Eine fragliche Anklageposse gegen den Querdenken-Gründer Michael Ballweg findet nach Monaten einer kontroversen Anklagestrategie mit Widersprüchen vor dem Landgericht Stuttgart ihr Ende. Ballweg erfuhr final einen teilweisen Freispruch, wurde jedoch auch zu einer Geldstrafe verurteilt. Die ursprüngliche Anklage lautete “versuchter Betrug in 9.450 Fällen sowie Steuerhinterziehung in Höhe von 330.000 Euro”. Der Angeklagte hatte zuvor ab Ende Juni 2022 in Untersuchungshaft gesessen. Nach neun Monaten wurde Ballweg dann entlassen, da sich laut der zuständigen Staatsanwaltschaft im März 2023 “der aus der Straferwartung resultierende Fluchtanreiz inzwischen reduziert habe” (RT DE berichtete über das Verfahren hier, hier und hier).
Die lange und entbehrungsreiche Erfahrung des Querdenken-Gründers Ballweg mit den Hürden und Tiefen der deutschen Justiz im Umgang mit unliebsamen Regierungskritikers ist mit einem teilweisen Freispruch zu Ende gegangen. Im noch nicht rechtskräftigen Urteil kam es zu einer Verwarnung. Das Gericht sprach in der Verurteilung von zweifacher mutmaßlicher und versuchter Steuerhinterziehung. Das Urteil lautet vorerst 30 Tagessätze zu je 100 Euro, ausgesetzt auf ein Jahr Bewährung. In allen anderen Anklagepunkten erfolgte ein Freispruch. Laut Medienvertretern vor Ort “ist jedoch unklar, ob die Staatsanwaltschaft oder Ballweg in Berufung gegen das Urteil gehen werden”. Die Stuttgarter Nachrichten erklären zum Urteil:
“Für zwei Fälle der Steuerhinterziehung und einen Fall der versuchten Steuerhinterziehung wurde er schuldig gesprochen – und verwarnt. Für die Zeit seiner Untersuchungshaft soll er entschädigt werden. Für die Wirtschaftskammer war es nicht erwiesen, was ihm die Anklage vorgeworfen hatte.”
In einem Artikel der Welt wird zu den vorherigen Vorwürfen und dem Verlauf des Verfahrens zusammengefasst:
“Der Unternehmer selbst erklärte, er habe mit seiner Initiative sogar rund 80.000 Euro Verlust gemacht. Bereits im Frühjahr hatte das Gericht eine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit vorgeschlagen. Die Richter verwiesen darauf, dass man Ballweg keinen Vorsatz nachweisen könne. Die Staatsanwaltschaft lehnte den Vorschlag jedoch ab.”
Der Schwerpunkt der Anklage lag in dem Vorwurf, “er habe von seinen Unterstützerinnen und Unterstützern Schenkungen eingeworben mit der Begründung, dieses Geld für den Protest gegen die Corona-Schutzmaßnahmen zu brauchen, es dann aber für sich verwendet”. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer in der vergangenen Woche weiterhin unbeirrt der ermittelten Realitäten und eklatanten Widersprüchen bei den Zeugenvernehmungen drei Jahre Haft gefordert. Die Verteidiger plädierten hingegen auf Freispruch und beantragten zudem eine Entschädigung für Ballwegs Zeit im Gefängnis.
In einem Spiegel-Artikel zum heutigen Urteil wird daran erinnert:
“Ballweg war während der Coronapandemie zu einer zentralen Figur der regierungskritischen Proteste geworden. Die von ihm gegründete ‘Querdenken’-Bewegung formierte sich 2020 in Stuttgart als Reaktion auf die staatlichen Schutzmaßnahmen. Binnen kurzer Zeit breitete sie sich bundesweit aus – zu den Demonstrationen gesellten sich neben Impfgegnern auch Esoteriker, Anhänger von Verschwörungstheorien und Vertreter rechtsextremer Gruppen.”
Mehrheitlich alternative Medien erkannten in den gesamten Ereignissen “ein politisches Verfahren”. Im Frühjahr hatte das zuständige Gericht erstmalig angedeutet, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einstellen zu wollen. Die Richter hatten erklärt, ein Vorsatz sei nicht erkennbar. Die Staatsanwaltschaft lehnte diesen Vorschlag jedoch ab. Schon vor dem Urteil hatte die Staatsanwaltschaft laut Stuttgarter Nachrichten “zwischen den Zeilen erkennen lassen, dass sie im Falle eines Freispruchs in Revision gehen werde”.
Die FAZ berichtet, dass “mehr als hundert Anhänger” die vorerst letzte Gerichtsverhandlung vor Ort verfolgten, “sie empfingen Ballweg schon vor der Urteilsverkündung als Helden und Sieger”.
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