Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat in ihrem Jahresbericht einen Entwurf für das von ihr und den Zentralbanken angestrebte Geldsystem der Zukunft veröffentlicht. Wie der Journalist Norbert Häring in seinem Weblog Geld und mehr schreibt, behandelt der Entwurf die Möglichkeiten digitaler Technologien im Zuge des geplanten digitalen Zentralbankgeldes.
Die BIZ spricht in der Kurzfassung von einer “neuartigen Finanzmarktinfrastruktur” in Form eines “einheitlichen Hauptbuchs” (englisch: unified ledger). Ein solches einheitliches Hauptbuch könnte die “Vorteile der Tokenisierung” voll ausschöpfen, indem es Zentralbankgeld, Token-Geldeinlagen und Token-Vermögenswerte auf einer “programmierbaren Plattform” vereint. Die Schlüsselbegriffe dieses Fachjargons sind Häring zufolge “Tokenisierung”, “einheitliches Hauptbuch” und “Programmierbarkeit”.
Tokenisierung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Vermögenswerte wie Finanztitel, also auf Kapitalmärkten umgesetzte Handelsobjekte wie Aktien, Anleihen, Schuldscheine, Sparbücher, oder reale Handelsobjekte wie Rohstoffe und Immobilien als digitale Einheiten (“Token”) repräsentiert und übertragbar gemacht werden. Diese Token enthalten dabei nicht nur die Informationen über das repräsentierte Objekt, sondern auch die Regeln für die Übertragung dieses Objekts.
Zentralisierung des Zahlungsverkehrs
Durch die Schaffung eines einheitlichen, digitalen “Hauptbuchs”, das alle Beteiligten, Zahlungsmittel, Wertpapiere und Waren speichert, wären auch normale Geldeinlagen betroffen und würden als Token programmierbar sein. Laut der BIZ bestünde hierdurch die Möglichkeit, den Austausch von Gütern und Leistungen sowie den Zahlungsverkehr zu automatisieren und zu bündeln.
Die Anwendungsbeispiele, die die BIZ für zentrale, digitale Hauptbücher anführt, wie Wertpapierabwicklung und Handelsfinanzierung, wirken laut Häring harmlos und nützlich. Durch eine immer stärkere Verschmelzung verschiedener Hauptbücher, sprich von Vermögenswerten und Unternehmen, würde dieser Vorgang jedoch zu einer enormen Machtkonzentration führen, so Häring.
“Das absehbare Endergebnis wäre eine detaillierte zentrale Steuerung aller wirtschaftlichen und finanziellen Vorgänge innerhalb einer Weltregion, die sich auf ein solches Geld- und Währungssystem geeinigt hat.”
Verhaltenslenkung, Kontrolle und Zensur
Häring kritisiert, dass der Entwurf der BIZ nur andeute, wie feingliedrig die Steuerungsmöglichkeiten eines solchen Systems wären. Für jede Person und jedes Unternehmen könnten spezielle Regeln definiert werden. Die BIZ spricht an dieser Stelle von der Möglichkeit “aufsichtsrechtlicher Compliance-Anforderungen”, die von dem Transaktionspartner, dem Standort und der Art der Überweisung abhängen könnten, um beispielsweise Geldwäsche vorzubeugen.
Die Kehrseite wäre, dass in Verbindung mit dem sogenannten Internet der Dinge (englisch: Internet of Things), also der Vernetzung analoger Objekte von der Mietwohnung über Geräte zum Lesen digitaler Bücher bis zur Kaffeemaschine, jede noch so kleine Handlung wie das Umblättern einer Buchseite zentral registriert und – falls es von einer Bezahlung abhängt – gegebenenfalls unterbunden werden könnte.
Was die BIZ als transparente und überprüfbare Aufzeichnungen aller Transaktionen, Überweisungen und Eigentumsänderungen anpreise, bedeute laut Häring die totale Überwachung als Norm. Wenig überraschend komme in dem BIZ-Entwurf die Möglichkeit von Machtmissbrauch in Form von Verhaltenslenkung, Kontrolle und Zensur nicht vor. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Möglichkeit von Datenschutz finde, so Häring, nicht statt. Stattdessen plane die BIZ offenbar, das einheitliche “Hauptbuch”, also die Kontrolle über die Transaktionsdaten, in die Hände einer “öffentlich-privaten Partnerschaft” zu legen – als eines staatlich legitimierten Unternehmens.
Gesetzesentwurf des digitalen Euros
Abschreckende Beispiele für programmierbares Geld gibt es bereits heute zur Genüge, allen voran Nigeria. Dort plant die Zentralbank laut eigenen Angaben, die Nutzbarkeit der digitalen Währung eNaira einzuschränken, etwa damit Bauern mit Krediten nur bestimmte Produkte wie Saatgut und Maschinen kaufen können. Wären programmierbare Währungen einmal der Standard, könnten diese Einschränkungen beliebig erweitert oder zurückgenommen werden – auch im Falle des digitalen Euros, für den bereits ein Gesetzentwurf existiert.
Darin stellt die EU-Kommission in Artikel 32 Absatz 2 zwar klar, dass der digitale Euro kein programmierbares Geld sein werde. Laut Häring könnte es sich bei dieser Absicht jedoch um Augenwischerei handeln. Der Gesetzentwurf schließe die Programmierung nämlich nur auf der Geldebene aus, nicht jedoch auf der Ebene der Plattform des von der BIZ angestrebten, einheitlichen Hauptbuchs.
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