Trumps brüske Abkehr von den zarten Tönen macht der deutschen Politik das Leben schwer. Wie lässt sich am Transatlantismus festhalten, wenn die Rhetorik des US-Präsidenten und die von ihm angeordneten Maßnahmen kaum einen anderen Schluss zulassen als den, dass das transatlantische Bündnis einseitig gekündigt wurde? Das war zwar faktisch unter seinen Vorgängern nicht viel anders, aber sie sprachen es nicht so laut aus.
Donald Trumps neuester Coup trifft den Internationalen Strafgerichtshof IStGH. Trump hat Sanktionen gegen den IStGH verhängt. Grund ist, dass der IStGH einen Haftbefehl gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ausgestellt hat. Netanjahu wird vorgeworfen, in Gaza Genozid an den Palästinensern zu begehen. Trump wirft dem Gericht Machtmissbrauch vor. Nun ist Trump nicht der erste US-Präsident, der nichts vom IStGH hält. Die Abneigung teilt er mit allen seinen Vorgängern.
Problematisch ist, dass die deutsche Politik ein großer Befürworter der internationalen Strafverfolgung und -gerichtsbarkeit ist. Deutschland hat die Ausstellung eines Haftbefehls gegen Putin nicht nur begrüßt, sondern geradezu euphorisch gefeiert. Im Falle Netanjahus waren die Töne dann deutlich verhaltener.
Deutschlands oberste Völkerrechtlerin, gefangen im Körper der Außenministerin, stellen die Sanktionen gegen den IStGH vor eine Herausforderung. Wie kann man sich weiterhin zum transatlantischen Bündnis bekennen, deutsche Interessen denen der USA unterordnen und trotzdem eine Pressemitteilung zum Thema raushauen? Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) hat eine Lösung für das Problem gefunden. Die USA werden nur einmal, nämlich in der Überschrift, erwähnt – die sie nicht selbst verfasst hat:
“Außenministerin Annalena Baerbock zu den US-Sanktionen gegen den IStGH”.
Im Anschluss lobt die Außenministerin die Gründung des IStGH als fundamentalen Fortschritt. “Der internationale Strafgerichtshof ist eine der größten Errungenschaften des Völkerstrafrechts und wird von mehr als 120 Staaten getragen.” Von den USA übrigens nicht, hätte sie an dieser Stelle erwähnen können, unterlässt es aber.
Sie kommt dann zügig auf ihr Lieblingsthema zu sprechen: Putin. Den erwähnt sie in einer Pressemitteilung, in der es eigentlich um die USA und deren Sanktionen gegen den IStGH gehen soll, ganze drei Mal.
“Wenn der IStGH seine Arbeit jetzt nicht weiterführen könnte, wäre das doch eine der größten Freuden für Putin. Putin musste in den vergangenen drei Jahren erfahren, dass seine Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie die Verschleppung ukrainischer Kinder nicht folgenlos bleiben. So konnte Putin unter anderem nicht zum BRICS-Treffen nach Südafrika reisen, weil Südafrika Unterzeichner des Römischen Statuts ist und ihn hätte festnehmen müssen. Niemand steht über dem Völkerrecht.”
Der letzte Satz ist gleich in mehrerer Hinsicht falsch. Offensichtlich glauben alle US-Präsidenten nach dem Zweiten Weltkrieg, über dem Völkerrecht zu stehen. Benjamin Netanjahu ebenfalls und auch Deutschland handelt immer seltener völkerrechtskonform. Erwähnt sei hier nur die Sabotage der völkerrechtlich bindenden Vereinbarung Minsk II und des ebenfalls völkerrechtlichen 2+4-Vertrags, der die Grundlage der Deutschen Einheit bildet.
Mit ihrem Statement macht Baerbock obendrein deutlich, dass für sie das Völkerrecht lediglich Mittel zum Zweck ist. Wenn’s hilft, Putin zu verurteilen, dann ist das Völkerrecht eine super Sache. Die grüne Außenministerin interessiert sich nachweislich immer nur dann für das Völkerrecht, wenn es ihr in den Kram passt. Ansonsten ist es ihr ziemlich schnuppe.
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