Von Astrid Sigena
Die katholische Kirche ist (zumindest im deutschsprachigen Raum) mittlerweile berüchtigt für ihre fragwürdigen Kunstinstallationen, die – gelinde gesagt ‒ Befremden erregen. So wurde im Mai 2025 während des Festakts zur 1.250-Jahrfeier Westfalens im Paderborner Dom eine Tanzzeremonie mit kopflosen Hühnern in Windeln aufgeführt (RT DE berichtete). Und bereits im Jahr zuvor war im österreichischen Linz im örtlichen Mariendom die Statue einer gebärenden Mutter Gottes aufgestellt worden, die bezüglich nackter Tatsachen während des Geburtsvorgangs keine Fragen offenließ, was zur Empörung unter katholischen Gläubigen und sogar zur Zerstörung der Skulptur führte.
Nun war offenbar die Stuttgarter St.-Maria-Kirche mit dem bewussten Provozieren frommer Gemüter an der Reihe. Dort fand am Heiligabend die Fernsehübertragung der katholischen Christmette unter dem Motto “So viel Mensch war nie!” statt. SWR-Rundfunkpfarrer Thomas Steiger beteuerte zwar bereits im Vorfeld, man wolle mit der Darbietung nicht provozieren, sondern inspirieren, es ist allerdings kaum glaubwürdig, dass er als Medienprofi diese Wirkung nicht mit einberechnet hat. Zumal während des Gottesdienstes Pastoralreferentin Katharina Leser immer wieder in mokantem Ton von der “perfekten heilen Jesusfigur” (zum Beispiel bei Minute 27:30) sprach. Ohnehin ist St. Maria durch die Regenbogenbeflaggung als Kirchengemeinde des woken Zeitgeistes gekennzeichnet.
Während der ansonsten unspektakulär verlaufenden, mit vertrauten Advents- und Weihnachtsliedern wie “Maria durch ein Dornwald ging” oder “Es ist ein Ros entsprungen” aufwartenden Christmette zeigte die Kamera immer wieder ein schleimiges, atmendes Etwas, das auf einem Strohhaufen gebettet war (zum Beispiel bei Minute 7:09) – die Krippe, wie Pfarrer Steiger den Zuschauern erklärte (Minute 26:00). Die Künstlerin Milena Lorek selbst nannte die von ihr entworfene Installation “Endwurf” – wobei die Endsilbe “-wurf” eine Reduzierung auf das rein Animalische impliziert. Denn “Wurf” und “werfen” bezeichnet schließlich nur den Geburtsvorgang bei Tieren.
Ist Gott in Stuttgart etwa nicht Mensch, sondern Tier geworden? Ist das der “Moment der Ungewissheit” zwischen Sicherheit und Bedrängnis, von dem die Künstlerin in ihrem künstlerischen Konzept spricht? Nicht umsonst fühlte sich Hagen Stegmüller von der BILD an ein sich windendes, frisch geborenes Kalb erinnert. Andere Betrachter der Krippeninstallation dachten auf der Plattform X angewidert an ein “atmendes Alien” oder gar an die Geburt eines Uruk-hai (eines grausamen Ork-Kriegers aus der Fantasy-Sage “Herr der Ringe”). Sehr häufig fielen die Begriffe “satanisch” oder “blasphemisch”. Den Eindruck eines neugeborenen Babys erweckte die Installation bei den Rezipienten ganz offensichtlich nicht. Es hätte auch keineswegs derartigen Abscheu erregt.
Pfarrer Steiger verkündete zwar während des Gottesdienstes (Minute 9:00), die Krippe zeige einen echten Menschen, der dort “elend, nackt und bloß” liege (eine offensichtliche Anspielung auf das Kirchenlied “Lobt Gott, ihr Christen alle gleich”): “Der Mensch hier ist eingehüllt, weil er zart und verletzlich ist und wir seine Würde und Intimität bewahren wollen.” (Was natürlich die Frage stellt, warum man dann überhaupt erst eine – unter den Reispapiertüchern womöglich nackte – Erwachsene anstelle einer Holzfigur des Jesuskindes in die Krippe legt) So sei Jesus geboren worden, ganz ohne Prunk, so wie jedes Menschenkind.
Von der Menschwerdung Gottes ist in diesem atmenden Klumpen Fleisch, eingesponnen in dem Schleim des Reispapiers, allerdings nichts mehr zu verspüren. Bedeutet die Geburt Christi im Christentum, dass Gott ein menschliches Antlitz erhält, so fällt bei der in Stuttgart als Jesus-Ersatz fungierenden Kreatur gerade das Fehlen eines Gesichts auf. Es handelt sich geradezu um das Gegenteil der Menschwerdung, um eine Entmenschlichung, ja Vertierung.
Erstaunlich ist auch der offenkundige Widerspruch der Krippeninstallation zum im selben Gottesdienst vorgetragenen Evangeliumstext (Minute 17:50). Der wird in Stuttgart zwar noch verlesen, aber offensichtlich schert man sich nicht mehr um seine Aussage. Denn im Lukasevangelium ist davon die Rede, dass Maria ihren neugeborenen Sohn in Windeln hüllte und erst dann in die Krippe legte. Dem Evangelisten war das Vorhandensein der Windeln sogar so wichtig, dass er sie bei der Verheißung des Engels an die Hirten noch einmal wiederholte (einer theologischen Deutung zufolge findet sich hier die Reminiszenz eines altägyptischen Herrscherlobes: Der Topos des kleinkindlichen Herrschers in Windeln galt dort als Zeichen göttlicher Prädestination).
Im Bistum Aachen verehrt die katholische Kirche die angeblichen Windeln Jesu sogar heute noch als Reliquie. Wobei man sich die antiken Windeln nicht als eine leichte Bedeckung rund um den Schambereich vorstellen darf – antike Säuglinge wurden vielmehr gepuckt, also fest in Stoffbinden verpackt (ein Abbild eines derart gepuckten Christuskindes in der Krippe findet sich im griechischen Kloster Hosios Lukas). Von einem Jesuskind, das “nackt und bloß” in der Krippe liegt, kann jedenfalls beim Evangelisten Lukas nicht die Rede sein.
Mittlerweile schaltete sich neben aufgebrachten Gläubigen auch die Politik ein. Es entrüsteten sich vor allem AfD-Politiker, aber auch Vertreter der lokalen CDU. Der Stuttgarter Stadtrat und Landtagskandidat Klaus Nopper von der CDU äußerte gegenüber der Presse seine Empörung: “Das ist eklig! Hier wird die Weihnachtsgeschichte im Sinne der Wokeness instrumentalisiert.” Dabei würden Grenzen “immer weiter verschoben, unsere Werte über Bord geworfen. So zerstört man die Gesellschaft.” Nopper sprach des Weiteren von einer Untergrabung der Legitimation der ARD durch eine solche Ausstrahlung. Auch sein Parteikollege Maximilian Mörseburg kritisierte die Installation und befürchtete, dass sich aufgrund einer solchen Darbietung an Weihnachten noch mehr Menschen von der Institution Kirche abwenden könnten.
Noch drastischer fiel die Kritik bei der AfD aus: Der sachsen-anhaltische Landtagsabgeordnete Daniel Wald schrieb auf X: “Widerlich, pervers – Blasphemie!” und zog die Konsequenz: “Wenn das Kirche sein soll, dann hat sie ihren Sinn endgültig verloren und kann weg!” Der bayerische AfD-Politiker Thomas R. Deutscher verfasste sogar einen Offenen Brief an die Diözese Rottenburg-Stuttgart, in dem er seiner Empörung Ausdruck verlieh. Derweil konstatierte die niedersächsische Landtagsabgeordnete Vanessa Behrendt: “Das Jesuskind brachte das Licht in die Welt zurück. Es wurde liebevoll umsorgt und war kein elendes, nacktes Monster. Die Geburt Jesu auf so blasphemische Art und Weise darzustellen, ist nicht christlich, sondern dämonisch.”
Und auch der AfD-Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt und Bundestagsabgeordnete Martin Reichardt sah den Teufel am Werk: Die blasphemischen vom Antichristen gesteuerten deutschen Amtskirchen ließen keine Widerlichkeit aus, um das Christentum in den Dreck zu treten, so Reichardts Urteil.
Zwischen der AfD und den beiden Staatskirchen ist das Tischtuch ganz offensichtlich endgültig zerschnitten.
Stellungnahmen des verantwortlichen Südwestrundfunks und der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart zur vehement anschwellenden Kritik gibt es bisher nicht. Das ist auch nicht erstaunlich, denn für beide Institutionen gibt es keinen Grund, sich Kritik zu Herzen zu nehmen. Garantiert doch der Staat sowohl den GEZ-Medien (durch den verpflichtenden Rundfunkbeitrag) als auch den Staatskirchen (durch den Einzug der Kirchensteuer sowie die Staatsleistungen) ein finanziell weitgehend sorgloses Schalten und Walten wie bisher, bei dem man sich dann die Aufträge zuschanzt (nicht umsonst soll nach Recherchen des ÖRR Blog die Künstlerin Milena Lorek für die Online-Redaktion von “Kirche im SWR” arbeiten).
Solange sich daran nichts ändert, werden sich die beiden großen Kirchen und ihre medialen Komplizen weiterhin daranmachen, den Gläubigen Weihnachten zu verderben. Eine Abschaffung der staatlichen Unterstützung wäre daher eine veritable Weihnachtsrettungsaktion.
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