Von Bernhard Loyen
Die elektronische Patientenakte, kurz ePA, wird für alle Bürger und Bürgerinnen des Landes – sofern diese zuvor nicht schriftlich bei den jeweiligen Versicherungen Einspruch erhoben haben – ab dem 15. Januar 2025 allen gesetzlich Versicherten zur Verfügung gestellt. Laut Vorstellungen des Lauterbach-Ministeriums BMG wird diese digitale Variante “den Austausch und die Nutzung von Gesundheitsdaten vorantreiben und die Versorgung gezielt unterstützen.” Kurz vor Start, zum Thema und der gesellschaftlichen Befürchtung “gläserner Gesundheitsdaten”, interviewte Die Zeit noch die Bertelsmann-Kuratorin Alena Buyx, die sich wenig überraschend mehr als begeistert zur ePA äußerte.
Den Zeit-Lesern als “Medizin-Ethikerin” verkauft, möchte Frau Buyx einleitend betont wissen, dass die ePA angeblich “so viele Vorteile bringt, dass man das Risiko von Datenlecks eingehen sollte.” Dies bezogen auf die alarmierenden Ergebnisse des Chaos Computer Clubs (CCC), der noch im Dezember des Vorjahres seit langem befürchtete Sicherheitslücken und gravierende Programmierungsfehler ohne größere Probleme aufdecken konnte. Die eindrückliche Warnung lautete unmissverständlich:
“CCC fordert Ende der ePA-Experimente am lebenden Bürger.”
Die Zeit-Redaktion ergänzt dazu, dass ohne die jüngste CCC-Warnung ab dem 15. Januar “alle in der ePA gespeicherten Daten der 75 Millionen Versicherten” rein theoretisch ohne Probleme für Interessierte digital verfüg- und abrufbar gewesen wären.
Buyx erklärt nun wörtlich, im Interview gefragt, ob sie keinerlei “Sorgen hat, dass vor zwei Wochen IT-Sicherheitsforscher Sicherheitslücken demonstriert haben”:
“Das ändert für mich wenig. Der CCC hat dem Projekt sehr öffentlichkeitswirksam einen echten Dienst erwiesen, weil er auf verschiedene wichtige Mängel hingewiesen hat. Viele davon haben wenig mit der ePA an sich zu tun, allerdings gab es auch eine technische Lücke.”
Buyx führt weiter aus, dass “es ja sehr üblich ist, dass Firmen extra Hacker beauftragen, die aktiv nach solchen Lücken suchen, damit sie behoben werden, bevor eine Software oder Ähnliches auf den Markt kommt.”
Ein solcher Auftrag seitens der “Firma” BMG erfolgte allerdings anscheinend nicht. Buyx führt unbeirrt weiter aus, dabei gewohnt unkritisch zum Versagen von Regierungsministerien, “deswegen muss der Entwickler und Betreiber der ePA, die Gematik, dem CCC dankbar sein – und diese technische Lücke natürlich schließen.” Die Ethikerin mutmaßt: “Sie [die Gematik] arbeitet wohl auch schon an einer Umsetzung.”
Vollkommen nebensächlich: Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hält relevante 51 Prozent der Gesellschafteranteile an dem Digitalunternehmen. Ein “Transparenzhinweis” am Ende des Zeit-Artikels klärt zudem auf:
“Im vergangenen Juni wurde Alena Buyx in den Gematik-Digitalbeirat berufen, der die Gematik zu Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit beraten soll, wie es im Digital-Gesetz festgelegt wurde.”
Bislang habe sich jedoch dieser “noch nicht konstituiert”. Die argumentative Vorgehensweise und fahrlässige Unwissenheit erinnert dabei fatal an die “Corona-Zeit”, als Buyx einem ZDF-Millionenpublikum zum Thema neuartiger mRNA-Wirkstoffe aus der Biotech/-Pharmaindustrie allen Ernstes erklärte:
“Diese mRNA Impfstoffe – das ist ja so ein elegantes Verfahren – die zerfallen, dann werden die abgebaut, dann sind die weg. Die kann man nach 2 Wochen überhaupt nicht mehr nachweisen.”
Mehr als angebrachte Bedenken von Kritikern und verunsicherten Bürgern werden damit erneut mit einem Lächeln und ausgelebter Deutungshoheit abgetan und weggewischt. Buyx antwortet auf die Frage seitens der Zeit, ob die Einführung der ePA nun “nicht verschoben werden sollte”:
“Meines Wissens nicht. Und man sollte jetzt wirklich vorankommen. Die ePA sollte schon vor vielen Jahren eingeführt worden sein, jetzt ist es mal an der Zeit, zu starten (…) Lücken müssen geschlossen werden, keine Frage. Gleichzeitig wäre meine Tendenz, dem Ganzen jetzt so bald wie möglich eine Chance in der Umsetzung zu geben.”
Ihre Begründung lautet, diesmal der Digitalindustrie und Politik wohlwollend und beabsichtigt zuarbeitend, dass es “ein perfektes System niemals geben wird. Und das Streben nach perfekter Risikominimierung führt dazu, dass etwas nie fertig wird.”
Bedenken hin, Bedenken her, alles sekundär. Genauso wie es schon nervte mit den frühzeitigen, belegbaren und mehr als angebrachten Warnungen bezüglich befürchteter massiver Nebenwirkungen bei den “Corona-Impfstoffen”.
Zu dem Interview äußerte sich natürlich auch umgehend der ePA-Hauptverantwortliche Karl Lauterbach auf der “rechten” Plattform X, bezogen auf die halbherzige Bestätigung von Buyx zum Thema “Sicherheitslücken” ohne Folgen. Der Minister monierte:
“Ich bin fast immer (sic!) der Meinung von Alena Buyx. Aber das Risiko von Datenlecks gehen wir nicht ein. Wir starten in der nächsten Woche in den Pilotregionen wie geplant, und die Probleme des CCC sind [schwuppdiwupp?, Anmerkung des Autors] dafür gelöst. Deutschlandweit kommt die ePA nach der Pilotphase, auch ohne Datenlecks.”
Anbiedernd reagiert die BMG-Verkaufshilfskraft, dass natürlich die Zeit-Redaktion alleinig die Schuld an der Thematisierung trage:
Diese Formulierung stammt von der Zeit, im Interview ist das differenzierter, inkl. der aktuellen Behebung. Risikofreie digitale Systeme gibt‘s aber nicht. https://t.co/5uidtPEk4v
— Alena Buyx (@alena_buyx) January 8, 2025
Der CCC-Artikel erklärte im Dezember zu den erweiterten Problemfelder der ePA:
“Sicherheitsforscher zeigen unter anderem, wie sie sich mit wenig Aufwand und zum wiederholten Male gültige Heilberufs- und Praxisausweise sowie Gesundheitskarten Dritter beschaffen und damit auf Gesundheitsdaten zugreifen konnten. Ursächlich sind erneut Mängel in den Ausgabeprozessen, den Beantragungsportalen sowie im real existierenden Umgang mit den Karten im Feld.”
Ein Pro-ePA-Argument von Buyx lautet im Interview:
“Häufig nehmen Patienten Medikamente, über die niemand mehr den Überblick hat. Wenn eine Ärztin dann ein neues Mittel verschreiben möchte, weiß sie nicht immer, ob das nicht vielleicht ein Medikament in seiner Wirkung schwächt, das der Patient bereits nimmt, weil die genommenen Medikamente nicht alle erfasst sind oder nur auf dem abgewetzten Zettel zu Hause stehen.”
Diese durchaus relevante Frage stellten sich indes die Ärzte und Ärztinnen in der “Corona-Krise” auffällig nicht, weil das nämlich seitens des BMG und Frau Buyx als überflüssig und verräterisch deklariert worden war. Zu der Frage, ob nicht “die COVID-Pandemie hätte wirksamer bekämpft werden können, wenn es damals schon die ePA gegeben hätte”, schwärmt Frau Buyx seufzend:
“Es ist wirklich ein Jammer! Man darf nicht zu viel darüber nachdenken, was da möglich gewesen wäre, sonst wird man schwermütig.”
Ob die ePA natürlich dabei auch gleich bockige und Buyx-resistente “Impfverweigerer” demaskiert hätte, wollte die Zeit-Redaktion nicht erfahren. Immerhin, Frau Buyx möchte schon reale Risiken erkennen, um – mutmaßend – mit einem Lächeln zu erklären:
“Es gibt immer Risiken. Die Wahrscheinlichkeit eines Hacks ist nicht null, denn jedes digitale System ist angreifbar. Wenn tatsächlich durch ein Datenleck Patientendaten öffentlich würden, könnten Arbeitgeber zum Beispiel von psychischen Erkrankungen ihrer Mitarbeiter erfahren, das könnte negative Folgen haben – oder die Nachbarn wissen auf einmal von einer Geschlechtskrankheit, die man lieber geheim gehalten hätte.”
Wie schön, diese amüsante Bodenständigkeit der Bertelsmann-Kuratorin. Krankenkassen könnten ganz nebenbei auch an den Daten interessiert sein, “etwa wenn jemandem, der privat versichert ist und eine Grunderkrankung verschwiegen hat, der Vertrag gekündigt würde.” Dies seien jedoch laut Buyx “wirklich extreme Szenarien, die nicht sehr wahrscheinlich sind.”
So unwahrscheinlich wie die bewusste politische und gesellschaftliche Ausgrenzung von Bürgern laut von ihr unterstützten und eingeforderten 2/3-G-Regeln? So unwahrscheinlich wie erweiterte Berufsverbote, juristische Anklagen und Gefängnis?
Sie “hoffe” aber, sehr glaubwürdig, dass die ePA-Daten ab kommender Woche auch wirklich geschützt sind vor Cyberkriminellen und Geheimdiensten, denn – Obacht – “ein solch bösartiger Zugriff auf ein Leck wäre in der Tat ein Super-GAU.”
Die drei dunklen Jahre haben den mehr als belastenden totalitären politischen Plänen und Umsetzungen samt leitenden und zuarbeitenden Akteuren Tür und Tor geöffnet. Rund 20 Prozent der Bevölkerung blieben standhaft, zeigten stabiles Rückgrat und ein aufrichtiges Interesse an der Verteidigung der Demokratie.
Die elektronische Patientenakte ist nun aktuell der nächste konsequente Schritt, um die Grundrechte der Bürger und Bürgerinnen manipulativ bewusst und beabsichtigt einzuschränken. Mit dem Team Buyx-Lauterbach sind erneut zwei treibende, ja, kriminelle und belastete Kräfte an der Spitze der Anti-Demokratiefront.
Dass ein Karl Lauterbach weiterhin juristisch unbelastet, ungefährdet und ungestört sein fahrlässiges Unwesen fortführen kann, ist und bleibt einer der größten Skandale der jüngsten Gegenwart.
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