Die ukrainischen Streitkräfte geben auf ihren Telegram-Kanälen den Verlust eines weiteren Kampfflugzeugs Typ F-16 aus US-Fertigung bekannt, wie sie im Rahmen von Kriegshilfen aus diversen westlichen Ländern an Kiew geliefert wurden. Die Meldung wörtlich:
“Am 16. Mai 2025 gegen 03:30 Uhr ging der Kontakt zu einem F-16-Flugzeug verloren. Der ukrainische Kampfjet war gerade dabei, einen Luftangriff abzuwehren.
Nach vorläufigen Daten hatte der Pilot bereits drei Ziele zerstört und war dabei, das vierte zu bedienen, indem er die Bordkanone einsetzte. Doch an Bord der Maschine entstand eine außerordentliche Lage. Der Pilot konnte sich per Schleudersitz retten.”
Wo genau dies geschehen sein soll, wird nicht bekannt gegeben. Angegeben wird, der Pilot sei schnell gefunden und evakuiert worden; sein Gesundheitszustand sei zufriedenstellend.
Abschließend heißt es in der Meldung der ukrainischen Luftwaffe:
“Zur objektiven Aufklärung aller Umstände wurde eine Kommission eingesetzt, die ihre Arbeit bereits aufgenommen hat.”
Indes wurde im russischen Internet-Segment bereits eine Version des Hergangs aufgestellt, die zumindest nicht ganz unwahrscheinlich erscheint. Diese gründet darauf, dass laut eigenen Angaben der Ukrainer die außerordentliche Lage an Bord der Maschine erstens beim Abfangen von Luftzielen entstand, für den der Pilot zweitens die Maschinenkanone einsetzte.
Damit ist klar, dass dieses Luftziel weder ein Kampfflugzeug noch ein Kampfhubschrauber der Luftstreitkräfte Russlands gewesen sein kann, da Maschinenkanonen im Vergleich zu Luft-Luft-Lenkraketen eine ungleich kleinere effektive Reichweite gegen Luftziele besitzen. Denn selbst beim Einsatz gegen Erdkampfmaschinen darf ein Pilot nicht annehmen, dass diese keine Luftabwehr-Lenkraketen mitführen, um sich wenigstens im Nahbereich gegen feindliche Luftfahrzeuge verteidigen zu können – und es sind tatsächlich Fälle bekannt, in denen Düsenjäger von Hubschraubern aus abgeschossen wurden. Erst recht wird der Pilot des Jagdflugzeugs der ukrainischen Luftwaffe kein Risiko eingegangen sein, willentlich seine Distanz zu einem Jagdflugzeug Russlands auf Bordkanonen-Distanz verkürzt zu haben – dies käme Selbstmord gleich.
Folglich müssen die Luftziele, die der ukrainische Pilot bekämpft habe, Mittelstrecken-Kamikazedrohnen der iranischen Typenreihe Geran oder ihres Vorgängers Shahed gewesen sein: Äußerst kompakt in ihren Abmessungen und mit Hubkolbenmotoren ausgestattet, sind sie für Radare ebenso wie für Sensoren der Zielsuchköpfe infrarotgelenkter Raketen nur schwer zu entdecken.
Diese Umstände, ebenso wie vielleicht Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit – denn Granatpatronen für Maschinenkanonen kosten einen Bruchteil des Preises von Lenkraketen –, müssen den Piloten auf Bordkanonen-Distanz gezwungen haben. Dies wiederum birgt ganz eigene Risiken – diese ergeben sich aus dem großen Sprengkopf der Geran mit dessen 50 bis schätzungsweise 90 Kilogramm Sprengstoff (bis zu 300 Kilogramm für die allerdings deutlich größere und schwerere, mit Strahltriebwerk angetriebene Geran-3) und den Sprenggranaten der Maschinenkanone an Bord des Flugzeugs, das die Geran abfangen soll.
Eine der Sprenggranaten, die der Pilot der F-16 abfeuerte, dürfte ihren Weg in den Sprengkopf der Kamikazedrohne gefunden und bei ihrer eigenen Detonation auch den Sprengkopf detoniert haben. Da der Pilot sehr nah habe an die Drohne heranfliegen müssen, um sie zu beschießen, habe also die Explosion des Drohnensprengkopfes zur “außerordentlichen Lage an Bord”, die die ukrainischen Quellen schildern – so der Tenor der russischen Quellen.
Ähnlich argumentiert auch bulgarianmilitary.com, ein Special-Interest-Nachrichtenportal.
Ein solcher Fall ist bereits vorgekommen – am 13. Oktober 2022 ging der ukrainischen Luftwaffe ein Düsenjäger Typ Mikojan-Gurewitsch MiG-29 verloren, und zwar ebenfalls beim Einsatz gegen Geran-Kamikazedrohnen. Damals flogen die Trümmer einer aus nächster Nähe beschossenen und daraufhin explodierten Drohne dem Piloten förmlich um die Ohren – einige trafen das Cockpit und zwangen ihn, den Schleudersitz auszulösen.
Und dies, merken manche an, obwohl das Schießen mit der Bordkanone ab der MiG-29 leichter sei als ab der F-16 (allerdings gelte das zumindest laut westlichen Piloten, die mit beiden Maschinen trainiert haben, nur hinsichtlich statischer beziehungsweise nicht-manövrierender Ziele – und schlage für aktiv manövrierende Ziele sofort ins Gegenteil um). Sprich, wenn ein solcher Unfall beim Bekämpfen der Geran-Drohnen schon mit einer MiG-29 geschehen sei, dann sei ein analoger Unfall unter denselben Bedingungen mit einer F-16 nur eine Frage der Zeit gewesen.
Weiterhin nicht auszuschließen ist gegebenenfalls auch eine andere Variante des Hergangs: Die F-16 könnte auch von Maschinen der russischen Luftwaffe abgeschossen worden sein, sofern der Pilot sie nah genug an Russlands Grenzen führte. Das Flugzeug könnte ebenso, sofern es nah genug an Stellungsgebieten der russischen Flugabwehr war, von dieser abgeschossen worden sein – oder aber auch von der eigenen: Die weiter unten sinngemäß zitierten Worte einer ukrainischen Abgeordneten über eine mangelhafte Einspielung der Freund-Feind-Erkennungssysteme beim ukrainischen Militär kommen wahrscheinlich nicht von ungefähr.
Im Vormonat hatte Kiew den Tod eines F-16-Piloten gemeldet. Später bestätigte der Generalstab der Streitkräfte der Ukraine den Verlust des Flugzeugs. Marjana Besuglaja, eine Abgeordnete der Werchownaja Rada, behauptete in ihrer Rede zu den Gründen für den Verlust des Flugzeugs, dass es aufgrund eines Fehlers von einem Patriot-Flugabwehrraketensystem abgeschossen worden sei. Sie vermutete, die Freund-Feind-Erkennungssysteme der verschiedenen Waffen und Luftfahrzeuge seien im ukrainischen Militär nicht aufeinander abgestimmt worden, und warf dem Kommando der ukrainischen Streitkräfte vor, die Umstände der Zerstörung des Flugzeugs zu vertuschen. Kurz darauf wurde der Kommandeur der ukrainischen Luftwaffe Nikolai Oleschtschuk seines Amtes enthoben.
Am 14. April 2025 allerdings meldete Russlands Verteidigungsministerium, diese F-16 sei über dem Grenzgebiet der ehemaligen Ukrainischen SSR Sumy abgeschossen worden und gehe auf das Konto der russischen Flugabwehr.
Ebenfalls im April – am 28. – meldeten die ukrainischen Streitkräfte den Verlust eines Suchoi Su-27-Jagdflugzeugs aus dem sowjetischen Vermächtnis. Mit diesem wurde ein Einsatz einerseits zur Unterstützung der Truppen, andererseits aber auch zur Abwehr von Angriffen durch Kampfdrohnen durchgeführt.
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