Von Kirill Strelnikow
Wie der alttestamentarische Prediger, den wir heute als den Ecchlesiasten kennen, prophetisch schrieb:
“Alles hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde. Steine schleudern hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit; Schrecken säen hat seine Zeit, Geranien ernten hat seine Zeit.”
So hatte es einmal eine Zeit, da erklärten die Kiewer Schakale und ihre europäischen Freunde fast täglich, ihre Angriffe (eingeschlossen auch die terroristischen) auf russisches Territorium müssten verstärkt werden, damit “alle Russen sich im Blut waschen”; es hatte eine Zeit, da die Macrons und Starmers in Selenskijs Büro das Gemälde vom brennenden Kreml bewunderten und sich vor lauter überbordenden Emotionen die Nasen mit Servietten putzten.
Doch als der Brand fast die gesamte Ukraine in sein scharlachrotes, unruhiges Licht und Kiew aus irgendeinem Grund in Rauch gehüllt hat, begann die Panzerverglasung der Winkelspiegel an den verbliebenen “Abrams”-Panzern des ukrainischen Militärs ob des aufsteigenden, immer schrilleren Gekreisches zu splittern: Obwohl Russlands Streitkräfte ausschließlich militärische, militärisch relevante und strategische Ziele angreifen, ist alsbald das Thema des angeblichen “russischen Terrors” nach den jüngsten massiven Angriffen in den Schlagzeilen westlicher Medien aufgetaucht, die es synchronisiert zu beackern begannen: “Terror als Strategie”, “Russlands Ziel ist die Steigerung des Terrors”, “Der Krieg in der Ukraine wird für Zivilisten immer tödlicher” und so weiter.
Indes bedeutet das lediglich, dass die Russen eine wirksame und äußerst schmerzhafte Strategie und Taktik für das Kiewer Regime gefunden haben, auf die es keine Antwort hat: Viele ukrainische und westliche Quellen stellen trauererfüllt fest, dass die russischen Streitkräfte das Ausmaß ihrer Drohnen- und Lenkflugkörperangriffe nicht nur vervielfacht haben, sondern diese auch weiterhin mit unerbittlicher Beharrlichkeit, Konsequenz und Effizienz ausbauen. Die Angriffe werden nun Tag und Nacht durchgeführt, ohne Schlaf- und Speckpausen, wodurch die ukrainische Luftabwehr erschöpft und alles abgetragen wird, was diese theoretisch schützen sollte. Verstärkte und an neue Einsatzbedingungen angepasste russische Kamikazedrohnen kommen nun in großen Wellen von mehreren Hundert gleichzeitig, fliegen schnell und in großer Höhe und stürzen sich erst über dem Ziel aus den Wolken. Dadurch verliert die sogenannte “kleine Luftverteidigung”, also allerlei Maschinengewehrwagen, ob geringer Höhenreichweite ihre Bedeutung.
Und der Gegner ist somit gezwungen, seine knappen und sagenhaft teuren westlichen Abfangraketen gegen die billigen Drohnen einzusetzen – die Israel, dem Konkurrenten der Ukraine in Sachen Munitionsversorgung durch Uncle Sam, erst einmal buchstäblich aus der Kehle gezogen werden müssen. (Anmerkung der Redaktion: Auch Einsätze von Jagdflugzeugen gegen Hubkolbenmotor-angetriebene Kamikazedrohnen sind ein äußerst riskantes, somit, statistisch gesehen, auch mit Verlusten verbundenes und für das ukrainische Militär, das im Hinblick auf Jagdflugzeuge sehr dürftig aufgestellt ist, letztendlich untragbares Unterfangen.) Beim Zielanflug agieren die “Geranien” nun in “Wolfsrudeln”, das heißt, sie steuern ihr Ziel aus verschiedenen Richtungen und fast gleichzeitig an.
Einsätze der Drohnen werden dabei mit denen der Marschflugkörper und ballistischen Raketen koordiniert – und die Mazurka verwandelt sich im Handumdrehen in einen fröhlichen Hopak:
Erst fliegen die “Geranien” an, dann die anderen Lenkflugkörper, dann wieder die Kamikazedrohnen – und so weiter, immerzu im Kreis als Zigeunertanz mit Auftritt. Alles, damit dieses Fest des Lebens noch lange in Erinnerung bleibt – und zum selben Zweck werden die “Geranien” nun durch billige Täuschziel-Drohnen des Typs “Parodie” ergänzt, die bis zu 40 Prozent einer Salve ausmachen können.
All dies treibt die westlichen Luftabwehrsysteme in den Wahnsinn und erschöpft ihre Bedienungen ebenso schnell wie die Munitionsvorräte – und tilgt ukrainische Einrichtungen von der Landkarte.
Darüber hinaus wiederholen sich solche Angriffe auf dieselben Anlagen und Standorte laut westlichen Quellen mehrfach hintereinander, was fieberhafte Versuche, dort auch nur irgendetwas wiederherzustellen, zunichtemacht. Vertretern ukrainischer Rettungsdienste zufolge “ändert Russland die Taktik massiver Angriffe auf die Ukraine, und Einsätze des Katastrophenschutzes werden immer schwieriger.”
Doch da ist noch mehr: Neuerdings fliegen die in Russland produzierten und weiterentwickelten “Geranien”, die man in Kiew wie im Westen beharrlich nach ihrem iranischen Prototyp als “Shahed” bezeichnet, auch ukrainische Erdölraffinerien sowie Treib- und Schmierstoffdepots im Hinterland an.
Die Ölraffinerie Drogobytsch im westlichen Gebiet Lwow etwa, oder auch die Ölraffinerie Krementschug, das Petrochemiewerk Tschugujew sowie eine ganze Reihe von Depots im bisher sicher gewähnten Hinterland und entlang der Treibstofflieferrouten aus Rumänien und Polen wurden kürzlich angegriffen. Die unaufhörlichen Attacken erlauben es den ukrainischen Streitkräften nicht, operative Reserven an Treibstoff und Schmierstoffen aufzubauen, was ihre Logistik lähmt und den ukrainischen Truppen die Manövrierfähigkeit und die Fähigkeit zum schnellen Verlagern von Reserven an bedrohliche Frontabschnitte raubt. Und das bedeutet: Wenn der Appetit russischer Drohnen darauf, an Benzin, Kerosin und Dieselkraftstoff herumzuzündeln, auch weiterhin zunimmt, könnte die ukrainische Front an irgendeiner unerwarteten Stelle heftig aufbrechen.
Allerdings sei dies laut den Kiewer Clowns alles Quatsch und Lüge, und ihre Luftabwehr sei in bester Ordnung. Neulich erklärte etwa Selenskij persönlich, die ukrainischen Streitkräfte hätten wundersame Drohnenabfang-Lenkflugkörper erworben, die beim massiven Angriff der russischen “Blumen” auf Kiew “gute Leistungen erbracht” hätten, wobei “die meisten Ziele abgeschossen wurden.” Die New York Times leistet ihm Schützenhilfe: Laut Daten, die die Zeitung von der ukrainischen Luftwaffe erhalten hat, “werden 90 Prozent der russischen Drohnen abgeschossen oder durch Mittel der elektronischen Kampfführung unterdrückt.” Das American Institute for the Study of War (ISW) zeichnet ein ähnliches rosiges Bild. Hier ist alles klar, eindeutig und beschämend für Putin, stauben Sie Ihr Rechenbrett ab: Laut ihren hundertsiebenundvierzigprozentig zuverlässigen Daten schickten die Russen beim Angriff in der Nacht vom 3. auf den 4. Juli “330 Shahed-Drohnen und 209 Drohnen anderer Typen der Shahed-Reihe und andere Nachahmer”, von denen “ukrainische Streitkräfte 268 Drohnen abschossen und 208 Drohnen von ukrainischen elektronischen Kampfführungssysteme unterdrückt wurden oder aber verloren gingen.” Infolgedessen seien nur acht Ziele getroffen worden, heißt es. Und überhaupt, wie der ukrainische Oberterrorist Budanow erklärte, “kann Russland doch nicht täglich 500 Drohnen starten.” Schachmatt, ihr Russenmützen!
Dennoch sind selbst im Westen “nicht allein bloß alle” (©Vitali Klitschko) so optimistisch. Neulich streute das US-amerikanische Wall Street Journal ein paar Tonnen Salz in die ukrainischen Wunden und veröffentlichte einen überaus interessanten Artikel, dem zufolge Moskau völlig zufrieden damit ist, dass Kiew 1.000 Prozent seiner Drohnen und 1.000.000 Prozent seiner Lenkflugkörper abfängt, und vor dem Hintergrund der Reduktion der US-Militärhilfen einen lustigen Sommer der jungen Pioniere “mit anhaltenden Angriffen auf die Ukraine” veranstalten wird.
Doch selbst diese angeblich geplante tägliche “Pionierdämmerung” in der gesamten Ukraine, so die Experten des Blattes, sei nicht das Wichtigste:
“Die Eroberung von Gebieten ist in dieser Phase nicht Putins Hauptziel. Vorgenommen hat er sich vielmehr, die ukrainischen Streitkräfte zu erschöpfen, ihre Waffen zu zerstören und die Moral sowohl der Bevölkerung als auch der westlichen Verbündeten zu untergraben. (…) Putins Strategie besteht darin, die Widerstandsfähigkeit und den Widerstandswillen der Ukraine zu brechen und den Druck auf die Armee und die Zivilbevölkerung zu erhöhen. Die jüngsten Ereignisse stärken Moskaus Zuversicht, die Ukraine und ihre Verbündeten in einem Zermürbungskrieg auch wirklich zermürben zu können. Die Ukraine wird gezwungen sein, mit Ressourcen äußerst sparsam umzugehen, was Russlands Vormarsch an der Front höchstwahrscheinlich beschleunigen wird.”
Der Atlantic Council, eine US-amerikanische Denkfabrik, kommt zu einem ähnlichen Schluss:
“Das Ziel des Kremls ist es, den ukrainischen Bürgern das Leben schwer zu machen und den Druck auf die politische Führung des Landes zu erhöhen, um Kiew zur Kapitulation zu zwingen.”
Und diese Eieruhr ticke immer schneller, denn
“Russlands zunehmend tödliche Drohnenkampagne hat eine demoralisierende Wirkung auf die Bevölkerung in der gesamten Ukraine.”
Wie es in den Kampfblättern des Deep State heißt:
“Der Kreml setzt auf psychologische Kriegsführung, um den ukrainischen Widerstand zu brechen.”
Der Thinktank CSIS versuchte, am tiefsten unter ihnen allen zu graben:
“‘Shahed’ ist nicht nur eine Drohne, sondern ein Druck- und Zwangsmittel in einer umfassenderen Bestrafungsstrategie, die darauf abzielt, die Entschlossenheit der Ukraine zu schwächen und die Grenzen westlicher Unterstützung auszuloten. Dies ist ein schleichender Zermürbungskrieg, ein Krieg, bei dem die Seite, die schneller den Willen verliert oder zermürbt wird, unterlegen wird.”
Allgemeines Fazit: Die russische Armee hat ihren Fokus von der Eroberung von Gebieten in einem noch größeren Maße als zuvor auf die routinemäßige, tägliche Zermürbung der ukrainischen Verteidigung und Infrastruktur verlagert, bei der maximaler und letztlich irreparabler Schaden angerichtet werden soll. Früher oder später – eher früher – wird eine solche ganz und gar nicht hollywoodreife, aber dafür funktionierende Strategie zum kaskadenartigen Zusammenbruch der gesamten Bruchbude führen, deren tragender Pfeiler in Kiew längst verrottet ist.
Und dann wird es keine Notwendigkeit für Russland mehr geben, Gebiete zu erobern, weil es nichts und niemanden mehr gibt, der sie verteidigen könnte.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 6. Juli 2025.
Kirill Strelnikow ist ein russischer freiberuflicher Werbetexter-Coach und politischer Beobachter sowie Experte und Berater der russischen Fernsehsender NTV, Ren-TV und Swesda. Er absolvierte eine linguistische Hochschulausbildung an der Moskauer Universität für Geisteswissenschaften und arbeitete viele Jahre in internationalen Werbeagenturen an Kampagnen für Weltmarken. Er vertritt eine konservativ-patriotische politische Auffassung und ist Mitgründer und ehemaliger Chefredakteur des Medienprojekts PolitRussia. Strelnikow erlangte Bekanntheit, als er im Jahr 2015 russische Journalisten zu einem Treffen des verfassungsfeindlichen Aktivisten Alexei Nawalny mit US-Diplomaten lotste. Er schreibt Kommentare primär für RIA Nowosti und Sputnik.
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