Von Elem Chintsky
Die russische Elite beobachtet aufmerksam, was die US-Führung mit dem jetzigen, extrem verschuldeten, überbewerteten Finanzsystem, an dessen Spitze deren US-Dollar als Weltreservewährung steht, zu tun gedenkt. Denn die These, dass die USA unter Donald Trump versuchen werden, ihre Staatsschulden durch Kryptowährungen zu schleusen, dann zu tilgen und letztendlich – neu angelegt – in dieser Form zu entwerten, beginnt Form anzunehmen.
So hatte vor wenigen Tagen der Berater des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Anton Kobjakow, auf einer Pressekonferenz (ab TC 20:24) des Östlichen Wirtschaftsforums folgende Gedanken geäußert:
“Die USA versuchen genau jetzt, die Regeln des Gold- und Kryptowährungsmarktes zu verändern. Erinnern Sie sich an ihre Staatsschulden: 35 Billionen US-Dollar. Im Grunde sind das zwei Währungsalternativen im Währungssegment der weltweiten Märkte. Das Handeln Washingtons in diese Richtung demonstriert eine der US-amerikanischen Hauptaufgaben klar: Sie wollen das Problem des Vertrauensverlustes in den US-Dollar unbedingt lösen.
Die USA – und so war es auch in den 1930ern und 1970ern – werden ihre Finanzprobleme auf Kosten der gesamten Welt lösen. Indem sie alle wohin treiben? In die Kryptowährungscloud. Mit der Zeit, wenn ein Teil der US-Staatsschulden in Stablecoins platziert wird, werden die USA diese entwerten. Noch mal in einfachen Worten: Sie haben eine Währungsverschuldung von 35 Billionen, sie schicken diese in die Kryptowährungscloud und entwerten sie dort wieder bei null – relevant besonders für diejenigen, die sich gerne mit Kryptowährungen beschäftigen. Das Spiel wird sehr schnell vorbei sein, innerhalb von drei bis fünf Jahren.”
Dies ist aber nur eine Seite der Medaille. An den Wert des US-Dollars gebundene Stablecoins sind nicht gleich Bitcoin, Ethereum oder Solana. Sie sind nicht dezentralisiert und viel anfälliger für staatlich zentralisierte Kontrolle. Mit dem GENIUS Act wurde der Stablecoin-Markt erstmals föderal reguliert. Dieses neue Gesetz erfordert, dass die Stablecoins eins zu eins durch US-Staatsanleihen gedeckt sind, mit vollständigen Buchprüfungen und staatlichen Compliance-Maßnahmen.
Das bedeutet, dass jeder neue digitale US-Dollar im Umlauf einem weiteren Käufer von US-Staatsanleihen (US-Staatsschulden) gleichkommt. Der populärste Emittent von US-Stablecoins ist Tether (USDT). Fünf Prozent von Tether sind gedeckt mit hinterlegten Bitcoin-Reserven. Früher fraßen andere Nationen den US-Amerikanern ihre Staatsschulden direkt aus der Hand. Seit einigen Jahren gibt es vor allem aus China und Japan mehr Zurückhaltung gegenüber den klassischen US-Staatsanleihen als einem langfristigen, erfolgversprechenden “Finanzprodukt”.
Manche nannten diesen Prozess “De-Dollarisierung”. Nun aber fanden die USA ein trojanisches Pferd, die Nachfrage nach ihren Staatsanleihen – ihren Staatsschulden – erneut dramatisch zu erhöhen. Nur haben sie diesmal Bitcoin als Reserve hinterlegt. Diese Reserven gedenken sie mit der Zeit zu erhöhen. Einerseits quantitativ – durch die systematische Erhöhung der Anzahl von Bitcoins in der Reserve. Andererseits qualitativ – durch die Wertsteigerung des Bitcoin-Kurses selbst. Letzteres wird vor allem durch die wachsende Akzeptanz von Bitcoin erreicht, sowohl bei den Institutionen als auch bei den Endverbrauchern.
Nutzen also die USA Stablecoins, um ihre Schulden in Höhe von 35 Billionen Dollar zurückzusetzen? Mit großer Wahrscheinlichkeit ja. Alle konventionellen Mittel, wie zum Beispiel Quantitative Lockerung (QE) und damit Erhöhung der Inflation (Geldentwertung) sowie drastische Erhöhung von Steuern bei einem gleichzeitig fallenden BIP, wurden ad absurdum geführt und mit zu häufigen Wiederholungen abgenutzt. Selbst in den Augen der breiten Bevölkerung des Westens.
Was besagt die Mittelfrist für diesen Markt? Der Bitcoin-Preis bleibt stabil (110.00 bis 111.000 US-Dollar pro Bitcoin), obwohl im Zuge des letzten Monats Großanleger ihre Bitcoins im Wert von 12,7 Milliarden US-Dollar verkauft haben – seit 2022 gab es nicht so einen signifikanten Verkauf. Dass jedoch der Preis von Bitcoins nicht sichtlich fiel, spricht für deren steigende Widerstandsfähigkeit. Laut dem privaten US-Finanzinstitut Morgan Stanley wird außerdem die US-amerikanische Zentralbank mit jedem Vierteljahr bis Ende 2026 nun endlich wieder Zinssenkungen betreiben.
Das heißt, das Leihen von Geld wird wieder spürbar billiger (auch für die Endverbraucher) und der Finanz- und Kreditmarkt wird mit neuer Liquidität revitalisiert. Viel von dem dabei neu geschaffenen Geld wird in Stablecoins und Kryptowährungen fließen, allen voran in Bitcoin.
Der russische Finanzexperte Kobjakow ist intellektuell spürbar skeptisch gegenüber Bitcoin sowie Kryptowährungen im Allgemeinen. Wurden seine Szenarien bis zum Ende gedacht? Einige Sachen könnten fehlen bei der Auslegung der Langzeitstrategie derer, die im 21. Jahrhundert weiter in ihrer Finanzoligarchie dominant verbleiben wollen. Demnach sei die hinterlistige Tilgung der US-Staatsverschuldung auf Kosten nichtsahnender Verbraucher – ehemals Bürger – nur einer von mehreren Zwischenschritten. Die privaten Emittenten der US-Stablecoins waren zuvor nicht gesetzlich gehindert gewesen, US-Staatsschulden direkt zu akquirieren, womit Zentralbanken und Privatbanken als die üblichen Vermittler hatten umgangen werden können.
Mit dem GENIUS Act wurde dies unterbunden, was letztendlich dem Schutz der Banken dient, die historisch als Einzige Zinsen auszahlen durften. In dem neuen Zeitalter der Blockchain werden Stablecoins auf dem Weltmarkt einen neuen Wettbewerb auslösen: Die Währung mit den stabilsten, widerstandsfähigsten Reserven wird am meisten genutzt. Was werden das für Reserven sein? Gold wird sicherlich eine Rolle spielen.
Allein der nahezu täglich Rekorde brechende Goldkurs ist ein Indikator dafür, dass die mächtigsten Nationen der Welt – aus der BRICS-Gruppe besonders, aber auch vereinzelt G7-Staaten – sich mit signifikanten Goldreserven eindecken. Diese werden beim Advent neuer Währungen und Währungskörbe eine wichtige Rolle spielen. Aber neben Gold wird auch Bitcoin eine gefragte, wenn nicht sogar viel begehrtere Wertreserve sein, mit der man neue Währungen decken wird.
Von diesen geldpolitischen Prozessen ist das mittlerweile ideologisch vollkommen verblendete, nicht innovative, energiearme und drakonisch gewordene Brüssel nahezu ausgeschlossen. Ab Oktober wird plump (aber erst mal freiwillig) der “digitale Euro” als zentral programmierbares Geld eingeführt. Aber gedeckt wird er weder von Bitcoin, russischer Energie, Gold oder Silber, polnischem Geflügelfleisch, saudischem oder venezianischem Erdöl noch von Seltenen Erden aus der Ukraine.
Höchstwahrscheinlich lassen die Europäer sich ihr neues Geld einfach vom Grad ihrer umgesetzten grünen Klimapolitik (also dem ausgemerzten Kohlenstoffdioxid-Anteil in der Troposphäre, oberhalb der EU) decken – demnach sind die soziopolitischen Aussichten für den alten Kontinent in jedem Fall verheerend. Die EU arbeitet den USA bei ihrer “weichen Landung des zu rettenden US-Dollars” blauäugig und fleißig zu, während zu Hause die Wirtschaftsleistung fällt, die Industrie- und Fachleuteflucht angefeuert wird, der BIP stetig schrumpft, die Steuern und die damit zu finanzierende, nicht stoppende Massenmigration steigen und Hunderte Milliarden von Euro an Staatskrediten für Kriegstüchtigkeit gen Osten aufgenommen werden.
Jedenfalls handelt es sich beim kommenden finanziellen Reset praktisch um eine riesige invertierte Geldwäsche-Operation auf weltweiter Ebene, zum Teil zugunsten Washingtons. Bei dieser Tilgung der US-Staatsschulden wird in weiten Teilen der Erde eine präzedenzlose Eigentumsumverteilung stattfinden. Nur nicht orchestriert von einem regionalen Mafia-Netzwerk von unten, sondern von dem westlichen, demokratisch nie direkt legitimierten, überstaatlichen Finanzsystem von oben.
Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.