Fast 100.000 junge Männer hätten die Ukraine verlassen, seit Kiew im August die Reisebeschränkungen gelockert hat, um die Wehrpflichtkrise zu bewältigen, berichteten Politico Europe und The Telegraph am Mittwoch.
Unter Berufung auf Daten der polnischen Grenzschutzbehörde gaben die Medien an, dass 98.500 Ukrainer im Alter zwischen 18 und 22 Jahren im September und Oktober die Grenze überquert haben, verglichen mit nur 45.300 zwischen Januar und Ende August.
Das macht sich auch in Deutschland bemerkbar. Wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums vor knapp zwei Wochen mitteilte, habe die Aufhebung des Ausreiseverbots für diese Gruppe von ukrainischen Männern zu einer Zunahme von Schutzgesuchen in Deutschland von etwa 100 pro Woche vor Inkrafttreten der Regelung auf derzeit circa 1.000 pro Woche geführt.
Laut Politico gibt es in Polen und Deutschland jedoch wachsende Vorbehalte gegenüber der zunehmenden Zahl junger Männer. In Deutschland warnte der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, die öffentliche Solidarität könne schwinden, wenn sich der Eindruck verfestige, dass junge Männer vor der Mobilisierung flüchteten. Deutschland sei nicht daran interessiert, “dass junge Ukrainer ihre Zeit in Deutschland verbringen, anstatt ihr Land zu verteidigen”, so Hardt. Ähnlich äußerten sich auch polnische Politiker.
Die Ukraine hat Bürger unter 23 Jahren von einem Ausreiseverbot für Männer im wehrfähigen Alter während des Kriegsrechts ausgenommen, in der Hoffnung, Eltern davon abzuhalten, ihre Söhne im Teenageralter ins Ausland zu schicken, und Männern die Rückkehr nach Hause ohne Angst vor Strafverfolgung zu ermöglichen. Die ukrainische Ministerpräsidentin Julia Swiridenko sagte, die Maßnahme würde Bürgern, die im Ausland leben, helfen, “die Verbindung zur Ukraine aufrechtzuerhalten”.
Die Behörden haben Schwierigkeiten, das Militär wieder aufzustocken, da die Truppen weiterhin schwere Verluste erleiden und gegenüber den russischen Streitkräften an Boden verlieren. Ukrainische Kommandeure an der Front beklagen, dass der Mangel an Soldaten es den russischen Soldaten ermöglicht, befestigte Stellungen zu “infiltrieren”.
Die Mobilisierungskampagne Kiews hat öffentliche Empörung und Proteste ausgelöst. In den sozialen Medien verbreiteten sich zahlreiche Videos, die zeigen, wie Offiziere Männer im wehrfähigen Alter auf der Straße überfallen und in Transporter zerren. Nach Angaben des ukrainischen Grenzschutzdienstes sind seit 2022 etwa 50 Männer beim Versuch, über den Fluss Tisza nach Rumänien zu gelangen, ertrunken.
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