
Einer in dieser Woche veröffentlichten Studie des Kreditversicherers Allianz Trade zufolge ging das Ladensterben in Deutschland im zurückliegenden Jahr unvermindert weiter. Zwischen September 2024 bis August 2025 gab es im Einzelhandel 2.490 Insolvenzen, was die höchste Zahl seit Oktober 2016 ist. Lediglich in den Jahren 2015 bis 2016 war die Zahl der Insolvenzen im Einzelhandel geringfügig höher.
Die Besonderheit der aktuellen Lage ist, dass es dieses Mal auch große Ladenketten trifft. Anders als in der Vergangenheit stehen hinter jeder Insolvenz also zum Teil hunderte Läden bundesweit. Im Berichtszeitraum traf es gut etablierte Marken wie den Schuhhändler Görtz, den Modehersteller Gerry Weber und die Modekette Esprit. Letztere schloss in diesem Jahr insolvenzbedingt die Hälfte seiner Filialen, die andere Hälfte soll noch das Weihnachtsgeschäft “mitnehmen” und schließt voraussichtlich im Januar endgültig.
Der Dekohändler Depot und der Discounter Kodi haben ihre Filialnetze insolvenzbedingt deutlich verkleinert.
Grundsätzlich bedeutet eine Insolvenz nicht das Ende der Marke und auch nicht das Ende für alle Filialen. Görtz und Gerry Weber gehen beispielsweise zum wiederholten Mal in das Insolvenzverfahren und konnten bei den vorausgehenden einen Großteil ihres Netzes retten und das Gesamtunternehmen sanieren. Jedoch wird der Substanzverlust mit jeder Runde dramatischer und werden die Aussichten düsterer.
Die Experten machen eine Verzahnung mehrerer Tendenzen für die Pleitewelle verantwortlich. Neben der zunehmenden Konkurrenz durch den Onlinehandel und sich dauerhaft ändernde Konsumgewohnheiten sind die deutschen Konsumenten im Moment nicht in Kauflaune: Steigende Lebenshaltungskosten lassen die Geldbörsen der Deutschen vor allem im Mode- und Designbereich zugeknöpft. Auf der Ausgabenseite machen sich steigende Miet-, Energie- und Personalkosten bemerkbar.
Die Zahl der Insolvenzverfahren lässt das Ausmaß erahnen, gibt aber noch lange nicht das vollständige Bild wieder. Auch Handelsketten, die noch ausgeglichene Bilanzen aufweisen, reduzieren ihr Filialnetz beständig, stoßen weniger lukrative Standorte ab und sparen an allen Enden. Passend zur Veröffentlichung der Allianz-Studie meldet beispielsweise ein lokales Medium aus Erfurt, der Landeshauptstadt Thüringens am Donnerstag:
“Nun ist es offiziell! Der Anger verliert den nächsten langjährigen Laden. (…) Modefans aus Erfurt müssen nun stark sein. Denn der Laden ‘Tommy Hilfiger’ (Anger 57), der seit mehr als sechs Jahren fest zum Stadtbild gehörte, verkündet das Aus. Derzeit läuft noch der Ausverkauf. Je nachdem, wie schnell die restliche Ware über die Ladentheke wandert, schließen sich die Türen von ‘Tommy Hilfiger’ Ende Januar, spätestens Mitte Februar 2026 dann für immer. Nach Informationen von Thüringen24 sei unter anderen die hohe Ladenmiete ein Grund für das Aus.”
Für Ortsunkundige: Der Anger ist die Top-Adresse Erfurts. Besser gesagt, er war es bis 2020.
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