
Traditionell gedenkt Deutschland im November der Gefallenen der beiden Weltkriege, der Opfer von Gewaltherrschaft, Krieg und Terrorismus weltweit sowie der Verluste der Bundeswehr. Dieser Gedenktag fällt stets auf einen Sonntag, zwei Wochen vor dem ersten Adventssonntag. Es ist üblich, dass die deutschen Botschafter in den Tagen um den Volkstrauertag deutsche Soldatenfriedhöfe in ihren jeweiligen Gastländern besuchen und dort Kränze niederlegen.
Dies tat auch der deutsche Botschafter in Moskau, Alexander Graf Lambsdorff, einige Tage vor dem Volkstrauertag. Am 14. November suchte er die deutsche Kriegsgräberstätte Ljublino im Südosten Moskaus auf. Es handelt sich um den einzigen deutschen Soldatenfriedhof auf Moskauer Stadtgebiet. Dort liegen nicht die sterblichen Überreste von Wehrmachtsangehörigen, die 1941 Moskau zu erobern suchten, sondern von deutschen Soldaten, die in Kriegsgefangenschaft starben.
In seiner Stellungnahme nahm Lambsdorff Bezug auf das sich 2025 zum 80. Mal jährende Ende des Zweiten Weltkriegs. Man müsse “aufrichtig und ehrlich” erinnern. Nur dann könne man “künftige Generationen vor den Schrecken und Gewalt bewahren.” Der deutsche Botschafter warf Russland vor, das Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkriegs für imperialistische Zwecke zu missbrauchen. Man sehe, “zu welch zweifelhaften Ergebnissen Versuche führen” würden, “Erinnerung zur Rechtfertigung von Gewalt zu nutzen.”
Lambsdorff stellte Russland als Aggressor dar, das einen Krieg verschuldet habe, der “schon fast so lange dauert wie der Große Vaterländische Krieg.” Der Krieg Russlands gegen die Ukraine sei “keineswegs eine Fortsetzung des Großen Vaterländischen Krieges”, sondern eine Militäraktion imperialistischen Charakters, “die Hunderttausende sinnloser Opfer gefordert hat.” Russland werde nicht angegriffen, es habe selbst angegriffen – und tue dies jeden Tag aufs Neue. Die Sonderoperation in der Ukraine sei definitiv keine Fortsetzung des Kampfes gegen den Faschismus. Das sei nur ein Vorwand, um Russlands imperialistisches Vorgehen zu verschleiern.
Worte der Versöhnung oder des Bedauerns für den deutschen Angriff 1941, der 27 Millionen Sowjetbürger das Leben kostete (und auch rund 3,8 Millionen deutsche Soldaten sowie über einer Million deutsche Kriegsgefangene in der Sowjetunion) äußerte der deutsche Botschafter nicht.
Dieses Verhalten Lambsdorffs steht im Gegensatz zum Auftreten des Berliner Botschafters der Russischen Föderation, Sergei Netschajew, der stets auf Anklagen gegen sein Gastland bei ähnlichen Trauerzeremonien verzichtet, sei es im brandenburgischen Lebus oder beim sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Tiergarten. In Lebus betonte Netschajew die gemeinsame Erinnerungskultur, die Russland mit seinen deutschen Freunden verbinde, und unterstrich das in den vergangenen Jahrzehnten “im Sinne der Versöhnung und gegenseitigen Respekts” Erreichte. Der russische Diplomat Netschajew vergisst nie, sich bei den deutschen Behörden zu bedanken, die für die Pflege der Gräber verantwortlich sind.
Das Auftreten des deutschen Botschafters in Moskau ist in den allgemeinen Konfrontationskurs der deutschen Regierung gegenüber Russland einzuordnen. Wie der AfD-Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré bei einem Interview während seines Aufenthalts im russischen Sotschi betonte, sind es deutsche Waffen, die in der Ukraine Russen töten, nicht umgekehrt. Kotré bedauerte, dass sich Deutschland in einen Konflikt einmische, der “nicht unser Krieg” sei. Die antirussische Haltung, die von den Altparteien vertreten werde, sei offenkundig.
Eine Stellungnahme russischer Außenpolitiker oder von Vertretern des russischen Außenministeriums zu Lambsdorffs auffällig feindseligen Ausführungen liegt noch nicht vor. In den Kommentaren auf der Telegram- beziehungsweise Facebook-Seite der deutschen Botschaft fand sich Kritik. So schrieb ein Nutzer:
“Der Botschafter ist gekommen, um der Kriegsgefangenen zu gedenken, die als Eindringlinge nach Russland kamen. In seiner Rede hört man keine Worte über die Versöhnung der Völker und die Entwicklung der guten Nachbarschaft.”
Stattdessen erklängen Worte, die die Russen für die Tragödie in der Ukraine verantwortlich machten. Es sei seltsam, derartiges von einem Vertreter eines Staates zu hören, der an dem militärischen Konflikt in der Ukraine beteiligt sei und Waffen liefere.
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