Ein weiterer riesiger Schritt wurde gerade getan, um den technologischen “Eisernen Vorhang” über der Welt zu senken, schreibt Anna Sytnik, Generaldirektorin von ANO Kolaboratoria, in einer Kolumne für die Zeitung Wsgljad. Ihrer Meinung nach werden sich die Spielregeln auf dem KI-Markt bald ändern und die Blase der künstlichen Intelligenz wird platzen. Es werden zwei konkurrierende unabhängige KI-Ökosysteme in der Welt entstehen. Wie im Falle des Kalten Krieges könnte der KI-Wettlauf “zur Entstehung konkurrierender Regionen führen, die von unterschiedlichen Standards für künstliche Intelligenz beherrscht werden”, so die Expertin. Dabei werden sich verschiedene Weltregionen den konkurrierenden Technologien anschließen. So könnten beispielsweise die BRICS+-Länder chinesische Technologien unterstützen, während der Kollektive Westen US-amerikanische Lösungen befürworten könnte. Anna Sytnik erklärt:
“Die Spaltung der KI-Welt wurde durch die Reaktion in den USA auf DeepSeek-R1, das von einem kleinen chinesischen Unternehmen [etwa 200 Mitarbeiter] mit einem geringeren Budget als eines der Meta-Teams entwickelt wurde, erheblich beschleunigt. Das Wichtigste, was das Unternehmen tat, war, die in den USA aufgestellten Regeln der Branche zu ignorieren. Deshalb löste die Nachricht im Westen Chaos, allgemeine Irritation und Bewunderung aus. Es stellte sich heraus, dass das chinesische Modell, das argumentieren kann, eine vergleichbare Leistung aufweist wie der Weltmarktführer, das US-amerikanische o1-Modell von OpenAI.“
Bemerkenswert ist, dass das chinesische Modell mit weniger Rechenressourcen und zu geringeren Kosten trainiert wurde als seine Konkurrenten. “Früher dachte man, das Training großer Sprachmodelle sei ein Luxus. OpenAI, Anthropic und andere IT-Giganten gaben dafür hunderte Millionen US-Dollar aus”, so die Expertin. Das Ganze ist für die westliche Welt schockierend gewesen.
Außerdem ist DeepSeek-R1 ein Open-Source-System ‒ jeder kann das Modell auf seinen Computer herunterladen und es dann ohne Internetverbindung nutzen. Damit hebt sich das System deutlich von seinen amerikanischen Konkurrenten ab. Hinzu kommt, dass die chinesische Anwendung extrem benutzerfreundlich ist. Die Chinesen haben also plötzlich die Amerikaner überholt, und das auf eine offensiv elegante Art und Weise. Die Expertin fasst zusammen:
“Die Blase der KI-Industrie ist geplatzt. Jetzt werden sich alle auf neue Bedingungen einstellen, die Spielregeln werden sich ändern. DeepSeek hat die enormen Investitionen amerikanischer Unternehmen in KI infrage gestellt. Ausnahmsweise werden nicht die chinesischen Wissenschaftler mit den westlichen Forschern gleichziehen, sondern umgekehrt. Mark Zuckerberg hat bereits einen ‘Notfallstab’ von Ingenieuren eingerichtet, um herauszufinden, wie ein kleines chinesisches Unternehmen eine bahnbrechende KI-Technologie auf den Markt bringen konnte. Sie werden sich das Know-how von DeepSeek zu eigen machen, um die Kosten für Training und Betrieb zu senken.“
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