
Von Gert Ewen Ungar
In Deutschland wird die Absage des China-Besuchs von Außenminister Johann Wadephul (CDU) heruntergespielt. Der Besuch werde zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden, heißt es im Auswärtigen Amt, ohne dass dieser Zeitpunkt genauer genannt wird. Zuvor war Wadephul durch aggressive Rhetorik gegenüber China aufgefallen. Nach der Absage der Reise setzte auch in Deutschland eine Diskussion über das Verhalten des Außenministers ein.
In der Zwischenzeit hat sich in Peking ein anderer Besucher aus Deutschland angekündigt. Finanzminister Lars Klingbeil wird vom 17. bis zum 19. November China besuchen. Klingbeil hält sich rhetorisch gegenüber China bisher im Zaum.
Jiang Feng, Lehrstuhlinhaber am Institut für Internationale Studien an der Shanghai-Universität, erkennt in den beiden Positionen die Absicht deutscher Politik, das Verhältnis zu China auszutarieren. Die chinesische Zeitung Global Times zitiert Jiang mit den Worten:
“Bevor der Besuch angekündigt wurde, hatte der deutsche Außenminister mit dem Finger auf China gezeigt. Wenn er nach China kommen will, muss er die nötige Zurückhaltung zeigen. Ziel sollte sein, die Beziehungen auszubauen, zu verbessern und zu vertiefen, nicht Kritik zu üben.”
Jiang glaubt, Klingbeil verfolge einen pragmatischen Ansatz. Demnach wäre Wadephul der starre Ideologe. Die deutsche Politik müsse aus dieser Spaltung herausfinden, argumentiert Jiang, um eine stabile und zukunftsfähige Beziehung zu China aufzubauen.
“Deutschland muss in seiner Haltung gegenüber China endlich zur Einheit finden, sonst wird die Verschlechterung der Beziehungen deutschen Unternehmen und der deutschen Wirtschaft schaden”, warnt er.
Das wäre schön, ist aber unwahrscheinlich, denn das politische Personal in Deutschland ist zu einem Kurswechsel geistig gar nicht in der Lage. Deutschland hat ein Verständnisproblem, da die politische Analyse durch die Wiederholung von Narrativen, Phrasen und Statements ersetzt wurde. Es gibt keine Überprüfung der gemachten Annahmen. Das macht Deutschland wieder gefährlich.
Dabei ist Wadephul ebenso wie Friedrich Merz von besonderer Resistenz gegenüber Fakten und Tatsachen. Dadurch wird die Wiederholung mehrfach gemachter historischer Fehler durch die aktuelle Bundesregierung wahrscheinlich.
Mit dem im nordfriesischen Husum geborenen Wadephul leistet sich Deutschland einen weiteren Außenminister, der sich der Diplomatie und damit seiner Kernaufgabe verweigert. Er möchte wie seine Vorgängerin im Amt der Welt die deutschen Bedingungen aufzwingen. Deutschland, nein, Husum ist der Maßstab, an dem sich die Welt zu orientieren hat. Was man in China wohl nicht versteht, weil es auch schwer zu verstehen ist, ist das unglaubliche Ausmaß der Provinzialität der deutschen Politik.
Einfühlung, Respekt und interkulturelle Kompetenz sind Wadephul ebenso fremd, wie sie es Annalena Baerbock waren. Er hat nicht verstanden, welches Amt er bekleidet. Statt sich um Ausgleich und Vermittlung zu bemühen, wählt Wadephul die Konfrontation. Überall soll Husum sein.
Bereits unter Außenminister Heiko Maas (SPD) hatten viele Beobachter gedacht, schlimmer kann es eigentlich nicht kommen; den Schaden, den Maas angerichtet hat, zu reparieren, wird Jahre dauern, war die Annahme. Doch dann kam Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), und mit ihr kam es schlimmer. Man war sich dann sicher, mit Baerbock war der absolute Tiefpunkt erreicht, täuschte sich aber erneut. Wadephul schafft es mindestens ebenso gründlich wie Baerbock, das Ansehen Deutschlands im Ausland zu ruinieren. Er tut es nur leiser, weil er im Gegensatz zu Baerbock nicht in einer Art Dauerwahlkampfmodus auf die Wirkung bei der eigenen Wählerschaft zielt.
Dass Bundeskanzler Merz sich als Außenkanzler versteht, mindert den Schaden nicht, im Gegenteil. Merz kann Diplomatie und Außenpolitik genauso wenig wie Baerbock oder Wadephul. Spätestens seit den Äußerungen Merz’, er wolle Deutschland zur stärksten Militärmacht in Europa machen, sieht man in Russland Deutschland wieder auf dem Weg in Richtung Faschismus – zu deutlich sind die Hinweise, die auf eine Wiederholung historisch gemachter Fehler hindeuten, als dass man sie einfach ignorieren könnte.
Es gibt nicht nur für den deutschen Außenminister wieder Erzfeinde. Die Feindschaft gegenüber Russland ist aktuell treibender Motor der deutschen Politik. Mit dieser Feindschaft wird nahezu alles legitimiert: Aufrüstung, Schulden machen, der Verzicht auf sinnvolle Energie- und Wirtschaftspolitik – beim Russen kauft der Deutsche nicht.
Es gibt in Deutschland klar erkennbar politische Zensur und Versuche, die Opposition zu verbieten. Diplomatie wird von den etablierten politischen Parteien abgelehnt, und der Kanzler behauptet, in Europa wünsche man sich deutsche Führung – eine nach der Geschichte des 20. Jahrhunderts geradezu groteske Vorstellung. Klar erkennbar ist auch, dass in Deutschland der Feindbildaufbau mit dem Ziel läuft, einen großen Krieg zu beginnen.
Die Hoffnung Jiangs, Deutschland werde aus eigener Kraft zu einer Balance seiner Chinapolitik sowie generell zum Balancieren seiner Außenpolitik finden, teile ich daher nicht. Dazu ist es bereits zu spät.
Der deutsche Zug ist wieder auf dem Gleis und beschleunigt in die falsche Richtung. Es bedarf daher der Intervention von außen. Deutschland muss deutlich zu fühlen bekommen, dass der eingeschlagene Weg der falsche ist. Deutschland braucht Unterstützung dabei, seinen angemessenen Platz im Gefüge der internationalen Staatengemeinschaft zu finden. Das bedeutet, deutsche Politik muss zu spüren bekommen, dass sie sich und die Bedeutung Deutschlands auf der Welt maßlos überschätzt. Das geeignete Mittel dazu ist, die deutsche Wirtschaft in die Knie zu zwingen. Diese ist der ganze und vor allem einzige Stolz deutscher Politik.
Dazu sollte China seinen Beitrag leisten. Es wäre daher sinnvoll, die Exportbeschränkungen auszuweiten und über weitere Maßnahmen nachzudenken, mit denen die deutsche Wirtschaft getroffen werden kann. Was nicht passieren sollte, ist, dass sich China von einem vermeintlich pragmatischen Klingbeil täuschen lässt. Auch Klingbeil unterliegt dem deutschen Wahn einer deutschen Überlegenheit. Er stampft lediglich nicht so laut auf wie Wadephul. Die außenpolitische Ideologie, der Wadephul und Klingbeil folgen, ist jedoch dieselbe. Sie gilt es zu bekämpfen. Diese Ideologie hat die Welt mehrfach in die Katastrophe geführt.
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