Von Felicitas Rabe
Vom 16. – 17. September fand an der Universität Potsdam bereits zum zweiten Mal die BlackRock-Konferenz statt. An beiden Konferenztagen wurde der weltweite Einfluss der Finanzorganisation BlackRock auf Volkswirtschaften, Politik und Sozialwesen mit hoher Expertise und Detailwissen beleuchtet. Die Konferenzbesucher erfuhren in Vorträgen und Diskussionen, dass BlackRock viel mehr ist als nur ein sogenannter Vermögensverwalter.
Mittlerweile beherrscht BlackRock neben Banken und Konzernen auch immer mehr Nichtregierungsorganisationen und Medien, bis hin zu Staatsregierungen. BlackRock entscheidet über Vermögensumverteilung, Ausbeutungspraktiken, Umweltzerstörung, sowie Kriegsbeteiligungen und damit einhergehende Propaganda. Dazu gehört auch die Hoheit über angebliche “Werte”, die Kontrolle politischer Protestbewegungen und die Verbreitung von maßgeblichen Ideologien.
Eröffnet wurde die Konferenz von Prof. Dieter Wagner von der Universitätsgesellschaft Potsdam e.V., die als Mitveranstalter unter anderem auch das Auditorium Maximum für die Veranstaltung zur Verfügung stellte. Die Politikwissenschaftlerin Eva Emenlauer-Bömers erinnerte als nächstes an das Lebenswerk von Prof. Peter Grottian, der die BlackRock-Konferenz am Ende seines Lebens initiiert hatte. Zeit seines Lebens habe sich der Professor für Politikwissenschaft – von der Gründung des Komitees gegen Berufsverbote in den 1970er Jahren, über die Initiative der Bürgerinitiative gegen den Berliner Bankenskandal, bis zur Initiierung der BlackRock-Konferenz – für Bürger- und Menschenrechte engagiert.
BlackRocks Geschäftsmodell: Reichtumsvermehrung bei Superreichen
Dr. Werner Rügemer verschaffte den Zuhörern in seinem Vortrag eine Übersicht über die finanziellen und politischen Praktiken des BlackRock-Unternehmes, dessen deutsche Filiale sich am Münchner Lenbachplatz 1 befindet. Auf einem kleinen Briefkasten weist sich der Finanzkonzern dort namentlich aus. In Deutschland würden 150 Mitarbeiter ungefähr 300 Milliarden Euro Vermögen von deutschen Kunden verwalten. Zum Vergleich würde die Deutsche Bank für die Verwaltung von 300 Milliarden Euro 35.000 Mitarbeiter beschäftigen Dabei sei BlackRock gleichzeitig auch der größte Einzelaktionär der Deutschen Bank. Weltweit sei der Vermögensverwalter an 18.000 Unternehmen beteiligt, einschließlich aller 40 deutschen DAX-Konzerne.
BlackRock würde nur sogenannte HNWIs – High Net Worth Individuals – also hochvermögende Personen –, aber am liebsten UHNWIs (Ultra-Hochvermögende) als Kunden akzeptieren. Deshalb könne man mit relativ niedrigem Personalaufwand von weltweit 16.000 Beschäftigten soviel Vermögen verwalten. Rügemer definierte das Geschäftsmodell folgendermaßen:
“BlackRocks Geschäftsmodell ist das Wealth Management, also die nach oben endlos offene Vermehrung des Reichtums der bereits ohnehin schon Superreichen.”
Der Hauptsitz des Unternehmens sei in Delaware, wo ein gewisser Joe Biden als Senator 40 Jahre lang dafür gesorgt habe, dass sein Bundesstaat zum Hafen der wichtigsten Finanzorganisationen wurde. Unter Präsidenten Barack Obama habe BlackRock-Chef Larry Fink in der Finanzkrise als Regierungsberater entschieden, welche Banken gerettet wurden, und welche nicht.
Inzwischen sei BlackRock Anteilseigner aller bedeutenden Banken und Medien, einschließlich so unterschiedlicher Publikationen wie der New York Times (liberal), Fox News (ultra konservativ), USA Today (vergleichbar mit der Bildzeitung), CNN, Netflix, NBC, CBS, ABC – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Der Vermögensverwalter sei Dauerberater bei der Weltbank, bei der FED und der EZB und habe während der Griechenlandkrise dort im Auftrag der Troika das “Sanierungsprogramm” umgesetzt. Was da heißt: Er hat das öffentliche Eigentum der Griechen an superreiche Privatiers vermittelt.
Und dass Privateigentum bei BlackRock auch Privateigentum bleibe, habe sich auch an einem deutschen Beispiel gezeigt. Als größter Wohnungsaktionär Europas habe BlackRock im Vorfeld der Berliner Kampagne zur Enteignung des Konzerns “Deutsche Wohnen” laut Rügemer dem Land Berlin gedroht:
“Wenn ‘Deutsche Wohnen’ enteignet wird, dann wird die Kreditfähigkeit von Berlin zurückgestuft.”
Wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz bei BlackRock wirklich gehandhabt werden
Seit einiger Zeit werbe BlackRock zwar mit nachhaltigen Investitionen, das betreffe in Wirklichkeit aber höchstens 3 Prozent der Investments. Obendrein habe BlackRock schon früh gemeinsam mit dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton dafür gesorgt, dass das Militär von allen US-amerikanischen Umweltabkommen ausgenommen worden sei: Das Militär wurde hinsichtlich der Verschmutzung von Boden, Luft, Meer und Weltall von allen Umweltauflagen befreit. Und was BlackRocks angebliche Nachhaltigkeit in Deutschland angehe: Hierzulande habe BlackRock beispielsweise kein Problem mit seiner Beteiligung an “Heidelberg Zement” – einem Unternehmen, das unbehelligt soviel CO2 produziere, wie ganz Österreich.
Grundsätzlich habe das Geschäftsgebahren von BlackRock und Co. (Vanguard, Fidelity, State Street) zu einer nie dagewesenen sozialen und wirtschaftliche Ungleichheit geführt, stellte Rügemer fest. Inzwischen würde die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung weltweit immer ärmer und kränker:
“Das Phänomen der ‘Working Poor’ erweitert sich um das Phänomen der ‘Working Sick’.”
Beispiele für BlackRocks Beteiligung in der Ukraine
Auch in der Ukraine habe der Vermögensverwalter mehrfach investiert: Zum Beispiel in den Tabakkonzern Philipp Morris, der seit den 1990er Jahren in der Ukraine multipräsent sei. Seit 1994 gebe es in der Ukraine den weltweit niedrigsten Steuersatz für Zigaretten. Der aktuelle Mindestlohn betrage dort zur Zeit umgerechnet 1,21 Euro.
Nach der Wende habe man den ukrainischen Bauern nach Auflösung der volkseigenen Landwirtschaftsbetriebe jeweils 4 Hektar Land übertragen – zu wenig, um davon leben zu können. Das Land verpachteten die Bauern größtenteils an ukrainische Oligarchen. Aber an den Agrarunternehmen, mit deren Erzeugnissen die Landwirtschaft in der Ukraine betrieben werde, sei BlackRock maßgelblicher Anteilseigner. Dazu gehörten das Saatgut und die Pestizide von BAYER-Monsanto und die eingesetzten Agrarmaschinen aus den USA, zum Beispiel von John Deere. Vor allem aber habe der Finanzkonzern Kredite an die ukrainische Regierung vergeben, die damit direkt bei ihm in der Schuld stehe.
BlackRocks Investment in die Braunkohle
Uwe Hiksch vom Bundesvorstand der Naturfreunde vertiefte in seinem Vortrag über Greenwashing bei BlackRock das Thema vorgetäuschter Nachhaltigkeit und tatsächlicher Umweltzerstörung der Vermögensorganisation. Gemessen am CO2-Ausstoß, gehöre das Energieunternehmen RWE zu den größten Umweltsündern in Deutschland. Für BlackRock sei dies aber kein Hindernis, die Firma im Portfolio zu haben. Die BlackRock-Anleger würden im Moment ganz besonders von den hohen Gewinnen bei RWE profitieren, die aufgrund von aktuell besonders hohen Preisen bei Strom und Gas erzielt würden.
Man solle sich über eine vorgebliche Nachhaltigkeit der BlackRock-Investitionen keinerlei Illusionen machen, so der Vorstand der Naturfreunde: BlackRock habe weltweit in fast alle Kohlekraftwerke investiert – es gebe einen Trick, wie sich der Kohleanteil unter den zugelassenen 25 Prozent darstellen lasse. Ebenso beteilige sich der Vermögensverwalter an Unternehmen, die aktuell den Regenwald im Amazonas abholzen.
Gelogen und getäuscht: Die Unnachhaltigkeit von E-Autos bei Audi und Tesla
In einem weiteren Vortrag stellte Werner Rügemer am Beispiel der E-Autoproduktion dar, wie BlackRock Einfluss auf die Arbeitsverhältnisse nimmt. So würde ein E-Auto von Audi in einer Fabrik in Brüssel aus 12.000 Einzelteilen zusammengesetzt werden, die an 550 Standorten in 37 Staaten produziert würden und teilweise vor ihrer Ankunft in Brüssel für einzelne Produktionsschritte schon mehrfach um die Welt gereist seien. Ein Scheibenwischermotor würde auf dem Weg seiner Fertigung von Dresden, über die Philippinen und Singapur nach Brüssel reisen.
“So ein ’emissionsfreier’ E-Audi mit 408 PS und 2,6 Tonnen hat beim Herstellungsprozess durch die Verschickung seiner 12.000 Teile per Flugzeug, Schiff und LKW mehr CO2 verbraucht, als das Modell je einsparen würde.”
Die viele Hin- und Herschickerei lohne sich aber: Das benötigte Kobalt werde im Kongo günstig von Kindern geschürft. In Tunesien müsse der Konzern nur 0,66 Euro Mindestlohn für die Produktion von Audi-Teilen bezahlen. Zur Zeit würden viele traditionelle Autozulieferer pleite gehen. Aber schon um Lohnkosten zu sparen, sei man im Hinblick auf Standortwechsel flexibel.
Nach der Herstellungspraxis beim E-Audi berichtete Rügemer auch über die “geschmeidigen und opportunistischen” Praktiken bei den Tesla-Autowerken, wo die Arbeiter in den USA mangels ausreichender Einkommen teilweise auf den Parkplätzen vor der Fabrik wohnten. Für alle Versuche einer Gewerkschaftsgründung seien die Initiatoren bestraft worden. Im Tesla-Werk in Freemont gebe es eine 6-Tage Woche und die höchste Zahl an Arbeitsunfällen in der Autoindustrie weltweit. Bei der Betriebsratsgründung im Brandenburger Werk in Grünheide hätten Führungskräfte den Betriebsrat selbst besetzt.
Apples iPhones werden von indischen Arbeiterinnen für den Mindestlohn von 60 Cent montiert, die jeweils zu zehnt in einem Raum untergebracht sind
In Chennai in Indien lasse der von BlackRock investierte Apple-Konzern bei dem taiwanesischen Unternehmen Foxcon von jungen Frauen mit Werkvertrag 6 Tage in der Woche seine neuen iPhone-Modelle 12 und 13 montieren, und ebenso das neueste Modell 14 – für den Mindestlohn von 0,60 Euro pro Stunde. Die Arbeiterinnen würden in werkseigenen Wohnheimen jeweils zu 10 Frauen pro Zimmer untergebracht. Wer keinen Platz im Stockbett ergattere, schlafe auf dem Boden.
“Foxcon ist der weltweit größte Organisator kasernisierter Niedriglöhnerei – Auch Foxcon sorgt mit seinen Produktionspraktiken für eine steigende Rendite bei den BlackRock-Anteilseignern,” beschreibt Rügemer die Sparmethoden bei der Apple-Produktion.
Die USA hätten Arbeitsrechte-Abkommen bei der UNO nicht ratifiziert und mit 7,25 Dollar (Ausnahmegenehmigung bis zu 2,13 Dollar) den niedrigsten Mindestlohn aller westlichen Staaten. Die Macher vom Silicon Valley förderten LGBT- und Diversity-Interessengruppen, aber Arbeitsrechte und Gewerkschaften seien nicht vorgesehen.
Arbeitskampf bei Amazon und Verdi
Orhan Akman, der gerade für den Bundesvorstand bei Verdi kandidiert, berichtete über den mittlerweile zehn Jahre währenden Arbeitskampf bei Amazon, wo BlackRock ebenfalls maßgeblicher Anteilseigner ist. Allerdings, so der Gewerkschaftler, spreche er auf der Konferenz als Privatperson und nicht für Verdi, das wolle er ausdrücklich betonen. Aufgrund des Lockdowns habe Amazon im Jahr 2021 einen Umsatz von 489,8 Milliarden Euro, und einen Gewinn von 33 Milliarden Euro erzielt.
“Amazon bestimmt weltweit die Plattform-Ökonomie und auch, wer sich wohin bewegen darf. Amazon agiert wie ein Staat ohne Staatsgrenzen”, so Akman
“Der Konzentrationsprozess im Handel ist enorm, immer weniger Konzerne bestimmen über unsere Produkte.”
Mit einer Finanzkraft unter den ersten 70 Volkswirtschaften der Welt, aber ohne jegliche demokratische Befugnis, gebe es dringenden Regulierungsbedarf. Die Amazon-Beschäftigten wollten in ihrer Arbeit nicht von Maschinen und Computern getrieben werden. Sie wehrten sich dagegen, als “gläserne Mitarbeiter” behandelt und als Anhängsel künstlicher Intelligenz eingesetzt zu werden. Dass sich der Handel zunehmend in den Online-Bereich verschiebe, würde Ladengeschäfte immer unrentabler machen, insbesondere in ländlichen Regionen. Dort werde die Versorgungsinfrastruktur immer weiter abgebaut.
Weder die KI-Debatte noch die Bestimmung über Arbeitsverhältnisse, Produkte und Versorgung dürfe man den Konzernen überlassen. Die gesellschaftliche Debatte darüber müsse endlich aus der Defensive kommen. Schließlich hätten die Gewerkschaften in der Pandemie hinsichtlich veränderter Arbeitsbedingungen zum Beispiel im Bereich Pflege und im Bereich Handel völlig versagt.
Große Expertise und engagierte Aufklärung
In weiteren Vorträgen wurden die Konferenzteilnehmer auch über einzelne Finanzprodukte von BlackRock aufgeklärt, wie zum Beispiel in dem Referat von Hans-Günther Petersen über die sogenannten EFTs (Exchange Trated Funds). Christoph Ehlscheid vom Vorstand der IG Metall klärte angesichts der neuen BlackRock-Rente über den Reformprozess bei der Privatisierung der Renten auf. Am zweiten Konferenztag wurde das Thema Rentenprivatisierung ausführlich behandelt, und wie BlackRock neuerdings auch Profite mit Rentenaktien macht. Im letzten Teil der Konferenz diskutierten Referenten und Teilnehmer über Auswege und Lösungsansätze. Die Ergebnisse werden auf der Konferenz-Webseite veröffentlicht.
Anhand der qualifizierten Diskussionsbeiträge konnte man feststellen, dass einige der circa 150 Teilnehmer zum Thema Finanzwirtschaft schon vorgebildet waren. Allerdings beinhalteten die Vorträge eine solch detaillierte Expertise und vertieften so viele Aspekte, dass alle Teilnehmer und auch die Referenten sich gegenseitig mit ihrem Wissen bereicherten. Die teils trockenen Finanzthemen, Zahlen und Statistiken wurden anhand von Beispielen und Auswirkungen so lebendig und engagiert präsentiert, dass die Konferenz von einer anhaltend konzentrierten Stimmung geprägt war. In Kürze sollen einzelne Vorträge auch auf der Webseite Monsanto-Tribunal.de abrufbar sein.
Alles in allem war es erschütternd zu erfahren, welch inhumane Entwicklung die Wirtschafts-, Arbeits- und Lebensverhältnisse nehmen. Schmerzhaft konkret wurde präsentiert, wie wenig sich profitgesteuerte Vermögensverwaltungen wie BlackRock und Co. um die Auswirkungen ihrer Praktiken auf Mensch, Tier und Umwelt tatsächlich scheren. Gleichzeitig war es beeindruckend zu erleben, wie tiefgreifend sich Intellektuelle und Aktivisten dabei engagieren, über die Machenschaften der Superreichen und ihrer Organisationen aufzuklären und die Menschen wach zu rütteln.
Deshalb beende ich diesen Bericht mit einem Zitat von Margaret Mead:
“Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe engagierter Menschen die Welt verändern kann – tatsächlich ist dies die einzige Art und Weise, in der die Welt jemals verändert wurde.”
Mehr zum Thema – Werner Rügemer im Interview: BlackRock ist Kreditgeber für die Ukraine