Am Rande eines Bürgerdialogs in der Stadt Mücheln sprach Journalist Wladislaw Sankin mit dem Abgeordneten der AfD im Landtag Sachsen-Anhalt Hans-Thomas Tillschneider. Der Politiker war Mitglied der AfD-Delegation, die kürzlich in die USA reiste. Im Gespräch bewertete er die Ergebnisse der Reise und erläuterte seine Positionen zu den in der AfD heiß diskutierten Fragen Wehrpflicht sowie Verhältnis zu Russland, den USA und dem “Westen”.
Sankin: Herr Tillschneider, Sie waren gerade in den USA. Sagen Sie, wie schnell ist diese Reise eigentlich zustande gekommen, der Beschluss dazu?
Tillschneider: Der Beschluss fiel vor einigen Monaten. Wir hatten eben die Möglichkeit, dort die Gala der Young Republicans zu besuchen, weil die Young Republicans uns gegenüber aufgeschlossen sind. Und ich denke, diese Aufgeschlossenheit kommt daher, dass in Sachsen-Anhalt Landtagswahlen bevorstehen und wir gute Chancen haben, im September 2026 hier die erste AfD-Landesregierung zu stellen.
Es ist ja, wie soll ich sagen, nicht gewöhnliches diplomatisches Geschäft, dass Landtagsabgeordnete nach New York eingeladen werden. Aber unsere besondere Bedeutung, so interpretiere ich diese Einladung, die liegt eben darin, dass wir die erste AfD-Landesregierung stellen können, dass wir gute Chancen haben. Und deshalb wurden wir eingeladen und wir wurden dort sehr zuvorkommend und freundlich behandelt.
Sankin: Wir haben nicht gesehen, dass da Abgeordnete vom Kongress in Kontakt getreten sind. Zumindest gibt es keine Fotos.
Tillschneider: Es gab doch ein Treffen, also es gab mehrere Treffen. Wir haben uns getroffen mit dem deutschen Vertreter bei den Vereinten Nationen, mit dem Generalkonsulat. Wir waren bei der Gala der Young Republicans, bei der Pre-Gala. Und eine Kongressabgeordnete, Paulina Luna heißt sie, hat sich mit uns getroffen. Martin Reichardt, der Bundestagsabgeordnete in unserer Delegation, und Gordon Köhler, zweiter stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, und Jan Scharfenort, ein Abgeordneter der AfD aus Sachsen-Anhalt, haben für uns an diesem Treffen teilgenommen.
Sankin: Welche Ziele verfolgt die AfD mit dieser Reise und mit dieser Annäherung, gerade an die Republikaner?
Tillschneider: Naja, wir zeigen, dass die AfD in Deutschland und die Republikaner in den USA – wir sind zwei Teile einer Strömung. Wir fühlen uns verbunden im gemeinsamen Geist.
Wir erleben zurzeit in der Welt einen Umbruch. Die Zeit der 68er, der Regenbogenpropaganda, des Dekonstruktivismus, der Verachtung des Eigenen, das endet. Und es kommt wieder eine Zeit des gesunden Menschenverstandes, des Nationalstolzes, des Bekenntnisses zu Tradition und Familie. Und da wissen wir uns einig mit den Republikanern und in diesen Fragen sind es unsere Verbündeten.
Was natürlich nicht heißt, dass wir in allen Punkten übereinstimmen würden und dass unsere Interessen deckungsgleich wären. Das kann es natürlich gar nicht sein, denn die Republikaner vertreten amerikanische Interessen, wir vertreten deutsche Interessen.
2 @P_Plattform) Achse Washington-Berlin-Moskau möglich? Geopolitisch denkender AfD-Abgeordnete H.-Th. Tillschneider über die Unterschiede zwischen den Begriffen Abendland und Westen. pic.twitter.com/sk8i6Pm2G2
— Wlad Sankin (@wladsan) December 22, 2025
Sankin: Also in manchen Äußerungen von Abgeordneten der AfD, vom EU-Parlament und vom Bundestag kam der Begriff “abendländische Zivilisation”. Die Frage lautet: Inwieweit teilt Deutschland überhaupt mit den Amerikanern irgendwelche gleichen zivilisatorischen Werte? Denn die USA sind eine Einwanderungsgesellschaft aus Einwanderern, die eigentlich aus Europa geflohen sind. Sie haben abgeschlossen mit Europa, sie waren eher eine Alternative zu Europa.
Das ist das eine. Und das Zweite: Ist das nicht ein konfrontatives Konzept, das im schlimmsten Fall zum Kampf der Zivilisationen führt?
Tillschneider: Naja, es ist eine sehr schwere kulturpolitische Frage, die Sie gestellt haben, aber ich beantworte die gern. Ich finde den Begriff Abendland schon besser als den Begriff “der Westen”. Weil dieser Begriff der Westen, the West, der spaltet Europa und nimmt Westeuropa hinüber zu den USA zu einer Einheit und ist tendenziell gegen Russland gerichtet. Der Begriff Abendland nicht. Denn der Begriff Abendland fokussiert auf Europa und fokussiert auf das Christentum. Und dazu gehört Russland, dazu gehören aber auch die USA.
Natürlich ist es eine Einwanderungsgesellschaft, aber sie ist europäisch geprägt, sie ist christlich geprägt. Und ich habe den Eindruck, dass die Amerikaner zur Zeit so etwas anstreben wie eine – es ist vielleicht zu viel gesagt, aber es geht schon in die Richtung … eine Achse Washington-Berlin-Moskau. Das finde ich sehr interessant und in diese Richtung kann man weiterdenken. Ich glaube, dass das tragfähig ist, weil hier herrscht die christliche Kulturgemeinsamkeit. Die europäisch-abendländische Kulturgemeinsamkeit. Und Staatenbünde und Staatenverbindungen sind umso effizienter, je kulturell homogener sie sind.
Sankin: Und die AfD ist die Partei der Souveränisten. (Tillschneider: Ja.) So. Die USA verfolgen knallhart ihre Ziele. (Tillschneider: Ja.) Und bis zur Beschlagnahmung des Venezuela-Öls. (Tillschneider: Ja, ja.) Das ist gelinde gesagt, recht räuberische Politik. (Tillschneider: Ja.)
Inwieweit ist diese Politik, diese harte Politik der USA überhaupt mit dem Verständnis der AfD für Außenpolitik vereinbar? (Tillschneider: Ja.) Und ist das irgendwie für Souveränisten nicht seltsam, um Hilfe bei den Republikanern anzufragen?
Tillschneider: Also zum Fall Venezuela will ich mich so äußern, dass wir zurzeit einen Umbruch in der Weltordnung erleben. (Sankin: Ja.) Und die unipolare Weltordnung zerfällt und es kommt eine neue Weltordnung der Einflussbereiche. Orientiert auch ganz stark an Carl Schmitt. Und ich will es mal so sagen: Also wenn wir verurteilen, dass die NATO sich bis in die Ukraine ausdehnt und damit in den russischen Interessenbereich vorstößt – und das verurteilen wir –, dann können wir aber nicht verurteilen, wenn die USA in Venezuela aufräumen, weil Venezuela grenzt direkt an die USA.
Also ich glaube tatsächlich, dass die Welt in Zukunft so geordnet wird, dass sie auch so gut geordnet wird, wenn wir Interessensphären abstecken. Und wir tun gut daran, die russischen Sicherheitsinteressen zu akzeptieren, aber dann müssen wir auch die Amerikaner in ihrem Vorhof Südamerika machen lassen. Südamerika ist der Vorhof der Amerikaner, immer schon, ja? Deshalb enthalten wir uns mit Äußerungen zu Venezuela.
Sankin: Und jetzt zur Frage der Mittelstreckenraketen, die jetzt geplant werden, also hier. Wird diese Frage irgendwann mal den Amerikanern gestellt werden? Die Mittelstreckenraketen, die Deutschland zum Ziel der Russen im schlimmsten Fall machen?
Tillschneider. Also es ist so, wenn man die neue nationale Sicherheitsstrategie liest, der USA, dann sieht man ganz klar, die USA wollen keinen Krieg in Europa, und sie wollen auch keinen Krieg mehr in der Ukraine, und sie suchen ein gutes Verhältnis mit Russland. Und das ist eine Grundlage, um die Welt besser zu ordnen, als sie aktuell geordnet ist. Natürlich, wenn man diese Sicherheitsstrategie genau liest, dann merkt man auch, dass es den USA darum geht, dass vor allem sie ein gutes Verhältnis zu Russland haben. Wir Deutschen dürfen auch ein gutes Verhältnis zu Russland haben, aber es sollte nicht zu gut werden.
Nun ja, das ist eben ein Rahmen, in dem man aber verhandeln kann, und sozusagen friedlich verhandeln kann. Und ich fühle mich also mit diesem neuen Rahmen viel, viel wohler, als mit allem, was davor kam. Von der Biden-Administration, aus Brüssel, das ist alles aggressiver Regenbogenimperialismus, und das endet jetzt. Ich habe auch ein bisschen den Eindruck, bei dieser nationalen Sicherheitsstrategie, dass sie das Erfolgsrezept der BRICS-Staaten kopiert, nämlich sich nicht einzumischen in die inneren Angelegenheiten der Partnerstaaten. So wird es ja auch offiziell verkündet in der nationalen Sicherheitsstrategie.
Wir müssen aufhören, zum Beispiel die islamischen Länder – Katar und die Golfstaaten und Saudi-Arabien – zu belästigen mit unseren Wertvorstellungen. So, und das war ja auch das BRICS-Konzept. BRICS hat ja immer gesagt: Ihr könnt leben, wie ihr wollt, wir treiben Handel. Und das ist, denke ich, ein gutes Prinzip, dass das für eine friedlichere Welt sorgt. Denn dieser Menschenrechtsimperialismus, der hat nur Chaos, Leid und Krieg gestiftet.
Sankin: Und die Frage der Wehrpflicht, das ist jetzt in der Debatte. Also die Schüler gehen auf die Straße, das wissen wir alle, Sie haben das sogar gut geheißen. Nicht alle tun das, gerade in Ostdeutschland gab es von der AfD kritische Stimmen dazu. Abgesehen jetzt von den Wehrpflichtfans im Bundestag. Also hat diese Frage Spaltungspotenzial in der Partei?
Tillschneider: Nein, so wichtig ist diese Frage jetzt nicht für uns als Partei. Aber die unterschiedlichen Stimmen kommen natürlich daher, dass auch diese Bewegung heterogen ist.
Also man hat in dieser neuen Friedensbewegung, wenn man sie so nennen kann, hat man vernünftige linke Friedensbewegte, die vielleicht auch für die AfD offen sind. Man hat aber auch Betonköpfe, die nichts mit der AfD zu tun haben wollen. Es gab Aufrufe zum Beispiel, bei solchen Demonstrationen nicht mit dem Deutschlandkurier zu sprechen. Das sei ein rechtes Medium. Andere haben aber trotzdem mit dem Deutschlandkurier gesprochen. Es ist eine sehr heterogene – habe ich den Eindruck – eine sehr heterogene Bewegung, und dementsprechend heterogen fallen auch die Bewertungen aus.
4 @P_Plattform) “Landesverräter sind diejenigen, die 🇷🇺 Bedrohung an die Wand malen”. Klare Worte von AfD-Abgeordneten H.-Th. Tillscheider in Sachsen-Anhalt zur Wehrpflicht, Militärisierung und #Russophobiepic.twitter.com/zaHGECPNKz
— Wlad Sankin (@wladsan) December 22, 2025
Ich sehe darin allerdings eine Chance. Denn die AfD ist zwar grundsätzlich für die Wehrpflicht, aber zum aktuellen Zeitpunkt nicht. In der Politik hängt eben viel vom richtigen Zeitpunkt ab.
Und aktuell ist es der falsche Zeitpunkt, denn wer jetzt die Wehrpflicht einführt, der macht das in einem Kontext der Eskalation des Verhältnisses zu Russland. Und was wir jetzt brauchen ist Deeskalation. Das heißt keine Panikmache, keinen Katastrophenschutzplan, keine Wehrpflicht, sondern erklären, dass Russland nicht unser Feind ist, uns nicht angreifen wird. Dass das nur die Kriegshetzer bei uns behaupten, diese Schreckgespenster an die Wand malen, und da muss keine Wehrpflicht eingeführt werden.
Sankin: Wie gehen Sie mit dem Vorwurf des Landesverrats um?
Tillschneider: Das ist Quatsch. Landesverrat begehen andere, aber nicht wir. Landesverrat begehen diejenigen, die massiv gegen Russland hetzen und die das Gespenst eines russischen Angriffs an die Wand malen. Also ich bin fest überzeugt, Russland verhält sich defensiv und Russland wird niemals Europa angreifen. Es sei denn, natürlich, die niederländischen Generäle sind so verrückt, es selbst anzugreifen. Hoffentlich wird das nicht passieren.
Sankin: Also Sie erwähnen jetzt Russland in mehrfacher Hinsicht. Auch die Russland-Frage hat auch ein großes Spaltungspotenzial.
Tillschneider: Nicht mehr so sehr.
Sankin: Im Vergleich zu was? Zu vor ein paar Monaten noch?
Tillschneider: Ja! Wenn zum Beispiel diese Kongressabgeordnete, mit der wir uns getroffen haben – die hat sich mit dem russischen Botschafter in Washington getroffen und hat ein Shake-Hands-Bild gemacht. Die hat demonstriert gegen Selenskij mit russisch-orthodoxen Geistlichen, weil nämlich Selenskij russisch-orthodoxe Priester einsperrt. Und sie hat sich solidarisiert mit den Russisch-Orthodoxen in Amerika. Wenn das schon so weit ist, dann hat ein gutes Verhältnis zu Russland kein Spaltungspotenzial. Von welchem Standpunkt aus wollen Teile der AfD ein gutes Verhältnis zu Russland kritisieren? Das müssen wir jetzt tun. Das ist ein Gebot der Stunde.
Sankin: Aber die Erziehung im Westen kann man nicht so schnell aus den Köpfen austreiben. Verstehen Sie? Gerade bei der Boomer-Generation (Tillschneider: Ja.), bei den 60-Jährigen (Tillschneider: Ja). Diese antirussische Einstellung. Antisowjetisch zuerst und dann jetzt gegen Russland.
Tillschneider: Russland ist was anderes als die Sowjets. Die Sowjets waren ein kommunistisches Imperium und Russland ist keine kommunistische Macht. Es gibt aber einen Unterschied zwischen Ost und West. Das ist richtig. Aber dieser Unterschied liegt nicht darin, dass wir in der DDR hier sowjetische oder russische Soldaten hatten. Sondern der Unterschied liegt einfach darin, dass die Bürger in der DDR eine Revolution durchgemacht haben. Und damit erfahren haben, dass alles was heute gilt, morgen nichts mehr gilt. Und damit reflektierter sind. Die Bürger in der ehemaligen DDR denken mehr nach. Lassen sich nichts vorschreiben. Sie sind einfach reflektierter. Und deshalb erkennen sie besser, was in deutschem Interesse liegt. Sie lassen sich nicht einschüchtern. Sie sind einfach freier, haben einen weiteren Horizont.
Dagegen die Bürger im Westen, die leben seit 70 Jahren in ein und derselben Soße. Die glauben, sie haben die Weisheit mit Löffeln gefressen. Und wer das glaubt, der ist meistens sehr dumm. Und darauf führe ich den Unterschied zurück. Die DDR, die ehemaligen DDR-Bürger, die Deutschen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, die sind geistig freier.
Sankin: Also wir stehen jetzt hier auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. In Ihrem Bundesland.
Tillschneider: Ja, in meinem Wahlkreis.
Sankin: Wo Sie nicht geboren sind, aber wo Sie sozusagen arbeiten. Und wie ist die Stimmung in Bezug auf die nächste Landtagswahl?
Tillschneider: Also die Stimmung ist hervorragend. Wir stehen in den Umfragen bei 40 Prozent, Tendenz steigend. Der Stand hier ist sehr gut besucht, wie Sie sehen. Wenn jetzt keine schmutzigen Tricks angewendet werden, wenn uns irgendwelche Dienste keine Steine in den Weg legen und Knüppel zwischen die Beine werfen, dann werden wir im September 2026 hier die Wahl gewinnen und die erste AfD-Regierung in der Geschichte der Bundesrepublik bilden.
Sankin: Vielen Dank für das Gespräch.
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