Medienberichten zufolge wartete der 15-Jährige am Samstag mit vier Mitschülern in der Stadt Irkutsk auf den Bus. Plötzlich sei eine Gruppe von etwa zehn Gleichaltrigen auf die Schüler zugekommen und habe sie gefragt, aus welchem Viertel sie kämen. Ein Augenzeuge schilderte, die Angreifer hätten begonnen, den Jugendlichen “Fragen über das Gefängnis” zu stellen.
Ein Teenager habe dem Neuntklässler zunächst auf den Kopf geschlagen, dann sei es zu einem Handgemenge gekommen, in dessen Verlauf er mit einem Messer in den Hals gestochen worden sei. Hierbei sei die Halsschlagader getroffen worden. “Einem Freund gelang die Flucht, zwei andere wurden zusammengeschlagen und einer getötet”, schilderte der Augenzeuge. Beobachter riefen den Notarzt, doch für den 15-Jährigen kam jede Hilfe zu spät. Die Beteiligten flüchteten vom Tatort.
Die Mutter des verstorbenen Schülers sagte, sie habe am Samstagabend auf ihn gewartet. Plötzlich habe ein Ermittler angerufen und gesagt: “Ihr Sohn ist tot.”
Mittlerweile seien sechs Personen festgenommen worden, teilte das regionale Ermittlungskomitee der Region Irkutsk mit. In einer Mitteilung vom 4. Dezember heißt es, die Festgenommenen seien zwischen 15 und 21 Jahren alt. Die offizielle Vertreterin des russischen Innenministeriums teilte mit, dass ein Strafverfahren wegen Mordes eingeleitet worden sei. Ihnen drohen bis zu 15 Jahre Haft.
Jekaterina Misulina, Leiterin der Organisation “Liga für sicheres Internet”, meinte, die Angreifer hätten sich von einer neuen TV-Serie inspirieren lassen, die seit kurzem auf russischen Streaming-Plattformen abrufbar ist und von den Behörden bereits als “Romantisierung des Banditentums” kritisiert wurde. Sollten sich die Vermutungen bestätigen, könnten die Ermittlungen neu eingestuft werden, erklärte sie und fügte hinzu: “Dann drohen allen Beteiligten bis zu 20 Jahre Haft”.
Eine Quelle der Zeitung Kommersant, die mit den Ermittlungen vertraut ist, berichtete, dass an der Bushaltestelle ein Satz gefallen sei, der einem Zitat aus der Serie ähnele.
Die Beauftragte für Kinderrechte in der Region Irkutsk erklärte ihrerseits, dass ein Zusammenhang zwischen dem Vorfall und der Serie nicht bestätigt werden könne: “Die Informationen werden geprüft, aber es gibt noch keine Bestätigung.”
Zuvor hatte Ruslan Minnichanow, das Oberhaupt der Republik Tatarstan, die Serie kritisiert. Sie entspreche “nicht der Politik, die wir verfolgen”, sagte er. Auch die Beauftragte für Kinderrechte in Tatarstan forderte die Verbraucherschutzbehörde Roskomnadsor auf, die Serie zu prüfen. Sie erzeuge “falsche Vorstellungen über die kriminelle Welt in den Köpfen der jungen Menschen” und vermittle Ideen und Werte, “die dem russischen Volk fremd und für die russische Gesellschaft destruktiv sind”.
Die Serie “Das Wort des Kerls” basiert auf wahren Begebenheiten und einem gleichnamigen Buch von Robert Garejew. In den 1980er-Jahren gab es in Kasan, der Hauptstadt Tatarstans, immer mehr kriminelle Jugendgruppen, die um die “Vorherrschaft” in ihren Stadtvierteln kämpften. Garajew war damals selbst an diesen Auseinandersetzungen beteiligt und beriet die Macher der Serie bei den Dreharbeiten. Hauptfigur ist ein intelligenter Junge, der gezwungen ist, sich seiner Umgebung anzupassen. Die Serie enthält viele brutale Szenen, beispielsweise wie sich eine Jugendbande an einer anderen für den Tod eines Mitglieds rächt.
Der Regisseur erklärte, er habe zeigen wollen, dass die Mitgliedschaft in einer kriminellen Bande kein Kinderspiel ist, sondern eine Entscheidung, die Leid und Tod mit sich bringe.
Die Macher der Serie bereiten nun rechtliche Schritte gegen Publikationen vor, die den Mord in Irkutsk mit ihrem Projekt in Verbindung bringen, berichten russische Telegram-Kanäle.
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