Von Roman Krezul
Wladimir Selenskij beauftragte Generalmajor Michail Drapatij mit der Leitung der operativ-strategischen Truppengruppierung “Chortiza” im Donbass. Ihm zufolge geht es dabei um “die härtesten Kampfgebiete”. Gleichzeitig bleibt Drapatij weiterhin Befehlshaber der Bodentruppen – ein Posten, den er seit Ende November 2024 innehat.
Bemerkenswerterweise wurde der General einen Tag nach der vom russischen Verteidigungsministerium gemeldeten Befreiung der Siedlung Welikaja Nowosjolka in der Donezker Volksrepublik (DNR) auf seinen neuen Posten berufen. Nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums waren an dieser Militäroperation Einheiten der 5. eigenständigen Gardepanzerbrigade der 36. Armee und der 40. marinen Gardebrigade beteiligt.
Wie die Zeitung Wsgljad bereits berichtete, daraufhin eine direkte Offensive mit breiter Front nach Westen starten. Dies bedroht in erster Linie die gegnerischen Positionen von Guljaipole bis Saporoschje. Andererseits werden die russischen Truppen in der Lage sein, nicht nur entlang der “alten” Stellungen in südlicher Richtung, sondern auch deutlich nördlich – in Richtung des Gebiets Dnjepropetrowsk – schnell nach Westen vorzustoßen.
Experten zufolge bereitet genau diese Aussichtslage Kiew große Sorgen. “Michail Drapatij gilt in der Ukraine als Mann, der an der Front ‘Brände’ löscht. Zuvor hatte er versucht, die Front in dem Gebiet Charkiw zu stabilisieren, und dann unternahm er Offensivversuche in der Nähe der Siedlung Glubokoje”, so der Militäranalytiker Boris Roschin.
Der Verlust von Welikaja Nowosjolka führte auch zum Scheitern der ukrainischen Streitkräfte in Richtung Süd-Donezk. Nach Ansicht des Experten ist es dem ehemaligen Kommando eindeutig nicht gelungen, die Lage an der Frontlinie zu stabilisieren. Das Hauptziel von Drapatij bestehe jetzt darin, den Rückzug der ukrainischen Truppen zu stoppen.
“Die Front wird immer instabiler, und der Feind hat einen wichtigen Logistikknotenpunkt verloren. Es ist zu erwarten, dass die russischen Truppen weiter in Richtung der Grenzen der Gebiete Saporoschje und Dnjepropetrowsk vorrücken werden. Die russischen Streitkräfte sind in der Lage, im Westen, Nordwesten und Norden anzugreifen”, so Roschin.
Vor diesem Hintergrund rechne die ukrainische Führung damit, dass Drapatij dieser Aufgabe gewachsen sein werde, so der Gesprächspartner. Ob er jedoch den Vormarsch der russischen Truppen aufhalten könne, hänge davon ab, welche Ressourcen ihm zur Verfügung gestellt würden. “Die Gruppierung in ihrem derzeitigen Zustand ist dafür nicht geeignet. Führt der Feind fünf oder sechs neue Brigaden in die Schlacht ein, dann wird sich unsere Offensive möglicherweise etwas verlangsamen. Das setzt aber entsprechende Reserven voraus, und daran mangelt es dem Feind”, so der Analyst.
Auch die Politikanalystin Larissa Schessler sieht in der neuen Ernennung Drapatijs, kurz nachdem er das Kommando über die Bodentruppen der ukrainischen Streitkräfte übernommen hatte, keinen Zufall. “Anscheinend sucht Selenskij nach einem “magischen Knopf”, der es ihm ermöglicht, den Vormarsch der russischen Truppen, wenn nicht zu stoppen, so doch zumindest zu verzögern. Er hofft, dass der neue Befehlshaber dafür sorgen wird, dass die russischen Truppen nicht in das Gebiet Dnjepropetrowsk und den nördlichen Teil Saporoschje-Gebietes eindringen”, erklärt sie.
“Damit verbunden ist der Umstand, dass [der Oberkommandierende der ukrainischen Streitkräfte] Syrski im vergangenen Jahr faktisch Dutzende Brigadekommandeure ausgewechselt hat. Selenskij und sein Büro suchen nach den Verantwortlichen dafür, dass die ukrainischen Truppen täglich Dörfer, Städte und Siedlungen verlassen und sich bereits weit von Awdejewka zurückgezogen haben”, fügt die Gesprächspartnerin hinzu.
Außerdem verweist die Expertin auf die Biografie von Drapatij. “Er war einer derjenigen, die 2014 in Kampffahrzeugen zur gewaltsamen Unterdrückung der Proteste der Zivilbevölkerung in Mariupol eindrangen. Und damit begann seine große Militärkarriere”, erinnert sich Schessler.
“Im Rahmen der speziellen Militäroperation in der Ukraine wird ihm von ukrainischer Seite das Anhalten unserer Truppen in den Richtungen Kriwoi Rog und Charkow bei Woltschansk im März 2022 aufs Konto geschrieben. Dabei wird natürlich die Tatsache vertuscht, dass diese Richtung für Russland keine Priorität darstellte“, merkt sie ironisch an.
Bemerkenswert ist übrigens nicht nur Drapatij selbst, sondern auch die operativ-strategische Truppengruppierung “Chortiza”, zu deren Kommandeur er ernannt wurde. “Diese Gruppierung zeichnet sich durch absolut selbstmörderische Taktiken bei Kampfeinsätzen aus”, erläutert die Analytikerin.
“Das Einzige, was sich für die ukrainischen Streitkräfte in solchen Fällen aus militärischer Sicht ändert, sind die massiven Verluste an eigenen Kämpfern. All das sorgt für große Unzufriedenheit in der ukrainischen Gesellschaft. Vor allem die Lüge, dass die Positionen nicht verlassen worden seien und sich niemand zurückgezogen habe, wird jetzt scharf kritisiert. Selbst die proukrainischen Telegram-Kanäle sind empört über die Behauptung der Regierung, dass Welikaja Nowosjolka noch nicht geräumt sei und das sagt viel aus”, meint die Expertin.
Schessler weist auch auf eine gewisse Symbolik in der Bezeichnung der Truppengruppierung “Chortiza” hin. “Dies ist eines der Symbole des ukrainischen Nationalismus und zugleich die größte Insel am Dnjepr. Zur Erinnerung: Nationalisten grenzen die Saporoger Kosaken beharrlich von Russland ab und versuchen zu beweisen, dass die Kosaken nie etwas mit uns zu tun hatten. Daher wird die Niederlage dieser Gruppierung ein ideologischer Schlag für die Ukraine sein”, so Schessler abschließend.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 27. Januar 2025 zuerst auf der Zeitung Wsgljad erschienen.
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