Von Gert Ewen Ungar
Vor 140 Jahren, am 15. November 1884, begann in Berlin die Kongo-Konferenz, auf der die Kolonialmächte die Aufteilung Afrikas beschlossen. Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) nimmt das Datum zum Anlass für einen Namensbeitrag in der Frankfurter Rundschau. Er ist an Verlogenheit schwer zu überbieten.
Ihrer Masche bleibt Baerbock treu. Mit dem üblichen Betroffenheitsgesäusel schläfert Baerbock ihr Publikum ein, damit die offensichtlichen Diskrepanzen zwischen baerbockschen Behauptungen und der bitteren Realität deutscher Außenpolitik nicht ins Auge fallen.
“Die deutsche Kolonialpolitik war geprägt von Unrecht, Gewalt und Rassismus. Sie führte zu den Vernichtungskriegen im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika, zum Völkermord an den Herero und Nama, für den unser Land historische Verantwortung trägt”, schreibt Baerbock.
Ja, das ist alles richtig. Im Anschluss behauptet Baerbock, daran habe sich im Grundsatz etwas geändert, das aber ist falsch. Deutschland bleibt weiterhin dem westlichen Imperialismus und einer globalen Ordnung des Unrechts verpflichtet.
“Diese Vergangenheit können wir nicht ungeschehen machen. Doch wir können gemeinsam an einer besseren Zukunft arbeiten. Dafür ist es entscheidend, Unrecht zu benennen und anzuerkennen.”
Genau dafür steht deutsche Außenpolitik jedoch nicht. Deutsche Außenpolitik benennt Unrecht nur dann, wenn es den eigenen Zwecken dient. Der Maßstab deutscher Politik ist der westliche Imperialismus, nicht die Ausrichtung an internationalem Recht. Dass der Westen wie auf der Kongo-Konferenz vor 140 Jahren weiterhin bestimmt und aufteilt, steht für Baerbock nicht infrage. Sie verpackt den Willen zu Dominanz und Herrschaft lediglich in eine andere Rhetorik. Baerbock ist durch und durch Kolonialherrin.
Baerbock behauptet, Deutschland habe aus seinen historischen Fehlern gelernt. Das aber ist absolut falsch. Es ist eine angesichts der aktuellen deutschen Außenpolitik und des von deutscher Politik bekundeten Willens zum Krieg mit Russland geradezu dreiste Aussage.
Sie behauptet zudem, deutsche Außenpolitik bemühe sich um Augenhöhe, um Verstehen, man habe gelernt zuzuhören. Das ist nun einfach schlicht gelogen.
Im Ukraine-Konflikt verweigert Baerbock den Dialog. Aus Deutschland kommt kein Vorschlag zur Befriedung des Konflikts. Baerbock wirft im Gegenteil mit Desinformation und nachweislich unwahren Behauptungen nur so um sich. Den Kriegsgrund nennt sie nicht: den Willen, die Ukraine in die NATO aufzunehmen. Das ist der Auslöser des Konflikts. Baerbocks Behauptung, Russland verfolge eine imperialistische Agenda, ist eine Propaganda-Lüge.
Baerbock und das politische Establishment in Deutschland interessieren sich nicht für die russische Sicht, nicht für die Entwicklung hin zum Konflikt, nicht für Gesprächsangebote von Russland. Deutschland hat ausschließlich ein Interesse daran, das eigene Narrativ weltweit durchzusetzen, und zwingt Länder zur Umsetzung des völkerrechtswidrigen Sanktionsregimes, auch dann, wenn es gegen ihre vitalen Interessen verstößt.
Die Forderung des UN-Menschenrechtsrates, das Sanktionsregime sofort aufzuheben, weil es die ärmsten am härtesten trifft und daher gegen die Menschenrechte verstößt, ist Baerbock schlicht schnurz, wie sie im Bundestag deutlich machte. Das Leid der anderen interessiert sie nur, wenn sie es zu eigenen Zwecken instrumentalisieren kann.
Das Säuseln in Richtung Afrika verdanken wir der deutschen Suche nach neuen Energielieferanten. Grüner Wasserstoff soll es sein, und Afrika bietet sich als Hersteller an. Dort spricht man bereits von einem neuen Energieimperialismus. Die baerbocksche Süße ist nicht zweckfrei, sie ist vor allem weder ehrlich noch echt.
Deutsche Außenpolitik unter Baerbock interessiert sich nicht für die Sicht und die Belange anderer Länder und Kulturen, sie interessiert sich nicht für Zusammenhänge, sie ist nicht bereit zum Kompromiss. Baerbock ist im hohen Maß unsensibel für Kultur – selbst für die eigene. Sie ist durch und durch Anti-Diplomatin. Baerbock degradiert das Völkerrecht zum bloßen rhetorischen Mittel. Deutscher Außenpolitik ist das Völkerrecht gleichgültig. Minsk II, 2+4-Vertrag, Ein-China-Prinzip, Primat der Diplomatie – für Baerbock sind völkerrechtliche Vereinbarungen und ihre Grundlagen vollkommen irrelevant.
Die ehemalige deutsche Kolonie Namibia, die Baerbock erwähnt, ist angesichts des von Deutschland dort begangenen Völkermords entsetzt über die deutsche Unterstützung des israelischen Genozids an den Palästinensern. Das erwähnt Baerbock natürlich nicht.
“Sich der Aufarbeitung unserer kolonialen Vergangenheit zu stellen (…) bedeutet, sich einem Prozess zu stellen, der auch unbequem ist. Hinzuhören. Sich den Vorwürfen und dem kolonialen Schmerz zu stellen. Sich bewusst zu machen, warum diese von uns verantworteten Wunden immer wieder aufreißen und wie sie heute noch die internationalen Beziehungen prägen. Weil Vertrauen in die gemeinsame Zukunft nur wachsen kann, wenn es in gegenseitigem Verständnis gebaut ist. Der Bereitschaft, sich immer wieder in die Schuhe der anderen zu stellen.”
Für Hinhören und den Aufbau gegenseitigen Verständnisses steht deutsche Politik derzeit weder im Innern noch nach außen. Die Bekenntnisse zum Dialog sind vollkommen sinnentleerte Floskeln. Ein echter Dialog ist in Deutschland derzeit weder in außen- noch in innenpolitischen Fragen erwünscht. Er wird nicht geführt. Deutschland setzt auf Ausgrenzung und Hetze. Die Bezeichnung Autokrat und Diktator für demokratisch gewählte Staatschefs dient ausschließlich der Aufstachelung der eigenen Bürger. Baerbock hat es in der Hetze gegen Kollegen und Staatenlenker zu einer beachtlichen Meisterhaftigkeit gebracht. Alles, was sich nicht den deutschen Vorstellungen fügt, ist für sie Diktatur.
Deutsche Politik hält am eingeschlagenen Kurs auch gegen Widerstände fest. Eine Korrektur ist nicht vorgesehen. Aus diesem Grund ist Deutschland inzwischen international weitgehend isoliert.
“Aufarbeitung heißt nicht nur, um Verzeihung zu bitten, sondern es in Zukunft besser, gerechter zu machen”, säuselt Baerbock und macht seit ihrer Amtseinführung im Jahr 2021 das genaue Gegenteil. Deutschland positioniert sich eng an der Seite rechter Regime, unterstützt Genozid, liefert Waffen in Krisengebiete und ist einer globalen Ordnung verpflichtet, die den Westen besserstellt. Baerbock propagiert eine Ordnung des Unrechts.
Baerbock bekennt sich zur regelbasierten Ordnung, zur westlichen Hegemonie, und verfolgt ihre Durchsetzung mit allen Mitteln – auch mit Krieg und Gewalt. Baerbock hat absolut nichts aus der Geschichte gelernt und nichts verstanden. Den Ländern Afrikas ist das inzwischen klar. Deutschland bekommt dort regelmäßig die Tür vor der Nase zugeknallt.
Die Demokratisierung der internationalen Beziehungen, wie sie von Russland, China und den BRICS angestrebt wird, lehnt Baerbock ab, obwohl das Modell genau für das steht, wozu sich Baerbock rhetorisch bekennt: Souveräne, gleichberechtigte Staaten handeln auf der Grundlage der UN-Charta ihre Angelegenheiten diplomatisch miteinander aus. Dass sie die russisch-chinesischen Vorschläge ablehnt, macht deutlich, dass es ihr nicht ernst ist mit dem Zuhören, mit der Augenhöhe, mit dem Bemühen um Verstehen.
Baerbock geht es nur um Macht und imperiale Herrschaft. Sie macht das mit ihrem politischen Handeln jeden Tag deutlich. Den Ländern Afrikas ist zu raten, den süßen Worten Baerbocks tief zu misstrauen und auf ihre Handlungen zu schauen. Allen anderen Ländern auch.
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