS-Lagerarztes und bezeichnete Maßnahmenkritiker als Blinddärme, die man aus der Gesellschaft herausschneiden müsse und behauptete später, es handele sich nicht um Hetze, sondern um Satire. Selten so gelacht. Die Sachinformationen in denen all die hasserfüllten Pamphlete wurzeln, gelten heute als veraltet. Man hätte es vielleicht etwas entspannter angehen sollen. Für Besserwisserei gegenüber China hat sich Deutschland durch die Geschehnisse in den vergangenen beiden Jahren jedoch vollkommen disqualifiziert.
Wenn jetzt deutsche Kommentatoren vor dem Hintergrund dessen, was in Deutschland passiert ist, glauben, Forderungen an China stellen zu können, wirkt das in seiner Verlogenheit und Vergesslichkeit angesichts der eigenen Taten abstoßend. Zudem lässt man wichtige Unterschiede großzügig unter den Tisch fallen. Die Lockdowns in China sind regional, nicht landesweit. In Deutschland wurde das ganze Land von November 2020 bis Ende Mai 2021 in einem beständigen Lockdown gehalten mit lediglich kleinen zwischenzeitlichen Erleichterungen. Auch von einer Impfpflicht war in China nie in der Form die Rede, wie sie in Deutschland diskutiert wurde. Und auch der FFP2-Wahn ist kennzeichnend für Deutschland und nicht für China.
Mit anderen Worten: Es ist zum Fremdschämen verlogen und peinlich, wie sich deutsche Politik und deutsche Medien angesichts der chinesischen Zero-Covid-Strategie gebärden. Es stellt zudem eine erneute Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas dar. Es ist eine Provokation. Das sollte dringend unterlassen werden. Deutschlands Ruf ist wegen seiner Besserwisserei und der beständigen Einmischung schon ramponiert genug. Vor dem Hintergrund, was in Deutschland politisch und medial zur Zeit der Corona-Krise passiert ist, sollte es dringend seinen Ton überdenken, den moralischen Zeigefinger senken und Provokationen unterlassen. Gerade Deutschland hat dazu keinerlei Recht.
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