Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist zu politischen Gesprächen in die Ukraine gereist. Dabei geht es auch um die weitere, bereits zugesicherte finanzielle Unterstützung des Landes vonseiten der deutschen Steuerzahler. Die dem Springer-Verlag zugehörige Bild-Zeitung weiß mit ihrem “Bild-Vize” und Redakteur Paul Ronzheimer regelmäßig einen Akteur klassischer Frontberichterstattung vor Ort. Ronzheimer begleitete Lindners Besuch in Kiew, um bei dieser Gelegenheit den Finanzminister zu ihm dringlich erscheinenden Themenbereichen zu interviewen. Das Gespräch dauerte 15 Minuten und entlarvt erneut die bedenkliche Gedankenwelt des Bild-Redakteurs. Christian Lindner glänzt seinerseits inhaltlich mit einem sehr speziellen Blick auf geopolitische und historische Ereignisse der Vergangenheit.
Einleitend heißt es in Ronzheimers Artikel:
“Top-Thema [des Besuchs von Lindner in Kiew] : die Forderung der Ukraine nach deutschen ‘Taurus’-Waffen. Die Marschflugkörper sollen der Ukraine bei ihrer Gegenoffensive helfen, können russische Ziele weit hinter der Front angreifen. Doch bislang zögert Kanzler Olaf Scholz (65, SPD) mit einer Lieferzusage.”
Diese Haltung würde jedoch der Finanzminister nicht vertreten, so Ronzheimer den Bundesvorsitzenden der FDP im Artikel zitierend:
“Anders Lindner. Der Finanzminister zu Bild: ‘Ich habe persönlich Sympathie für die Forderung nach Marschflugkörpern’. Allerdings müssten die dafür nötigen Verfahrensschritte berücksichtigt werden (u.a. Abstimmung mit den Verbündeten). Er wünsche sich, ‘dass wir das schnell entscheiden’, so Lindner: ‘Geschwindigkeit ist ein wesentlicher Faktor’.”
Der FDP-Chef ergänzte, dass “die rechtzeitige Lieferung der Marschflugkörper während der laufenden ukrainischen Gegenoffensive” für ihn “realistisch” umsetzbar sei. Auf Nachhaken à la Markus Lanz hin – also frühzeitige und regelmäßige Unterbrechungen während des Interviews – teilte Lindner dann im aufgezeichneten Video-Interview mit, dass niemand in der Bundesregierung, diesbezügliche Entscheidungsfindungen “verzögern” würde. Aber “sie [mögliche Entscheidungen] brauchen gelegentlich auch die Aufmerksamkeit, in der Tiefe geprüft zu werden”, so Lindner.
Ronzheimer – zu 100 Prozent Befürworter einer Fortsetzung kriegerischer und tödlicher Handlungen seitens der Ukraine – wollte dann von Lindner nochmals explizit wissen, ob er davon ausgehe, dass “die Taurus, noch für diese laufende Gegenoffensive genutzt werden kann.” Lindner antwortete daraufhin im Originalwortlaut:
“Ich hoffe und denke, dass das möglich sein kann.”
Ronzheimer wollte sodann den Unterschied zwischen zwei Aussagen erläutert bekommen, die wären, dass Lindner die Position vertrete: “Die Ukraine soll den Krieg gewinnen”, während Bundeskanzler Scholz für sich feststelle: “Die Ukraine soll den Krieg nicht verlieren.” Und Ronzheimer wollte anschließend gerne bestätigt bekommen, dass Lindners Standpunkt bedeuten würde “die Zurückeroberung aller Gebiete, und halten sie das noch für realistisch?” Lindner antwortete ausweichend: “Das entscheidet die Ukraine zunächst einmal ja selbst, Herr Ronzheimer”, um weiter auszuführen:
“Es sind hier viele Menschen getötet worden, durch die russischen Angriffe und es sind auch viele Soldaten und Soldatinnen gefallen, für ihr Land…”
Wladimir Putin versuche, den Krieg in die Länge zu ziehen, “sodass die Verbündeten der Ukraine mit ihren Waffenlieferungen an die Grenzen ihrer Bestände stoßen und letztlich ihre Unterstützung einschränken”, so der Bild-Artikel zusammenfassend. Lindner forderte:
“Er [Putin] darf damit nicht erfolgreich sein.”
Es würde sich nach Meinung des FDP-Chefs zudem zeitnah die Frage stellen:
“Wer ist das nächste Opfer von Putin?”
Und anschließend erläuterte Linder auf Ronzheimers Nachfrage hin:
“Wo versucht er, jetzt wiederum Grenzen in Europa zu verschieben mit militärischer Gewalt? Er [Putin] akzeptiert, dass nach dem 2. Weltkrieg, wieder Grenzen mit Gewalt verschoben werden. Er stellt ja genau das in Frage, was eben die von mir die so genannte Friedens-und Freiheitsordnung ausgemacht hat, die seit den 1970er Jahren entwickelt worden ist. Dazu darf es nicht kommen. Grenzen dürfen nicht mit Gewalt verschoben werden.”
Die Themen Jugoslawienkrieg und NATO-Osterweiterung wurden dabei inhaltlich nicht angesprochen. Es ging dann im Gespräch weiter um kommende Millionenbelastungen für die deutschen Steuerzahler, im Hinblick auf die auch weiterhin für richtig befundene immense finanzielle Unterstützung der Ukraine durch die Bundesregierung. Wobei der FDP-Chef zu Protokoll gab:
“Ich sehe die ganz überwiegende Mehrheit der Deutschen solidarisch mit der Ukraine, weil wir unsere historische Lektion doch gelernt haben. Aus der Auseinandersetzung des Kalten Krieges und mit der Sowjetunion haben wir doch gelernt, dass wir nur durch Gemeinsamkeit und Wehrhaftigkeit unseren liberalen Lebensstil verteidigen können.
Das ist doch die Lehre der Geschichte und bedauerlicherweise wiederholt sich jetzt, durch die Konfrontation mit Russland, ein Teil genau dieser Geschichte.”
Die finalen, rein provokativen Fragen seitens Bild-Frontberichterstatter Ronzheimer lauteten dann im Originalwortlaut:
“Kann dieser Krieg nur enden, wenn Putin stirbt?”
Lindner, sichtlich überrascht, gab zu Protokoll:
“Das ist eine reine Spekulation. Nein, er [der Krieg] muss baldmöglichst enden.”
Lindner lamentierte dann über die “wirksame” Sanktionspolitik gegenüber Russland, und gab Ronzheimer damit Zeit zum verbalen Nachladen. Der Bild-Redakteur wörtlich:
“Ronzheimer: Wünschen sie sich, dass Putin stirbt?
Lindner: Ich wünsche keinem Menschen den Tod.”
“Über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg, kann es keine Gespräche mit Russland geben, wer sollte sie führen?”, so Lindner abschließend im Interview. Der Bild–Artikel trägt die Überschrift:
“Finanzminister zu Besuch in Kiew – Wünschen Sie Putin den Tod, Herr Lindner?”
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