Von Elena Karajewa, RIA Nowosti
Aus der Zitadelle des Globalismus und des Triumphs der Marktbeziehungen, der Stadt Washington, dem Sitz der Weltbank, wird berichtet, dass unser Land Ende letzten Jahres die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich seiner in Kaufkraftparität berechneten Wirtschaftskraft überholt hat und zu den fünf führenden Volkswirtschaften der Welt gehört. Ja, das Russland, das amerikanische Präsidenten gerne als “Zapfsäule mit Atomwaffen bezeichnen”, und dessen Ökonomie sie in ihren Reden bereits “in Stücke gerissen” haben, wurde zum Spitzenreiter und überholte Frankreich, Spanien und Italien, ganz zu schweigen von all den Maltas und Griechenlands.
Es stellte sich heraus, dass die Sanktionen (sektorale, punktuelle, allgemeine, paketweise, inzwischen 12.000 an der Zahl), die der russische Präsident vor einigen Jahren als “völligen Unsinn” bezeichnet hatte, nicht nur zum Wirtschaftswachstum Russlands (das nach den bescheidensten und noch vorläufigen Schätzungen mindestens zwei Prozent des BIP betragen wird), sondern auch zu einer Steigerung des Wohlbefindens seiner Bürger beigetragen haben.
Nachdem der Westen 2014 damit begonnen hatte, Russland unter Druck zu setzen, fand er sich unbemerkt in der Position einer abgesoffenen Sprinkleranlage wieder. Das Aufstellen von Schlingen und Fallen mag unterhaltsam sein, aber man muss aufpassen, dass man sich dabei nicht selbst in lebenswichtige Organe kneift. Moskau hat die westlichen Entscheidungsträger regelmäßig davor gewarnt, dass die Angelegenheit für sie alle in Schmerz und Leid enden könnte. Aber nein, sie haben nicht zugehört, sie hören es jetzt nicht und sie werden es auch weiterhin nicht hören.
Die wirtschaftliche Konfrontation wurde angeordnet, und das (Zwischen-)Ergebnis wurde erreicht. Und nun veranstaltet das Aspen Institute ein Kolloquium darüber, was unter den Bedingungen einer drohenden Rezession zu tun ist und wer die Schuld daran trägt, dass der Tsunami der Rezession die “gesamte zivilisierte Welt” (GZW) überrollen könnte.
Praktisch alle makroökonomischen Messgeräte der GZW stehen auf Rot. Die rasant steigende Inflation, die die Zentralbanken beziehungsweise Zentralbanksysteme durch Anhebung der Diskontsätze und der Renditen für Staatsanleihen einzudämmen versuchen, der starke Anstieg der Rohstoffpreise, vor allem aber die Explosion der Energiepreise, die Streichung zahlreicher Posten in den Haushaltsentwürfen der einstmals luxuriösen Länder – das Bild ist breit gefächert, aber es gibt auch Nuancen.
In Deutschland zum Beispiel ist kein Geld mehr da, um die Digitalisierung und die damit verbundenen Dienstleistungen auszubauen. In Frankreich gibt es kein Geld mehr, um den Anstieg der Strompreise aufzuhalten. Mit anderen Worten, den Deutschen wird anstelle eines schnell und gut funktionierenden öffentlichen Dienstes in Aussicht gestellt, weiterhin “wie zu Großmutters Zeiten” zu leben, und den Franzosen, den Gürtel noch ein paar Löcher enger zu schnallen, um für Wärme und Licht zu bezahlen. Wir sind höfliche Menschen und sollten nicht mit dem Finger auf diejenigen zeigen, die der Lokomotive vorauseilten und riefen, dass sie Russland einen “totalen Wirtschaftskrieg” erklärt hätten. Jetzt, wo die Lokomotive sie überrollt.
Warum haben sich all diese hoch bezahlten und in Elitehochschulen ausgebildeten Leute geirrt? Weil keiner von ihnen Russland kannte oder verstand. Diese Antwort mag banal erscheinen, aber in ihrer Einfachheit liegt der Schlüssel zum Verständnis der derzeitigen Machtverhältnisse.
Keiner der Westler – hier kann man von den Hundsrittern oder vom schwedischen Karl XII. oder von Napoleon oder von der Entente sprechen – konnte und wollte sich das Ausmaß Russlands vorstellen. Vor allem im geographischen Sinne. Jedes ihrer Länder, ja, auch die gesamte EU, vom äußersten Osten bis in den äußersten Westen, passt praktisch in eine Zeitzone hinein. Da kann sich ein europäischer Bürokrat eben nicht mehr als ein Dutzend solcher Zeitzonen ausmalen, selbst wenn er drei Diplome an der Wand hängen hat. In seinem Kopf gibt es keine Datei, die für die erforderliche Vorstellungskraft zuständig ist. Und aus irgendeinem Grund scheinen diese Eurobürokraten zu glauben, dass Russland klein ist. Nicht größer als Luxemburg, wenn Luxemburg eine Tankstelle wäre.
Wie in dem Caruso-Witz wurde ihnen auch gesagt, dass die russischen Behörden schwach sind und das Land aus den Fugen geraten ist. Mit diesen beiden Annahmen schnürte der Westen seine Päckchen und Pakete an Sanktionen. Womöglich auch in der Überzeugung einer Liz Truss, dass “die Regionen Woronesch und Rostow nicht zu Russland gehören”.
Das Ergebnis der pathologischen historischen Ignoranz, der ebenso pathologischen Russophobie und des eklatanten geografischen Analphabetismus ließ also nicht lange auf sich warten. Während sich die GZW auf das Schlimmste vorbereitet, schmiedet Russland strategische Pläne. Wirtschaftlich. Mit dieser Menge an Rohstoffen, mit den riesigen Dimensionen des Landes, macht schon der Prozess Freude.
Und mit den westlichen Eliten, die heute nicht wissen, wie sie die kollabierenden Mechanismen ihrer früheren Macht retten können, sollte man nicht mitfühlen. Sie wurden gewarnt, sie wurden aufgeklärt, sie wurden ermahnt. Die Rechnungen für all die Fehler und Fehleinschätzungen der “gesamten zivilisierten Welt” sind bereits geschrieben, sie werden ihnen nun präsentiert. Der Countdown läuft und zählt die letzten Stunden der Zahlungsfrist.
Übersetzung aus dem Russischen. Der Artikel ist am 6. August 2023 auf ria.ru erschienen.
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