Der Direktor der Abteilung für außenpolitische Planung im russischen Außenministerium, Alexei Jurjewitsch Drobinin, sprach mit dem ungarischen Journalisten Gábor Stier über die Chancen auf eine Beendigung des Ukraine-Konflikts unter US-Präsident Donald Trump und welche Rolle dabei eine neue europäische Sicherheitsarchitektur spielen würde.
Auf die Frage von Stier, dessen Interview auf den NachDenkSeiten veröffentlicht wurde, welche Chancen sich mit Trump als US-Präsident ergeben, den Krieg in der Ukraine zu beenden, sagte Drobinin:
“Als Vertreter des Außenministeriums kann ich wie Wladimir Putin und Sergei Lawrow nur sagen, dass wir Trumps Amtsantritt und sein Angebot abwarten werden.”
Man sei sich bewusst, dass im Wahlkampf getätigte Aussagen ihre eigene Bedeutung haben. Das sei etwas Anderes, als Dinge “vom Vorsitz aus zu sagen”. Man mache sich im Kreml “keine Illusionen über eine Änderung der russophoben Stimmung in der US-amerikanischen politischen Klasse”, denn man sehe, dass sich da in dieser Frage “längst ein parteiübergreifender Konsens” herausgebildet habe. Gleichzeitig sei man aber “offen für Dialog” und warte auf konkrete Schritte.
Als Analyst sehe er allerdings “wenig Chancen für eine Einigung, denn was wir jetzt hören, ist ziemlich weit von den Zielen Russlands entfernt”, führt Drobinin weiter aus. Auch Trumps vorherige Amtszeit gebe keinen Anlass zu übermäßigem Optimismus, denn “die Taktik der Republikaner besteht erfahrungsgemäß darin, Frieden mit Gewalt zu schaffen”. Und auch Trumps derzeitiges Team bevorzuge offenbar dieses Modell.
Neue europäische Sicherheitsarchitektur als Grundlage der Konfliktlösung
Ob der Konflikt in der Ukraine überhaupt gelöst werden könne, ohne die europäische Sicherheitsarchitektur zu überdenken, war eine weitere Frage an den Mitarbeiter des russischen Außenministeriums.
Diesbezüglich wies Drobinin zunächst darauf hin, dass das Konzept der europäischen Sicherheitsstruktur selbst auf dem euroatlantischen Modell basierte, in dessen Zentrum die von den USA dominierte NATO stand. Doch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Auflösung des Warschauer Paktes hätten sich folgende Fragen gestellt:
“Vor wem sollte Europa geschützt werden? Wer bedrohte es in den späten 1990er Jahren? Wozu brauchen wir überhaupt die NATO, die nach dem Ende des Warschauer Paktes nicht nur überlebt hat, sondern sich nach Osten auszudehnen begann?”
Dieses Modell sei nach Ansicht Russlands “nicht lebensfähig”, und das gesamte Konzept der europäischen Sicherheit, wie es in den OSZE-Dokumenten niedergelegt ist, müsse “überdacht werden”.
“Es befindet sich nicht nur in einer tiefen Krise, sondern ist kollabiert”,
so Dobrinin.
Er betont, dass es in den OSZE-Dokumenten heißt, dass die Sicherheit unteilbar sei. Als Moskau darauf Bezug nehmend im Jahr 2021 vorschlug, diesen Grundsatz der unteilbaren Sicherheit rechtlich zu bestätigen, habe der Westen entgegnet, “dass die Sicherheit nur innerhalb der NATO unteilbar ist und sich nicht auf die Länder außerhalb der Organisation erstreckt”.
“Dies gilt aber auch umgekehrt und bedeutet, dass die Seite, die Russland gegenübersteht, auch nicht sicher ist. Beim Aufbau der neuen eurasischen Sicherheitsarchitektur beharrt Russland auf dem Grundsatz, dass Sicherheit wirklich unteilbar ist und dass die Sicherheit eines Landes nicht auf Kosten der Sicherheit eines anderen Landes erhöht werden darf.”
Nach Moskaus Vorstellungen sollte diese neue Sicherheitsstruktur “allen Ländern und regionalen Organisationen in Eurasien, einschließlich Europa, offenstehen”.
NATO setzt ihre Sicherheit aufs Spiel
Die NATO-Länder sollten in Erwägung ziehen, dass sie “ihre Sicherheit im Falle eines Konflikts mit Russland aufs Spiel setzen”, warnt Drobinin. Mit der Genehmigung des Einsatzes weitreichender Raketen gegen Ziele tief in Russland habe sich die NATO in einen direkten Konflikt mit Moskau gebracht. Diese Entscheidung der jeweiligen NATO-Staaten sei nicht durch ein feindliches Vorgehen Russlands ausgelöst worden.
Deutliche Worte fand Drobinin für das Ansinnen von Friedrich Merz, als Bundeskanzler der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zur Verfügung zu stellen:
“Nehmen wir das Ultimatum von Friedrich Merz, dessen Erfüllung die Sicherheit Deutschlands bedroht. Den Einsatz von Taurus gegen Russland zuzulassen, wäre ein selbstmörderischer Akt […].”
Vor dem Hintergrund dieser Verantwortungslosigkeit sei der “vorbildliche gesunde Menschenverstand der slowakischen oder ungarischen Regierung zu bewerten, die die Sicherheit ihrer eigenen Länder im Auge haben”, sagte Drobinin abschließend zu der Frage.
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