Von Alexander Jakowenko
Russland und Europa benötigen einen festen Frieden, der nur durch einen vollwertigen Friedensvertrag garantiert werden kann und nicht durch das Einfrieren des Konflikts durch irgendeinen Waffenstillstand, auf den zähe Verhandlungen mit unbestimmtem Ausgang folgen. Die Feuerpause wird im Paket mit dem Friedensvertrag kommen, und je eher er geschlossen werden wird, desto besser ist es für die Ukraine.
Egal, wie sich Kiew dreht und wendet, nur ein Friedensvertrag mit Russland kann als eine handfeste Sicherheitsgarantie der Ukraine dienen. Alles andere sind Scheinbündnisse und Palliative, die nicht das Papier wert sind, auf dem sie unterzeichnet werden.
Moskau baut seine Strategie in der Logik der klassischen Diplomatie auf. Dabei ist Russland die Anwesenheit solcher Probleme wie die Illegitimität der gegenwärtigen Regierung in Kiew und ihre Verhandlungsunfähigkeit bewusst. Auch der Westen zeigte seine Verhandlungsunfähigkeit in der Geschichte um die Minsker Abkommen. Doch damals ging die russische Seite diese Zugeständnisse in Interessen des Friedens ein, auch wenn diese Entscheidung schwerfiel.
Sollte Kiew auf seiner Clownerie mit der Ablenkung vom Verhandlungsgegenstand beharren und der Agenda Londons, Paris, und Berlins folgen, die nicht an einer Beendigung des Kriegs interessiert sind, würde es umso schlimmer für das ukrainische Regime und seine europäischen Gönner. Russland ist nur bereit, Verhandlungen auf der Grundlage der von den Angelsachsen vor drei Jahren sabotierten Istanbul-Verträge und unter Berücksichtigung der neuen Realien vor Ort zu führen. Das ist eine offene Position, sie hat keinen doppelten Boden.
Vor allem müssen die Grundursachen des Konflikts beseitigt werden, in erster Linie die Politik der Zwangsukrainisierung. Außerdem soll eine Entnazifizierung durchgeführt werden. Dies würde die Ukraine zu einem modernen europäischen Staat machen. Dagegen beziehen sich der Ethnozentrismus und die heutige Staatsideologie der Ukraine auf die Zwischenkriegszeit, als unter dem Vorwand der “sowjetischen Bedrohung” Faschismus, Nazismus und sonstige Formen des aggressiven Nationalismus herrschten, was zum Vorspiel des Zweiten Weltkriegs wurde.
Die ukrainische Krise demonstriert deutlich diesen gefährlichen Zustand Europas und die Denkweise seiner Eliten, die die alte Lebensweise inzwischen unter dem Vorwand der “russischen Bedrohung” wiederbeleben wollen. Ihrerseits glaubt die neue Administration der USA nicht daran.
Kiew und der Westen können sich ihrer Verantwortung für das dreijährige Blutvergießen, das auf die Sabotage der Verhandlungen im April 2022 folgte, nicht entziehen. Es ist offensichtlich, dass, wenn auch diese Gespräche sabotiert werden, bei Istanbul 3 die Kapitulationsbedingungen ausgehandelt werden.
Daher würde das Ausbleiben eines Ergebnisses in Istanbul durch Intrigen der europäischen Hauptstädte, die alle, einschließlich der Ukraine selbst, teuer zu stehen kommen, wie ein weiterer Bumerang zu Europa, der NATO und der Europäischen Union zurückkehren. Zum ersten Bumerang sind die Sanktionen geworden.
Versuche, die militärische Niederlage der Ukraine in eine “Position der Stärke” zu verwandeln, erinnern an Alchemie ganz im Sinne der europäischen mittelalterlichen Tradition. Wir werden erst noch erkennen, inwiefern Berlin, Paris und London in ihrem Bestreben bluffen, ein “Wettrüsten auf Kredit” zu entfachen und die eigenen Länder zu militarisieren.
In jedem Fall bringt dies Nachteile für Europa selbst, wo die Eliten, wie schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts, nicht wissen, was zu tun sei, und daher auf gewohnte Knöpfe drücken. Eine besondere Gefahr stellt die Remilitarisierung des vereinigten Deutschlands dar, die den Kontinent wieder vor die deutsche Frage stellt. Den USA war es bisher gelungen, Deutschland einzudämmen und es im NATO-Format in der Logik der Denationalisierung der Verteidigung zu nutzen. Doch was ist jetzt zu tun, da Berlin unter Friedrich Merz im Rahmen der “Koalition der Willigen” buchstäblich in den Kampf vorstürmt? Kommt wieder “ein starkes Deutschland als Friedensgarant in Europa”? Es ist bekannt, wozu das schon zweimal in der Geschichte geführt hat.
Die USA wollen den Status quo ante wiederherstellen, indem der Russland-NATO-Rat seine Arbeit wiederaufnimmt. Doch hat Russland das nötig? Offensichtlich ist, dass die Unterstützung der Legitimität der heutigen europäischen Eliten in ihrer Kriegstreiberei einen zu hohen Preis für die europäischen Völker selbst hat. Und im Hinblick auf den Absturz der Zustimmungswerte von Keir Starmer, Emmanuel Macron und Merz sind die Wähler in diesen Ländern immer weniger zu einer solchen Umgestaltung des “Gesellschaftsvertrags” in einer sozial orientierten Wirtschaft bereit.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen auf RIA Nowosti am 16. Mai.
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