Von Gert Ewen Ungar
Krieg ist teuer. Das gilt auch dann, wenn man ihn nicht selbst führt, sondern das Krieg führende Land nur finanziell und durch Waffenlieferungen unterstützt. Krieg wird noch teurer, wenn man sich in Verkennung der Zusammenhänge um seine Wettbewerbsfähigkeit bringt, indem man die eigene Wirtschaft vom Zugang zu günstiger Energie und zu Wachstumsmärkten abschneidet.
Deutschland macht beides, befindet sich daher im zweiten Jahr in Folge in der Rezession und wird vermutlich auch in diesem Jahr nicht aus ihr herausfinden. Politisch umsteuern wollen die etablierten Parteien nicht. Die Unterstützung der Ukraine soll ebenso aufrechterhalten werden wie das Sanktionsregime gegen Russland, das der deutschen Wirtschaft eindeutig größeren Schaden zufügt als Russland. Man hat sich verrechnet, leider aber auf die Ausarbeitung eines Plan B verzichtet, weil man sich sicher war, dass es dieses Mal klappt, Russland zu ruinieren.
Zudem soll massiv aufgerüstet werden. Die Zahlen werden immer irrer. Das Zwei-Prozent-Ziel der NATO hat Deutschland inzwischen erreicht, nun sollen es drei Prozent werden. Oder vielleicht doch fünf? Vom BIP wohlgemerkt, nicht vom Staatshaushalt. So um die 200 Milliarden Euro, hieße das.
Diese enormen Summen müssen bei abnehmender Wirtschaftsleistung irgendwo herkommen. Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) hat eine Quelle ausgemacht: die Rentner. Sie sollen für die Finanzierung von Krieg und Aufrüstung verzichten. Es werde “ohne Kürzungen und Umschichtungen im Haushalt nicht gehen”, sagte IfW-Präsident Moritz Schularick.
Nachdem aus der Rentenkasse bereits die deutsche Einheit bezahlt wurde, soll daraus nun Aufrüstung und Krieg finanziert werden. Es ist natürlich Betrug, denn es handelt sich bei den Rentenzahlungen nicht um ein staatliches Almosen, auch wenn das gern behauptet wird. Die Rente ist eine Versicherungsleistung, die angehenden Rentner haben für ihr Auskommen im Alter Beiträge bezahlt. Die Frage ist allerdings, wo sich diese Leistung einklagen lässt.
Dennoch ist Schularick für seine offenen Worte zu danken. Denn natürlich hat der Ukraine-Krieg Konsequenzen, zumal der Krieg für den Westen absehbar verloren geht. Zu all den Kosten für Waffenlieferungen und für Aufrüstung kommen wohl noch die Kosten für den Wiederaufbau der Ukraine hinzu. Berlin hat den Krieg in die Länge gezogen, Diplomatie abgelehnt und auf einen Sieg der Ukraine über Russland gesetzt. Es ist daher klar, dass Deutschland zur Kasse gebeten werden wird. Deutsche Politik ist maßgeblich mitverantwortlich für die Entwicklung hin zum Krieg, für das, was in der Ukraine passiert ist und gerade noch passiert. Es wird für Deutschland absehbar teuer.
Schularick deutet daher nur zart an, worauf sich die Deutschen nach der Bundestagswahl allen Wahlversprechen zum Trotz schon mal einstellen können. Da hilft übrigens auch die vermeintliche Alternative AfD nichts: Alice Weidel hat deutlich gemacht, dass sie Rüstungsausgaben in Höhe von fünf Prozent des BIP für notwendig hält. Damit ist ganz unabhängig vom Wahlausgang klar: Nach der Bundestagswahl wird gespart und gestrichen, dass es kracht.
Auf die Deutschen rauscht ein wirtschaftspolitischer Schock zu, der alles infrage stellen wird, was die letzten Dekaden neoliberaler Politik noch an rudimentärem Sozialstaat übrig gelassen haben.
Die Politik wird die Verantwortung für das eigene Versagen auf die Bürger abwälzen. Die hätten sich zu lange ausgeruht, wird es heißen, hätten auf falsche Gewissheiten vertraut. Sie hätten nur Ansprüche, seien aber nicht zur Leistung bereit. Die übliche Rhetorik eben, die davon ablenken soll, dass es die Politik der unterschiedlichen Bundesregierungen war, die den Ukraine-Konflikt eskaliert hat, ihn nun in die Länge zieht und sich obendrein jedem diplomatischen Kompromiss verweigert hat.
Es sind nicht die Deutschen, die den Krieg verlieren, sondern es ist die deutsche Politik. Es sind auch nicht die Deutschen, die durch Faulheit die Wirtschaft zugrunde gerichtet haben, sondern eine verfehlte Wirtschafts- und Energiepolitik, die zudem die Konfrontation mit Russland und nun auch noch mit China sucht. Es sind nicht die Deutschen als Nation, die den Krieg in die Länge ziehen und einen Sieg über Russland anstreben, sondern es ist deutsche Politik.
Es wird den Menschen in Deutschland nicht zu vermitteln sein, warum sie mit sinkendem Lebensstandard, mit zunehmender sozialer Unsicherheit, mit Arbeitslosigkeit, Wohnungslosigkeit und dem Zusammenbruch der Daseinsfürsorge für die Fehler der Politik zahlen sollen, die sie nicht zu verantworten haben.
Weil das aber so ist und die Politik der deutschen Zivilgesellschaft dennoch die immensen Kosten für das eigene Versagen aufbürden will, ist mit stabilen politischen Verhältnissen in Deutschland vorerst nicht zu rechnen. Erschwerend hinzu kommt, dass eine tatsächliche politische Alternative in Deutschland nicht zur Wahl steht. Die Wähler werden zwischen den Parteien aufgerieben. Auf die Deutschen kommen schwere Zeiten zu; Kürzungsorgien, vermutlich Unruhen, auf jeden Fall gesellschaftlicher Zerfall. Die Politik aber wird versuchen, sich aus der Verantwortung für den angerichteten Schaden zu stehlen. Sie wird zudem mit Repression auf Protest antworten. Für die Deutschen ist der Ausblick düster.
Mehr zum Thema – IfW-Präsident fordert: Rentner sollen wegen höherer Verteidigungsausgaben verzichten