So wie die Wagner-Gruppe aus Russland operieren auch Soldaten einer US-amerikanischen privaten Militärorganisation mit dem Namen eines berühmten Komponisten in der Ukraine: die Mozart-Gruppe. Diese sei jetzt unter einer Reihe von Anschuldigungen zusammengebrochen. Über das Scheitern dieser privaten Truppe, über Alkoholprobleme und ein finanzielles Desaster berichtete am 1. Februar der Pulitzerpreisträger Jeffrey Gettleman in der New York Times.
Demnach wurde Mozart von Andrew Milburn geleitet, einem ehemaligen Oberst der US-Marine, der die Gruppe zusammen mit einem anderen US-Marineoberst namens Andy Bain gegründet hatte. Ihr gemeinsamer kurzlebiger Podcast läuft bei YouTube unter dem Namen “Two Marines in Kyiv”, recherchierte Gettleman.
Milburn habe zuvor in den US-amerikanischen Kriegen der letzten 30 Jahre von Somalia bis Irak Karriere gemacht. Zu seinen Freunden zählte auch der ehemalige Verteidigungsminister General James Mattis. Bain habe seit acht Jahren, “seit dem Einmarsch Russlands in die Ostukraine 2014”, so die Formulierung des Pulitzerpreisträgers, seine von ihm gegründete Stiftung “Ukrainian Freedom Fund” geleitet. Die Spenden habe man “für dringend benötigte Ausrüstung für das ukrainische Militär verwendet”.
Zu Beginn sei die Mozart-Gruppe erfolgreich gewesen: “Hunderte, wenn nicht Tausende von ausländischen Veteranen und Freiwilligen haben die Ukraine durchquert. Viele von ihnen sind hartgesottene Kämpfer, (…) Einzelkämpfer, die versuchen, in einer sehr gefährlichen Umgebung ohne viel Struktur und Regeln zusammenarbeiten”, so der Bericht in der New York Times.
Diese Einzelkämpfer waren laut Gettlemans Artikel dazu auserkoren, ukrainische Soldaten auszubilden und an der Front eingeschlossene Zivilisten zu retten. Im letzten Sommer hätten immer mehr ukrainische Militäreinheiten bei Mozart um eine Ausbildung gebeten. Da die Ukrainer nicht in der Lage gewesen seien, dafür zu bezahlen, “sei Mozart auf einen kleinen Pool fester Spender angewiesen, darunter eine Gruppe von Finanziers von der Ostküste mit jüdisch-ukrainischen Wurzeln und ein Tycoon aus Texas”.
Laut Aussagen mehrerer Mozart-Mitarbeiter war die Art und Weise der Geldbeschaffung unter Bain undurchsichtig. Bain habe jegliches Fehlverhalten abgestritten. Schließlich seien die von Mozart eingestellten Leute nicht einfach zu führen gewesen. Es habe sich – bei den laut Aufgabenprofil mutmaßlichen Ausbildern und Rettern von Zivilisten – größtenteils um zermürbte Kriegsveteranen gehandelt, die mit posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und übermäßigem Alkoholkonsum kämpften. In ihrer Freizeit seien sie durch Kiewer Stripclubs und Bars gezogen.
Nach monatelangem Kampf um Zusammenhalt habe Bain in Wyoming, dem Firmensitz, auf Absetzung seines Partners Milburn geklagt. Zu den Anschuldigungen gehören neben finanziellen Vergehen, auch Trunkenheit und beleidigende Kommentare über die ukrainische Führung. In den sozialen Medien kursiere sogar eine Folge des Podcasts “The Team House“, in dem Milburn die ukrainische Führung verunglimpfe:
“Ich habe zufällig eine ukrainische Flagge an meiner Tasche, aber ich sage nicht: ‘Oh mein Gott, die Ukraine ist so großartig'”, habe der frühere US-Marine gesagt. “Ich verstehe, dass es eine Menge verkorkster Leute gibt, die die Ukraine regieren.”
Es sei versäumt worden, die Gruppen wie ein Unternehmen zu führen, erklärte ein erfahrener Ausbilder von Mozart: “Man muss diese Gruppen wie ein Unternehmen führen. Das haben wir nicht getan.” Wie viele andere habe er nur anonym sprechen wollen, aus Angst, die Russen könnten ihn ins Visier nehmen.
Alle Mitarbeiter, die für den New-York-Times-Bericht befragt worden seien, äußerten Sympathie für Milburn, schrieb Gettleman. Milburn sei eine inspirierende Führungspersönlichkeit, und sie warteten darauf, dass er die Mittel aufbringe, um sie wieder an die Arbeit zu bringen.
Milburn selbst betreibe ein neues Büro in Kiew. Nachdem er am Dienstag noch zu einem halben Dutzend Söldner-Neuankömmlingen gesagt habe: “Ich bin am Boden zerstört, Jungs, die Mozart-Gruppe ist tot”, sei er nun entschlossen, die Operation wieder aufleben zu lassen. Eine Rückkehr in den Donbass sei sein Traum:
“Ich träume davon, wieder in den Donbas zu gehen.”
“Wenn man dort draußen ist und Angst hat, tritt alles andere in den Hintergrund. Du denkst nicht an Geld. Du denkst nicht an deinen Ruf”, habe der Ex-Marineoberst aus den USA seine Motivation für den Kriegseinsatz begründet.
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